Bisher sitzen drei rechte Fraktionen im europäischen Parlament, die sich teilweise in scharfer Abneigung verbunden war. Das könnte sich mit der kommenden EU-Wahl ändern und zu einer geeinten Rechten führen, die sogar zweitstärkste Fraktion werden könnte.
Europas Rechte ist im EU-Parlament gespalten, der Rechtsruck in Europa, wie auch der EU-Austritt Großbritanniens könnten dazu führen, dass sich die Rechte vereinigt. Insbesondere das Treffen des Vorsitzenden der neofaschistischen Lega mit dem polnischen PiS-Chef Jarosław Kaczyński verstärkt diese Anzeichen.
Zwischen Rechtskonservativen und Faschisten
Die größte der drei rechten Fraktionen im EU Parlament ist die Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR). Sie stellt im EU-Parlament 75 Abgeordnete, mehr als die Hälfte dieser Abgeordneten wurde von den Torries und der PiS ins EU-Parlament geschickt. Ihre Positionen reichen von (rechts-)konservativen, vor allem geprägt durch die britischen Tories, bis zu rechtspopulistischen, geprägt durch die polnische PiS, die Schwedendemokraten, der dänischen Volkspartei und die immer weiter nach rechts rückenden „Wahren Finnen„. Gemeinsam ist ihnen allen eine Kritik an der Übertragung von Befugnissen an die EU. Die große Mehrheit ihrer Mitglieder vertritt klar neoliberale Positonen, nur wenige stellen den Protektionismus und vermeintliche Sozialpolitik in den Vordergrund, und eine enge Anbindung an die westlichen Bündnispartner, insbesondere die USA.
Die zweitgrößte Fraktion der Rechten im EU-Parlament ist die „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFDD)-Fraktion. Diese wird dominiert von den rechtspopulistischen UKIP und der 5 Sterne Bewegung (M5S). Sie ist die Fraktion im Europaparlament, die die geringste Geschlossenheit aufweist. Gemeinsam haben alle Parteien eine Skepsis gegenüber der EU. Ansonsten weißen sie größere Unterschiede auf, während M5S vor allem direkte Demokratie betont und sich sozial gibt, setzen UKIP, die polnische Wolność und die tschechiche Strana svobodných občanů vor allem auf Stimmungsmache gegen Migranten und eine neoliberale Wirtschaftspolitik.
Die drittgrößte und am weitesten rechtsstehende Fraktion im EU-Parlament ist die „Europa der Nationen und der Freiheit„(ENF)-Fraktion. Sie wird dominiert von neofaschistischen Parteien wie dem französischen Rassemblement National (ehemals Front National) und der italienischen Lega. Mit der niederländischen PVV von Geert Wilders, dem belgischen Vlaams Belang und der österreichischen Regierungspartei FPÖ, hat sie weitere Parteien, die über bekannte Rechtsaußenpolitiker verfügen und in Europa gut vernetzt sind. Die Fraktion ist politisch relativ einig und setzt auf rassistische Stimmungsmache gegen Migranten, Muslime und Geflüchtete, eine vollkommene Abschottung Europas und spricht sich für ein Ende des Euros aus. Die Ablehnung der EU als Institution ist mit der Regierungsübernahme durch FPÖ und Lega, sowie dem Versuch an die Regierung zu kommen (PVV und RN) allerdings leiser geworden.
Veränderungen im Machtgefüge der Rechten
Lange Zeit dominierten die britischen Parteien die EKR und EFDD, mit dem Austritt Großbritanniens wird dies hinfällig. Doch auch insgesamt verändert sich die europäische Rechte, dies hängt zum einen zusammen mit einem weltweiten Rechtsruck und der damit einhergehenden gegenseitigen Förderung, zum anderen mit dem Wachstums rechter Parteien in großen Teilen Europas. Während lange Zeit Le Pen und ihr RN die neofaschistische Rechte dominierten, hat in den vergangenen Monaten das Gewicht der Lega und der FPÖ, infolge ihrer Regierungsbeteiligungen, zugenommen. Auch in den Umfragen haben Lega, sie dürfte nach aktuellen Umfragen die zweitstärkste Einzelpartei im EU-Parlament werden, und FPÖ Zugewinne zu verbuchen, die ihren Einfluss stärken dürften.
Veränderte Zusammensetzung
Durch das Ausscheiden der Tories aus dem EU-Parlament würde die EKR zum alleinigen Anhängsel der PiS. Diese hat allerdings angedeutet, dass sie einer Zusammenarbeit mit den Parteien der ENF offen gegenübersteht. Eine Annäherung kam dabei vor allem über Gespräche mit der Lega und der FPÖ zustande. Mit dem Abgang der Tories würde die EKR auch ihr bürgerliches Aushängeschild verlieren, auch aus Deutschland und Frankreich würden keine Abgeordneten für sie einziehen. Demnach stünde eine Dominanz der rechteren Teile der EKR nichts mehr im Wege, die allerdings ideologisch kaum größere Probleme mit großen Teilen der ENF haben. Die „Dänische Volkspartei“ und die inzwischen rechtsradikalen“Wahren Finnen“ haben ohnehin kaum Differenzen zur Lega und der FPÖ und loben deren Politik.
Veränderungen dürfte es auch bei der EFDD geben, durch das Ausscheiden Großbritanniens würden sie die UKIP verlieren, und auch die AfD, die beim nächsten Mal wohl deutlich mehr deutsche Sitze holen wird, hat ihre Sympathien für Salvini, Strache und Wilders immer wieder deutlich gemacht, weswegen mit einem Wechsel zur bisherigen ENF gerechnet wird. Auch die M5S zeigt kaum noch Interesse an einer Zusammenarbeit mit den anderen Rechtsparteien und hatte sogar schon den Versuch gewagt zur liberalen ALDE zu wechseln, was jedoch an deren Abgeordneten scheiterte. Ohne diese drei Parteien wäre die EFDD nicht in der Lage ihren Fraktionsstatus zu behalten.
Eine weitere Ungewissheit ist die Situation der ungarischen Fidesz, die bisher in der konservativen EVP-Fraktion sitzt. Ein Austritt aus dieser scheint aktuell unrealistisch, da es den Weg für eine härtere Gangart gegen Ungarn frei machen würde, dennoch erklärte der Fidesz-Ministerpräsident Orban immer wieder seine Sympathien für eine starke Rechte im EU-Parlament. Gefördert wird diese Entwicklung durch den ehemaligen Trump-Berater Bannon, der eine starke Rechtsallianz im EU-Parlament herstellen will und dafür Verbindungen zwischen den einzelnen Ländern.
West- oder Ostbindung?
Das größte Hindernis auf dem Weg einer starken europäischen Rechtsfraktion stellt aktuell die Frage des Umgangs mit Russland dar. Während der RN, Lega, aber auch FPÖ und PVV die Sanktionen gegen Russland abbauen wollen, setzen die osteuropäischen Parteien auf eine Eskalationspolitik mit Russland. So ist die PiS eine derjenigen Kräfte in Europa, die am stärksten gegen Russland agitiert, aber auch die der EKR angehörigen litauischen „Lietuvos lenkų rinkimų akcija“ und die lettische „Nacionālā apvienība“ lehnen jegliche Annäherung an Russland ab.
Mit der neoliberalen und konservativen ODS (Tschechien), der niederländischen ChristenUnie, der deutschen Familienpartei und dem belgischer Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) befinden sich weitere Parteien in der EKR-Fraktion, die kaum Interesse an der Stärkung einer neofaschistischen ENF haben dürften.
Eine drittes Hindernis für Bannons und Salvinins Traum einer geeinten Rechten dürfte die Tatsache darstellen, dass aus einigen Ländern mehrere rechten Parteien einziehen werden, die versuchen werden sich voneinander abzugrenzen. So dürften aus Frankreich mindestens die gaulistische Debout la France und der neofaschistische FN (mehr als 20 Sitze) einziehen, auch in Italien dürften neben der Lega noch die Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) einziehen, ausgeschlossen ist dagegen ein Wechsel der M5S zur ENF, weswegen diese für die Differenzen im Land keine Rolle spielt. In Polen wird neben der PiS wohl auch Wolnosc einziehen.
Geeinte Rechte?
Sollten also PiS und die ihr folgenden osteuropäischen Parteien ihre Skepsis überwinden und mit den Neofaschisten eine gemeinsame Fraktion bilden, dann würde diese mit ca. 150 Sitzen im kommenden Parlament wohl die zweitstärkste Kraft darstellen. Sollten die gegenseitigen Abneigungen in den Ländern und die unterschiedliche Haltung zu Protektionismus und der Westbindung allerdings überwiegen, so scheint es ziemlich sicher, dass die ENF-Fraktion deutlich an Stärke hinzugewinnt. Ursachen dafür sind zum einem geplanten Wechsel der AfD, die hohen Umfragewerte der Lega und der Neueinzug der spanischen Rechtsaußenpartei VOX sein. Ob und wie stark dagegen die EKR sein wird, hängt maßgeblich damit zusammen wie sich die M5S positioniert und was die skandinavischen Mitglieder der EKR machen. Unabhängig davon wie genau die Fraktionsbildung ausgehen wird, dürften die Europawahlen einen Rechtsruck bedeuten, da in fast jedem Land eine rechtskonservative bis neofaschistische Partei ins Parlament einziehen wird, in einigen Ländern sogar als stärkste Kraft.
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