Rechtes Wachstum in Europa - Bild: http://socialistreview.org

Europa: Die Gefahr von rechts

Rechtsextreme konnten in ganz Europa eine Serie von großen Wahlgewinnen verbuchen. Charlie Kimber berichtet ausführlich über die Verknüpfung zwischen ihrem Aufstieg und der Verteilung von Bigotterie en grosse durch das Establishment .

Eine Reihe von Wahlergebnissen in Deutschland, Österreich, Frankreich und Tschechien machte Fortschritte von rechten wie auch manchmal faschistischen Kräften erkenntlich. Die politische Linke hat Fortschritte gemacht, den Aufsteig Jeremy Corbyns miteingenommen. Aber es braucht eine Warnungen vor der Gefahr von rechts.

In Polen führten Faschisten eine Demonstration von zehntausenden von Menschen am 11. November an. Ein Block dieses Maschres trug Banner mit Slogans wie “Europa wird weiß sein oder menschenleer”, “Weißes Europa der brüderlichen Nationen”  und  “Pures Blut, nüchterner Verstand”. In den USA ermutigte die Wahl von Donald Trump und seinen Tiraden gegen Migranten, seine Islamophobie und seine waghalsigen militärischen Drohungen nationalsozialistische Kräfte zum Aufstieg.

Rassismus ist nicht nur eine Ergänzung zur Methode der herrschenden Klasse. Er ist wesentlich für sie in einer Periode blutarmen Wachstums, stagnierender oder sinkender Lebensstandards für Millionen von Menschen, und einer machtvollen Wut in der Gesellschaft die nach einem Abnehmer sucht. Die Rassisten und Faschisten zu bekämpfen erfordert ein Verständnis des Feindes. Faschismus ist nicht von rechts beflügelter Nationalismus. Er ist ein spezifisches Gebilde, welches versucht alle Formen von Organisation der Arbeiterklasse und Demokratie zu vernichten. Den Schrecken, den sie betreiben würden, sind keine Grenzen gesetzt – wie uns der Nazi Holocaust demonstriert hat.

Gefährlich

Es ist sehr gefährlich faschistische und traditionell rechte parlamentarische Kräfte identisch zu behandeln. Die Tories sind boshaft und sie zerstören das Leben von Menschen. Sie verteidigen Nuklearwaffen, die die Welt vernichten könnten, und betreiben mörderische imperialistische Kriege. Aber sie werden keine Gewerkschaften verbieten, parlamentarische Wahlen abschaffen und Anführer der Labour-Partei töten. Das ist das, was Faschisten tun würden.

Leo Trotski schrieb : „Es gibt einen Widerspruch zwischen Demokratie und Faschismus. Er ist überhaupt nicht „absolut“ , oder in der Sprache der Marxisten, er kennzeichnet überhaupt nicht die Herrschaft von zwei unvereinbaren Klassen. Aber er kennzeichnet verschiedene Systeme der Herrschaft über ein und dieselbe Klasse. Diese beiden Systeme: das eine parlamentarisch-demokratisch, das andere faschistisch, holen sich ihre Unterstützung aus verschiedenen Kombinationen von unterdrückten und ausgebeuteten Klassen und sie prallen hart und unvermeidbar aufeinander.“

Der große Fehler der kommunistischen und sozialdemokratischen Kräfte der 1930er Jahre war das Versagen sich in Maßnahmen gegen die Nazis zu vereinen. Die deutschen Kommunisten folgten Stalins Linie, dass es keinen Unterschied zwischen Faschismus und Demokratie gäbe und dass die Nazis und die labourartigen Parteien nicht Feinde sondern “Zwillinge” wären. Wir können es uns nicht leisten die Fehler der 1930er Jahre zu wiederholen und das bedeutet eine vereinte Front  in den Handlungen gegen den Faschismus. Das bedeutet ebenfalls, dass Faschisten mit massiver Konfrontation auf den Straßen begegnet werden sollte sowie mit unnachgiebiger Propaganda und Kampagnen gegen sie am Arbeitsplatz und in den Gemeinden.

Faschistische Organisationen sind nicht dasselbe wie rechte Parteien. Aber es liegt Gefahr darin die Rolle, die gängige Parteien als Komplizen von faschistischem Wachstum haben, zu verkennen.

Es gibt immer eine Verbindung zwischen dem Wachstum faschistischer Kräfte und den Handlungen von gängigen rechte und sozial-demokratischen Parteien. In Krisenzeiten attackieren die traditionellen Parteien die Arbeiterklasse und hausieren mit Sündenbock-Lügen die der Spaltung des Widerstands dienen. Korruption und elitäres Denken entlarven sie als enfernt von der Mehrheit der Menschen und ablehnend gegenüber ihnen.

Formen

In seinem Buch „Marxisten im Angesicht des Faschismus“ schreibt David Beetham, dass die Verbindung zwischen Faschismus und  der Reaktion innerhalb eines parlamentarischen Systems zwei Formen annehmen kann: Sukzession und simultane Interaktion. Er fügt hinzu, dass „eine Restriktion demokratischer Rechte ausgeführt unter einem parlamentarischem Regime  die Grundlage für folgende Hemmung unter einer Diktatur vorbereiten kann.“

„Ein anderer Prozess der Interaktion findet statt , wo die Präsenz einer faschistischen Bewegung ein parlamentarisches Regime befähigt Unterstützung für reaktionäre Maßnahmen, die sonst nicht unterstützt werden würden, zu gewinnen. Beide Formen der Verbindung – die sukzessive und die reziproke – wurden in Deutschland zwischen 1929 und 1933 aufgezeigt.“

Adolf Hitler wurde von der Mehrheit der Deutschen nicht gewählt. Robert Paxton schreibt : „Im November 1932, verloren die Nazis bei einer erneuten wparlamentarische Wahlen. Die Nazi Partei verlor ihr höchstes Gut : das Momentum. Die Bewegung hätte als Fußnote der Geschichte enden können wäre sie  nicht in den Eröffnungstagen 1933 gerettet worden durch die konservativen Politiker, die deren Gefolge stehlen und ihren politischen Muskel für ihre eigenen Zwecke nutzen wollten.“

Foto: Martin Thomasflickr.comCC BY 2.0
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Dieser Prozess der Interaktion gilt auch heute. Dem französischen Front National, deren Kandidatin Marine Le Pen im Mai über 10,5 Millionen Stimmen in der Stichwahl für das Präsidentenamt gewann, wurde durch beide der Mainstream-Parteien geholfen.

Die politische Linie der FN wurde durch den Rassismus gegen Muslime, Migranten und Roma vom konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem Sozialisten Francois Hollande glaubwürdiger gemacht. Die Austeritätsprogramme der Konservativen und der Sozialdemokraten befähigten Le Pen sich als Freundin der Arbeiter darzustellen.

Jüngst hat der FN  interne Machtkämpfen durchgemacht. Aber, als wenn man ihm einen neuen Schwung geben wolle, appellieren die Mainstream-Gestalten wieder an ihre rassistischen Lügen. Laurent Wauquiez war der Favorit für die Führung der hauptsächlich rechten Partei Les Republicains in den Wahlen diesen Monats. Im letzten Monat appellierte er an die Regierung undokumentierten Migranten keine kostenfreie grundlegende Gesundheitsversorgung mehr zu bieten und kritisierte die “Naivität” französischer Politiker hinsichtlich des radikalen Islam. Als er dahingehend befragt wurde, dass dies einige von Le Pens zentralen Themen sind, sagte Wauquiez : „Also wenn Marine Le Pen sagt es sei nacht sollte ich sagen es sei Tag?“

In Polen ist es ähnlich. Die „Recht und Gerechtigkeits“-Regierung in Warschau hat in der Stärkung der Rechten eine große Rolle gespielt , seitdem sie im Jahr 2015 die parlamentarische Mehrheit gewonnen hat . Sie förderte Hass auf Ausländer, Antisemitismus und einen ansteckenden Nationalismus. Letztes Jahr deutete die Bildungsministerin Anna Zalewska in einem Fernsehinterview an, dass das Jedwabne-Massaker im Jahr 1941, bei dem rechte nationalistische Polen über 300 Juden bei lebendigem Leibe in einer Scheune verbrannten , eine “Meinungssache” gewesen wäre.

Antisemitisch

Der aktuelle Verteidigungsminister, Antoni Macierewicz, sagte 2001: „Ist der Tumult um Jedwabne dazu intendiert Finsternis  um die Verantwortung der Juden für den Kommunismus und die Besetzung durch die Sowjets zu verschleiern?“ Eine Zeitung, die Macierewicz herausgab, beinhaltete antisemitische Artikel und Karikaturen. Einige trugen sogar seine Unterschrift.

Ist es also überraschend, dass antisemitische Märsche und Straßengewalt zunehmen? Der polnische Innenminister Mariusz Blaszczak lobte eine kürzliche faschisten-geleitete Demonstration mit den Worten: „Es war ein schöner Anblick. Wir sind stolz zu sagen, dass so viele Polen sich dazu entschieden haben an einer Feier im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitstag teilzunehmen.“ Andere Teile der polnischen Regierung, der Außenminister inklusive, liessen ähnliche Aussagen verlauten.

Demo gegen FPÖ Regierungsbeteiligung – Bild: Linkswende jetzt

Der Sender TVP, der der Linie der Regierung entspricht, nannte es einen „großen Marsch von Patrioten“. Einige Teilnehmer marschierten unter dem Slogan „Wir wollen Gott!“,  Worte aus einem alten religiösen polnischen Lied, dass der US-Präsident während eines Besuchs in diesem Jahr in Warschau zitierte.

In Österreich war Sebastian Kurz von der konservativen Volkspartei der Sieger der Wahlen im Oktober. Während seiner Kampagne echote er die Anti-Immigranten-Politik  seiner Rivalen von der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und forderte strengere Grenzkontrollen.  In gewisser Hinsicht ging er dabei sogar weiter als sie.

Als Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten in der letzten Regierung half er das Burka-Verbot in Österreich einzuführen, verbot Verkäufe von inoffiziellen Versionen des Korans und setzte sich für ein vollständiges Verbot von Kopftüchern für Behördenbedienstete, Lehrer miteingeschlossen, ein.

Die Financial Times kommentierte:  „Kurz’ Taktiken vermochten es nicht dem populistischen Wahlergebnis eine Kerbe zu versetzen. Die FPÖ gewann 26 Prozent – gerade noch vorbei an ihrem Rekord von 1999 bei dem sie unter der Führung von Jörg Haider 26,9% erhielten.“

Es war ein ernüchterndes Beispiel dafür,  dass Wähler sich oft für das Letztere entscheiden, wenn sie Mainstream-Parteien, die Populisten imitieren, oder dem Original gegenüberstehen.

In Deutschland wurde der Aufstieg der Alternative für Deutschland (AFD), welche Dutzende von Nazis unter ihren Parlamentsmitgliedern hat, immens durch den Mainstream unterstützt. Die „liberale“ pro-business Partei FDP und ihr Vorsitzender Christian Lindner forderte, dass abgelehnte Asylbewerber schneller abgeschoben werden sollten; dass die Grenzen mit „den modernsten Überwachungsmethoden“ abgeriegelt werden sollten und dass die Grenzen geschlossen werden sollten , wenn eine große Menge an Menschen plötzlich Asyl suchten.

Mitglieder der deutschen sozialistischen Gruppe Marx21 sagten: „Die [konservative] CDU verfolgte eine klassische „Recht und Ordnungs“-Kampagne wobei sie soziale Probleme völlig außer Acht ließ, und betonte ihre “Erfolge” in der Abtragung des Asylrechts. Die SPD spielte eine besonders schmachvolle Rolle: Anfang August war Martin Schulz die erste Person, die mit all seiner Macht das Flüchtlingsproblem als Bedrohungsszenario  wieder zurück in den Wahlkampf gebracht hat. Also ist es kein Wunder, dass 44 Prozent der Wähler sagten, dass Einwanderung das größte politische Problem im Land wäre – sogar mehr als soziale Ungerechtigkeit.“

Ununterscheidbar

Die Medien haben ebenfalls geholfen. Einige Titelseiten der BILD, die meistverkaufte Zeitung, waren ununterscheidbar von AFD-Wahlplakaten. Auf einer allgemeineren Ebene half die Bitterkeit, produziert durch Ungleichheit und Elend, den Rassisten. Die Hälfte der deutschen Arbeiter haben einen niedrigeren Reallohn als im Jahr 2000.

In Tschechien wurde die rechtsneoliberale ANO Partei mit 30 Prozent der Stimmen bei der Wahl im Oktober die größte Partei. Sie wird vom Multimillionär Andrej Babis geführt, dem extrovertierten Finanzminister, der sich selbst als Außenseiter  im Vergleich zum Establishment anpries.

Er wird wahrscheinlich mit der rechtskonservativen ODS in eine Koalition gehen, obwohl er grade eine Untersuchung wegen Korruption ha. Die rechtsaußen Partei „Freiheit und Direkte Demokratie“  hat es mit 11 Prozent der Stimmen zum ersten mal ins Parlament geschafft. Sie hat Verbindungen zum französischen faschistischen Front National.

Für die ungarischen Wahlen im April oder Mai nächsten Jahres wird bereits ein weiterer Sieg für die rechtsextreme Regierung von Viktor Orban vorausgesagt sowie, dass 20 Prozent der Stimmen an die Faschisten von Jobbik gehen werden.

Die rassistische und faschistische Woge über Europa wird nicht durch das Klammern an die politische Mitte aufgehalten. Denn es ist die Mitte, die diese morbiden Symptome produziert hat. Der festgesetzte Gedanke, dass Kapitalismus und der Markt die einzige Möglichkeit seien wie die Welt betrieben werden kann und dass dies Austerität für die Massen sowie ihre Opfer zur Wiederbelebung des Profit-Systems benötige, ist der unausweichliche Hintergrund des Aufstiegs der Rechten. Eine besondere Rolle übernahm dabei die Europäische Union.

Wie Liz Fekete in einem Artikel im Januar in „Race and Class“ hinwies : „Neoliberalismus ist nicht nur ein wirtschaftliches Projekt. Es ist sehr politisch, ein Versuch den Staat von innen zu transformieren, Nationalstaaten in ineinandergreifende Marktstaaten. Bis heute war das supranationale Wesen der EU zentral für diesen Prozess.“

“Durch die Unterordnung eines “sozialen Europas” ( soziale Absicherung und Gleichheit ) unter die Interessen von globalen Unternehmen und dem globalen Finanzwesen ( Wettbewerbsrecht und Markteffizienz), könnten diejenigen, die die Europäische Kommission lenken,  die Bedingungen für den Erzfeind der EU kreiert haben – Nationalismus und folgend auf den Brexit eine mögliche Auflösung.“

Die EU bewirbt einen unechten Internationalismus, welcher das Erzeugen von Profit zum endgültigen Gesetz macht, während sie eine höchst begrenzte Form der Freiheit zur Bewegung der Arbeiter innerhalb der EU erlauben und errichtet ein unbarmherziges Regime von rassistischen Restriktionen, welche Tausende von Flüchtlingen ertrinken ließen.

Antwort

Die korrekte Antwort ist antikapitalistischer Internationalismus, der auf dem gemeinsamen Interesse der Arbeiter gegen die Wohlhabenden und Machtvollen in ganz Europa  basiert. Die falsche Antwort ist ein nationaler Identitarismus der gegen Muslime und Geflüchtete gerichtet ist.

In Großbritannien fahren die Tories mit Austerität, Rassismus und Islamophobie fort. Je verzweifelter sie sind (und sie sind schon ziemlich verzweifelt) desto wahrscheinlicher ist es , dass sie ihre schlechten Strategien ausbauen werden, die dafür designt sind die Einheit der Arbeiter und ihren Widerstand zu zersplittern.

Die extreme Rechte bleibt, für den Moment, klein und fragmentiert. UKIP hat hinsichtlich der Wahlen ein Sturzflug hingelegt. Aber die Londoner Märsche der Football Lads Alliance demonstrierten das Potential für eine große islamophobe Straßenbewegung. Und wenn Theresa May den Eindruck erweckt man habe beim Brexit betrogen, dann wird dieses Potential wachsen.

Wir brauchen eine spezifische breite vereinte Front gegen Faschismus. Wir brauchen ebenfalls eine breitere Struktur die Rassismus gegen Geflüchtete, Muslime und Migranten konfrontiert und Maßnahmen gegen staatlichen Rassismus und Tötungen durch die Polizei unternimmt. Das ist der Grund , warum das Aufstehen gegen Rassismus so wichtig ist – und warum man den Rassismus von Mainstream-Politikern und den Medien angehen muss.

Die Labour Party und Gewerkschaftsführer müssen dazu gedrängt werden wirklichen Widerstand gegen die Tories zu organisieren, was nicht nur Arbeitern und Armen dienlich sein wird, sondern auch helfen wird die giftigen Botschaften der Rassisten beiseitezuschieben.

Aber es muss auch eine positive Alternative zur Rechten geben. Das bedeutet : eine revolutionäre sozialistische Alternative , die sich nicht gegenüber all  den Verteidigern des Kapitalismus zurückhält.

Charlie Kimber ist Redakteur des Socialist Worker und gemeinsamer nationaler Generalsekretär der Socialist Workers Party, sein Beitrag erschien im Socialist Review. Übersetzt wurde er von Kathy Gebel.

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