Am vergangenen Donnerstag entschieden sich die Menschen in Großbritannien in einer Volksabstimmung gegen die EU, die Folge war nicht nur weltweites Entsetzen, sondern auch heftige Auseinandersetzungen in den beiden führenden Parteien: Torries und Labour. Labour, eine sozialdemokratische Partei, hat seit dem vergangenen Sommer einen Vorsitzenden der weit links steht, Jeremy Corbyn, der in einer Urwahl an die Macht kam, weil Hundertausende in die Partei eintraten. Für den rechten Flügel der Partei ist er ein Problem, deswegen wollen sie nach dem Brexit putschen, mit fadenscheinisten Begründungen.
Der Brexit scheint für die Parteirechte, in den Medien Blairites genannt nach dem ehemaligen Premierminister Tony Blair, die perfekte Angelegenheit Corbyn aus dem Weg zu räumen, zumindest in ihren Augen. Denn 40 Prozent der Labour-Wähler stimmten für den Austritt und auch Corbyn positionierte sich kritisch zu der EU, wobei er allerdings kein Ende sondern eine neue soziale EU forderte. Ihre eigene Schuld am Brexit untersuchen sie jedoch nicht, denn dann müssten sich die Parteirechte eingestehen, dass es die xenophoben Aussagen von Gordon Brown und Tom Watson waren, die Labour wie ein schlechtes Abklatsch der Ukip aussehen ließen, und nicht Corbyns solidarische EU-Kritik. Den ersten Schritt zum Putsch gegen Corbyn machten zwei Fraktionsmitglieder, die eine Vertrauensabstimmung der Fraktion für Montag ansetzten, wenigen Stunden später trat die erste Person aus Corbyns Schattenkabinett zurück, Hillary Benn. Benn weißt dabei fundamentale Unterschied zu Corbyn auf, als im britischen Parlament über die Bombardierung Syriens abgestimmt wurde, redete er für den Einsatz, Corbyn hatte sich klar dagegen gestellt. Seinem Rücktritt folgte mehr als die Hälfte des Schattenkabinetts, doch Corbyn stellte ein neues zusammen. Die Vertrauensabstimmung in der Fraktion verlor Corbyn, 172 stimmten gegen und 40 für ihn, doch vor dem Parlament versammelten sich ohne größere Planung mehr als 10.000 Anhänger Corbyns um für ihn zu demonstrieren. Corbyn selbst erklärte: „Ich wurde von 60 Prozent der Mitglieder gewählt und ich werde nich zurücktreten und sie verraten.“
New Labour und Corbyns Bruch
Corbyn steht für einen klaren Bruch mit der Praxis von New Labour, die sich wie die SPD von sozialdemokratischen Grundsätzen entfernt hat. Sein Versprechen als Kandidat um den Labour-Vorsitz war die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, eine klare Position gegen TTIP und kostenslose Studienmöglichkeiten, Positionen die früher zu den Grundsätzen von Labour gehört hätten, unter Blair und seinem Weg in die Mitte aber entfernt wurde. Die Folge der New Labour Politik, an die sich eine Mehrheit der Fraktion klammert, war ein Niedergang der Partei, die Mitgliederzahl fiel auf das Niveau von 1918 , der Stimmanteil auf den tiefsten Stand seit 1983. Doch mit Corbyns Wahl kam die Wende und über 200.000 Menschen, was einer Verdopplung der Mitgliederzahl entsprach, traten in Labour ein, die Gewerkschaften rückten wieder näher an die Partei. Doch seine Positionen beinhalten nicht nur einen klaren Bruch mit der Sozial- und Wirtschaftspolitik von New Labour, sondern ein konsequentes Positionieren gegen Kriegseinsätze und eine Anklage der Schuldigen. Dabei steht besonders der Irak-Krieg im Fokus, denn der am 6. Juli erscheinende „Chilcot-Report“ beschäftigt sich mit Kriegsverbrechen an denen Großbritannien beteiligt gewesen sein könnte. Corbyn hatte bereits angekündigt, dass er gegen die Schuldigen Klagen will, in diesem Fall wären davon auch Parteirechte und vor allem der ehemalige Premierminister Tony Blair betroffen, weswegen es für diese nun der letzte Ausweg wäre, wenn sie von Corbyn vor der Klage den Vorsitz entziehen.
Folgen des Putschversuchs
Die wahrscheinlichste Folge des Putschversuchs ist, dass es zu einer erneuten Wahl des Parteivorsitzes kommt, eine Wahl die Corbyn wieder gewinnen dürfte, vor allem da es unwahrscheinlich scheint das Andy Burnham nochmal kandidiert, da er nach den Rücktritten Mitglied in Corbyns Schattenkabinett geworden ist. Ein dadurch gestärkter Corbyn hätte endlich die Möglichkeit die Partei wirklich nach links zurücken und den neoliberalsten Abgeordneten Gegenkandidaten in ihren Wahlkreisen entgegenzustellen, sollten diese nicht sowieso schon zu Corbyn gekippt sein. Was in einigen Fällen schon geschehen ist, so unter anderem in der Labourbasis des Bezirks von Angela Eagle, die sich Hoffnung auf Corbyns Nachfolge gemacht hat, nun aber nicht einmal mehr über einen sicheren Wahlkreis verfügt.