Foto: Saudi-Arabien vs. Iran by Jakob Reimann - CC BY-ND 2.0

Können der Iran und Saudi-Arabien das Kriegsbeil begraben?

Ein Dialog zwischen den beiden Staaten könnte ein Schritt zur Lösung verschiedener regionaler Konflikte darstellen.

Berichten zufolge haben iranische und saudische Beamte im April Treffen in Bagdad abgehalten, um offene Fragen zwischen den beiden Ländern zu besprechen; darunter die jüngsten Angriffe der jemenitischen Houthi-Rebellen auf die saudische Infrastruktur. Der irakische Premierminister war laut einem Bericht der Financial Times maßgeblich an der Organisation der Treffen beteiligt.

Als sich die Neuigkeit verbreitete, leugneten die Saudis, Gespräche mit dem Iran geführt zu haben, ebenso Medienkanäle, die Teheran nahestehen. Und obwohl das iranische Außenministerium sich weigerte, die Berichte zu bestätigen oder zu dementieren, erklärte es an, der Iran begrüße Gespräche mit Saudi-Arabien.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer vorherzusagen, ob es zu substanziellen Gesprächen zwischen den beiden langjährigen Rivalen kommen wird – oder selbst wenn, ob sie zu einem deutlichen Abbau der bilateralen und regionalen Spannungen führen würden.

Der iranisch-saudische Konflikt, der seit der Islamischen Revolution von 1979 andauert, war für beide Staaten kostspielig und hat die Instabilität in dieser riesigen Region, die sich von Afghanistan über Syrien bis zum Libanon erstreckt, angeheizt.

Im Libanon war er ein Faktor in der wiederkehrenden Regierungskrise. In Syrien trugen beide Staaten durch die Unterstützung rivalisierender Fraktionen dazu bei, den Bürgerkrieg zu verlängern.

Auch der Irak hat unter der saudisch-iranischen Konkurrenz gelitten. Kurz nach der US-Invasion 2003 haben Saudi-Arabien, Iran und andere Länder dort einen erbitterten Wettstreit um Einfluss begonnen. Sie organisierten und finanzierten konkurrierende Milizen, die die aufeinanderfolgenden irakischen Regierungen herausforderten und das Land in einen Bürgerkrieg stürzten. Es ist daher nicht überraschend, dass der irakische Premierminister den Dialog zwischen Teheran und Riad initiiert hat. Ein Kompromiss zwischen den beiden könnte die Sicherheitslage im Irak erheblich verbessern.

Vorsichtiger Optimismus

In der Tat könnte ein erfolgreicher saudisch-iranischer Dialog dazu beitragen, eine Vielzahl von Konflikten im Nahen Osten zu lösen. Doch es ist wichtig zu beachten, dass die meisten dieser Konflikte auch interne Ursachen haben und auch von anderen zwischenstaatlichen Rivalitäten beeinflusst werden. Im Irak sind die Türkei und die VAE wichtige Akteure, und die Türkei ist stark in Syrien engagiert. Auch im Jemen sind die VAE ein wichtiger Akteur.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass ein erfolgreicher saudisch-iranischer Dialog und Kompromiss allein die aktuellen Konflikte rasch beenden würde. Dennoch könnte er ihre Intensität verringern und so die Aussichten auf eine Lösung verbessern.

Mehrere Faktoren begründen hinsichtlich der Aussichten eines saudisch-iranischen Dialogs einen vorsichtigen Optimismus. Erstens sind sowohl Teheran als auch Riad bei der Verwirklichung ihrer regionalen Ambitionen gescheitert und haben sich in den meisten Bereichen in eine Pattsituation manövriert. Der bedeutendste und teuerste Rückschlag für Saudi-Arabien war der Jemen. Riad erwartete einen schnellen Sieg, der seine Führungsrolle im Nahen Osten zementiert hätte. Stattdessen steckt das Lands in einem nicht zu gewinnenden Krieg fest, der durch die Unterstützung des Irans für die Houthis angeheizt wird.

Inzwischen hat der Iran im Irak und in Syrien Rückschläge erlitten. Während Teheran immer noch beträchtlichen Einfluss in Bagdad genießt, sind viele Iraker verärgert über das, was sie als Einmischung erleben, zusätzlich dazu, dass das Land zu einem Schauplatz der Konfrontation zwischen den USA und dem Iran geworden ist. Sie wollen nicht zu sehr vom Iran abhängig sein und hoffen auf ausgewogene Beziehungen zu Teheran und den großen arabischen Hauptstädten.

Bidens Vorstoß

In Syrien versucht Russland, den Iran hinauszudrängen, nachdem es seine menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen zur Unterstützung des Assad-Regimes eingesetzt hat. Die regionalen Abenteuer des Iran haben ihn auch zum Gegenstand beispielloser US-Sanktionen gemacht, die seine Wirtschaft abgewürgt haben. Der Iran hat nicht mehr die finanziellen Ressourcen, um seine vergangenen Strategien fortzusetzen.

Kurzum, beide Länder müssen sich aus ihren regionalen Verstrickungen befreien. Doch inwieweit der Iran und Saudi-Arabien sich gegenseitig dabei helfen können, ist unklar. Der Iran kann die Houthis nicht einfach dazu zwingen, gegen ihre Interessen einem Kompromiss zuzustimmen, und Saudi-Arabien kann den Iran nicht vor seinen lokalen Widersachern schützen. Doch würden beide Seiten ihre Verbündeten und Stellvertreter davon abhalten, gegen die jeweils andere Seite vorzugehen, würden die Chancen für eine Lösung der aktuellen Konflikte steigen.

Zweitens und noch wichtiger ist, dass sich die globalen und regionalen Prioritäten der USA unter der Biden-Administration verschoben haben. Angesichts der Herausforderungen durch China und Russland sind die USA dabei, die globale Verteilung ihrer militärischen Mittel neu zu bewerten und ihre Gesamtstrategie zu überdenken.

Die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, die amerikanischen Truppen bis zum 11. September 2021 aus Afghanistan abzuziehen, spiegelt diese Denkweise wider. Wann immer es sicher ist, möchten die USA auch ihre militärische Präsenz im Irak und am Golf reduzieren. Dies könnte ein Grund für den Wunsch der Biden-Administration sein, die Spannungen mit dem Iran durch die neue, indirekte Gesprächsrunde über den Atomdeal zu reduzieren.

Die USA scheinen sich auch von ihrer früheren, unhinterfragten Unterstützung für Saudi-Arabien zu entfernen. Ohne diese pauschale Unterstützung müsste Riad seine regionalen Ambitionen einschränken und Kompromisse mit Konkurrenten eingehen.

Der Israel-Faktor

Israel wäre unterdessen unglücklich über eine mögliche Entspannung zwischen Iran und Saudi-Arabien. Jahrzehntelang hat Israel die iranische Bedrohung genutzt, um seine eigenen Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten zu verbessern – und das mit Erfolg: Es hat jetzt diplomatische Beziehungen zu Bahrain und den VAE.

Doch Saudi-Arabien sah bis jetzt davon ab, diplomatische Beziehungen zu Israel aufzubauen. Mit weniger feindseligen iranisch-saudischen Beziehungen würde Israel bei dem Versuch, seine Beziehungen zu den Golfstaaten zu festigen, ein wichtiges Druckmittel verlieren. Doch angesichts der sich ändernden Prioritäten der USA, einschließlich des Wunsches, das Atomabkommen wieder aufleben zu lassen, könnte Riad zu dem Schluss kommen, dass es besser wäre, zu einem Modus Vivendi mit Teheran zu gelangen und sich nicht zu sehr auf die Beziehungen zu Israel zu verlassen, selbst wenn diese informell sind. Angesichts der tief verwurzelten Differenzen zwischen Riad und Teheran ist es schwierig, einen Dialog zu beginnen und eine Verständigung zu erreichen. Und selbst mit einer Form eines saudisch-iranischen Kompromisses würden die Probleme des Nahen Ostens nicht auf wundersame Weise verschwinden, doch könnte er sicherlich die Chancen verbessern, die laufenden Konflikte zu begrenzen oder gar zu lösen.

Dieser Artikel von Shireen T Hunter erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Manuel Bühlmaier für Die Freiheitsliebe übersetzt.

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