Die Ölgeschäfte des Islamischen Staats sind eine der Haupteinnahmequellen der Terrororganisation. Neben kurdischen und israelischen Gruppen ist besonders die Türkei in den illegalen Handel involviert, wobei die Spuren bis weit hinein in die innersten Kreise der Erdoğan-Regierung reichen. Politische und wirtschaftliche Druckmittel zur Trockenlegung des Ölhandels müssen jetzt genutzt werden.
In der Reihe „Ins Innere des Islamischen Staats“ wirft JusticeNow! in Kooperation mit Die Freiheitsliebe in den nächsten Wochen einen genaueren Blick auf den Islamischen Staat.
Im Gegensatz zum weitverbreiteten Irrglauben, der IS könne militärisch besiegt werden, ist der wesentliche Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Terrororganisation viel trivialer – die Trockenlegung seiner Finanzströme.
In den Anfangszeiten war der IS auf Zahlungen von US-Alliierten der Golf-Region (Kuwait, Katar und besonders Saudi-Arabien), aber auch aus den USA selbst (sic!) angewiesen. Mit dem stetigen Rückgang dieser Zahlungen stieg die Notwendigkeit zur Selbstfinanzierung, und vor allem eine Strategie wurde dabei maßgeblich verfolgt: die Aneignung der Ölinfrastruktur in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak.
Vom Anbeginn seiner aggressiven Expansion wusste die IS-Führung um die Wichtigkeit des Öls als strategische Waffe und Einkommensquelle und dass es ohne Öl-Geschäfte als finanzielles Rückgrat auf Dauer unmöglich würde, das lang ersehnte Kalifat in die Realität umzusetzen. Mit der Absicht des Exports des erbeuteten Öls war seit dem Frühjahr 2014 die Eroberung von strategischen Ölquellen und Raffinerien fest in der Kriegsführung des IS verankert.
Die Aufdeckung der Handelsstrukturen und Identifizierung sämtlicher Kollaborateure ist elementar, um dem IS diesen Stützpfeiler seiner Finanzen zu entziehen.
Ein transnationales Mafia-Netzwerk
Reporter von Al-Araby haben die Schmuggler-Routen des IS-Öls untersucht und haben durch Ermittlungen vor Ort ein dicht gespanntes Mafia-Netzwerk identifiziert, in das vor allem syrische, irakische, kurdische und türkische Privatpersonen und korrupte Behörden verwickelt sind. Auch israelischen Parteien wird Komplizenschaft im Öl-Schmuggel vorgeworfen.
Das Öl des IS wird hauptsächlich in zwei Feldern nahe der syrischen Stadt Deir Ezzor und zwei Feldern in der ölreichen Mossul-Region im Irak erschlossen. Ein Mitarbeiter der Energy Intelligence Group ist sich gar sicher, dass der IS die 2-Millionen-Metropole Mossul einzig aus dem Grund erobert hat, um deren Ölquellen auszubeuten.
Aus seinen besetzten Feldern produziert der IS täglich etwa 45.000 Barrel Rohöl; ein interner Bericht des IS gibt 55.000 Barrel für Anfang 2015 an. Verkauft wird das Öl für unschlagbar günstige 25–35 Dollar pro Barrel, was deutlich unter den Weltmarktpreisen liegt; vereinzelt wird von zehn Dollar pro Barrel berichtet.
Konkrete Angaben über den finanziellen Umfang des IS-Ölschmuggels sind verständlicherweise schwer zugänglich. Die Schätzungen variieren daher stark und liegen in der Spanne von einer bis drei Millionen Dollar täglich. Ein Beamter des US-Finanzministeriums beziffert die Gewinne auf 40 Millionen Dollar monatlich und gibt einen Gesamtgewinn von einer Halben Milliarde Dollar an (ohne jedoch einen konkreten Zeitraum zu nennen).
Abnehmer des Öls sind selten die Endkunden selbst, vielmehr beliefert der IS ein Netz aus Zwischenhändlern, die für den weiteren Verkauf zuständig sind. Al-Araby zitiert eine dem IS nahestehende Kontaktperson, die angibt, der IS habe kein Land direkt als Handelspartner zum Ziel. Er mache ausschließlich mit Zwischenhändlern Geschäfte, die daraufhin eigenständig entscheiden, wohin sie die Hehlerware weiterverkaufen.
Insbesondere Syrien verfügt seit jeher über ein funktionsfähiges Schmuggler-Netzwerk für den Vertrieb von Öl aus illegalen Quellen innerhalb des Landes und in die Grenzregionen benachbarter Länder. Daher war es für den IS nicht vonnöten, neue Netzwerke aufzubauen, er konnte vielmehr die vorhandenen infiltrieren und übernehmen.
Die Mehrheit des Öls bleibt in der Region und dient dem lokalen Verbrauch der Bevölkerung und dem Erhalt der IS-Infrastruktur. Auch dem Assad-Regime wird vorgeworfen, in geheime Öl-Geschäfte mit dem IS verwickelt zu sein. Der für den Export bestimmte Teil gelangt mittels hunderter Öl-Tankwagen (‘pipeline on wheels‘) in die türkisch-irakische Grenzregion in kurdisch kontrolliertes Gebiet. Das Öl wird weiter zu den türkischen Mittelmeerhäfen transportiert, von wo aus es international verschifft wird.
Neben den je zwei großen Quellen in Syrien und Irak hält der IS auch ein Netzwerk kleinerer Ölquellen besetzt (allein 253 in Syrien), das in erster Linie für den lokalen Eigenverbrauch, teilweise über iranische Zwischenhändler aber auch für den Export in Länder der Region bestimmt ist, hauptsächlich nach Armenien und Afghanistan.
In Komplizenschaft mit der Türkei – „family business“
Der russische Präsident Putin und sein Verteidigungsminister Antonov erheben den schweren Vorwurf, die Türkei sei der größte Abnehmer des vom IS in Syrien und Irak gestohlenen Öls und die Familie Erdoğan sei direkt an den illegalen Geschäften mit dem IS beteiligt. Präsident Erdoğan wies die Anschuldigungen als Verleumdung zurück und kündigte an, von seinem Posten zurückzutreten, sollte Russland Beweise gegen seine Familie präsentieren können. Er forderte Präsident Putin auf, dasselbe zu tun, sollte er diese Beweise nicht vorlegen.
Spätestens seit dem Abschuss eines russischen Su-24 Bombers im türkisch-syrischen Grenzgebiet vor drei Wochen stehen die ehemals guten Beziehungen beider Länder vor einer Zerreißprobe. Präsident Putin geht so weit zu behaupten, der Abschuss wurde von Ankara befehligt, um die Öl-Transporte des IS in Richtung der türkischen Häfen nicht weiter zu gefährden. Der Schutz der turkmenischen Bevölkerung in Syrien (die offizielle Begründung Ankaras für den Abschuss) sei lediglich ein Vorwand für das Eingreifen der Türkei gewesen, so Putin weiter.
Schon vor Monaten war in großen US-Medien von „unbestreitbaren“ Beweisen für die Türkei-IS-Connection die Rede. Auch die Washington Post hat bereits im August 2014 aufgedeckt, dass die Türkei nicht nur durch das Einschleusen von Waffen, Kämpfern und Waren nach Syrien überlebenswichtig für den IS ist, sondern hat bereits damals die Kooperation von türkischen Händlern im Öl-Schmuggel mit dem IS offengelegt.
Dennoch hat die US-Führung ihrem NATO-Partner Türkei und speziell Präsident Erdoğan – vor allem auch im Hinblick auf die aktuellen Vorwürfe von russischer Seite – stets den Rücken gestärkt. Kürzlich hat der US-Sondergesandte für Internationale Energieangelegenheiten eingeräumt, dass zumindest kleine Mengen syrischen Öls in die Türkei geschmuggelt werden. Die deutsche Bundesregierung hingegen bleibt beharrlich bei ihrer Version, sie verfüge über keinerlei Hinweise für Verbindungen zwischen dem IS und der Türkei.
Im Fokus der Anschuldigungen stehen nicht nur private Geschäftsleute, die Vorwürfe zielen immer öfter auch tief in Regierungskreise selbst hinein – bis hin zur Familie des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. So wird der Sohn des Präsidenten, Bilal Erdoğan, beschuldigt, als zentrale Figur im Schmuggel des IS-Öls zu fungieren.
Bilal Erdoğan ist der Miteigentümer des Speditionsunternehmens BMZ Group, das eng verflochten mit der türkischen Regierung ist und staatliche Gelder veruntreut hat. Der Reederei wird vorgeworfen, Öl des Islamischen Staats im großen Stile – auch aus Syrien direkt –in asiatische Länder zu verschiffen.
Türkische Medien fragten bereits im Mai 2014 „Was haben Bilal Erdoğans Schiffe in Syrien zu suchen?“ Auch das Handelsblatt weist Bilal Erdoğan eine Schlüsselrolle zu und wirft gar die Frage auf „Ist Erdogans Sohn der Ölminister des IS?“
Es ist jedoch wenig zweckdienlich, in Bilal Erdoğan allein den Sündenbock zu suchen, denn auch weitere Mitglieder der Familie Erdoğan sind an der BMZ Group beteiligt. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass auch sein Vater und weitere Teile der türkischen Regierung vom illegalen Schmuggel mit Öl des Islamischen Staats zumindest wissen, wenn nicht aktiv daran beteiligt sind – „a brilliant family business“.
Auch der Schwiegersohn von Präsident Erdoğan, Berat Albayrak, der bis 2013 Geschäftsführer der regierungsnahen im Öl-Geschäft tätigen Çalık Holding war und anschließend zum Energieminister ernannt wurde, steht im Verdacht, Öl-Geschäfte mit dem IS abzuwickeln.
Bislang liegen keine handfesten Beweise für die Komplizenschaft der türkischen Regierung im Öl-Geschäft mit dem IS vor, auch wenn der russische Präsident Putin behauptet, sein Geheimdienst verfüge über diese Beweise. Das russische Militär hat am 2. Dezember in einem 23-minütigen Vortrag einen Teil seiner Indizien und Beweise für die IS-Türkei-Connection präsentiert.
Im Video werden die drei verschiedenen Öl-Transportrouten zwischen vom IS-besetzten Gebieten in Syrien und der Türkei beschrieben und mit Satellitenaufnahmen Tausender sich frei zwischen beiden Ländern bewegender Öl-Tanklaster (‚pipeline on wheels‘) das enorme Ausmaß der zweifelhaften Transporte skizziert. Trotz dieser wertvollen Aufklärungsarbeit bleibt das russische Militär die Beweise schuldig, die eine direkte Verbindung zwischen dem IS und türkischen Regierungsstellen belegen.
Russische Medien behaupten nun, über eben diese Beweise zu verfügen. Sputnik berichtet, sie stünden mit Vertretern der vom Westen unterstützten Freien Syrischen Armee (FSA) im Kontakt, die Belege für die Öl-Geschäfte zwischen dem IS und der Türkei vorlegen könnten. So gibt der FSA-Generalmajor Hussam Al-Awak an, im Besitz von Fotomaterial zu sein, das entsprechende Verträge abbildet.
Die Indizienlage wird zusehends erdrückender für die türkische Regierung. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten – und danach sieht es momentan aus –, dürfte sich die gesamte IS-Türkei-Öl-Connection zu einer handfesten Staatskrise ausweiten, die noch weit größere Bahnen ziehen wird.
Die bitter-zynische Rolle Kurdistans
Eine Schlüsselrolle im Handel mit Öl des Islamischen Staats nimmt die Region Kurdistan ein, die allein wegen ihrer geographischen Lage in den Grenzgebieten Türkei-Iran-Irak-Syrien im Zentrum einer Vielzahl an Schmuggelrouten liegt.
Die Gebiete dienen in erster Linie als Transitregion für den Transport des Öls in die Türkei, aber auch in den Iran. Etwa 70 Prozent des vom IS für den Export bestimmen Öls gehen durch kurdisches Gebiet. Papiere werden gefälscht, wodurch das IS-Öl „gewaschen“ und auf seiner weiteren Reise damit ununterscheidbar vom regulären Öl der kurdischen Regionalregierung (KRG) wird.
Die KRG ist sich der Rolle Kurdistans als Transitland natürlich bewusst und bekämpft den Öl-Schmuggel in ihren Gebieten. Der Gouverneur der kurdischen Kirkuk-Region Najmiddin Karim verkündet „Wenn wir Öltankwagen sehen, die aus den vom IS-kontrollierten Gebieten kommen, beschlagnahmen wir diese. Wir haben bereits viele solcher Tankwagen konfisziert.“ Die kurdischen Behörden arbeiten in dieser Aufgabe eng mit den USA zusammen, die hauptsächlich nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Logistik bereitstellen.
Auch wenn in Teilen der kurdischen Regionalregierung aufrichtige Anstrengungen unternommen werden, den Schmuggel mit Öl des IS trockenzulegen, ist es unwahrscheinlich, dass die zentrale Funktion der kurdischen Gebiete als Transitregion des IS-Öls in Richtung Türkei und Iran gänzlich ohne das Wissen oder das Zutun kurdischer Behörden aufrechterhalten bleibt.
Die Rolle Kurdistans ist besonders bitter, da es doch gerade die kurdische Bevölkerung ist, die extrem unter dem IS zu leiden hat. Besonders in der autonomen Region Rojava kam es vermehrt zu Gräueltaten des IS an der kurdischen Zivilbevölkerung, in deren Folge Zehntausende Menschen vertrieben wurden. So verübte der IS im Juni 2015 in der monatelang umkämpften Stadt Kobane ein Blutbad, bei dem mindestens 145 Zivilisten ermordet wurden – eines der brutalsten Massaker an der Zivilbevölkerung des IS überhaupt.
Zynisch ist die Lage, da es kurdische Zwischenhändler – und vermutlich auch Teile der kurdischen Regionalregierung – sind, die mit ihren Geschäften einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des IS leisten und damit das Leid der kurdischen Bevölkerung perpetuieren.
“In Kriegszeiten tun die Leute alles, um an Geld zu kommen.“, so Najmiddin Karim weiter. Dieses fast resignierte Statement des Gouverneurs spiegelt eindrücklich das Dilemma der Region wider.
Der Jüdische Staat als Partner des Islamischen Staats?
Neben türkischen Geschäftsmännern erheben die Reporter von Al-Araby auch besonders schwere Vorwürfe gegen israelische Stellen. So steht Al-Araby mit einem einflussreichen griechisch-israelischen Geschäftsmann in Kontakt, der als Mittelsmann fungiert und so Deals zwischen der Öl-Mafia und drei Firmen einfädelt, die das Öl des IS von türkischen Häfen zum israelischen Mittelmeerhafen Ashdod verschiffen. Von dort aus gelangt das Öl hauptsächlich über italienische Abnehmer auf den europäischen Markt.
Auch die Times of Israel berichtet über die Anschuldigungen von Al-Araby und zitiert dazu eine Sprecherin des israelischen Außenministeriums, die die Anschuldigungen als „haltlose Science Fiction“ abtut. Die Gazette bemüht sich dann eher im Denunzieren der Al-Araby Nachrichtenseite, ohne jedoch auf die Vorwürfe selber einzugehen.
Auch ein Bericht der Financial Times gibt an, dass bis zu 75 Prozent der israelischen Ölimporte aus Gebieten in irakisch-Kurdistan stammen – allein in den letzten Monaten Öl im Wert von rund einer Miliarde US-Dollar – und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem großen Teil auch Rohöl des IS umfassen. Dieser Umstand erhärtet den Vorwurf, auch Israel sei neben der Türkei ein wichtiger Player im Handel mit Öl des Islamischen Staats, vor allem als Mittelsmann zum Weiterverkauf nach Griechenland, Frankreich und Italien und damit auf den europäischen und womöglich den Weltmarkt.
Al-Araby zitiert einen europäischen Öl-Industriellen, der angibt, ohne die israelischen Mittelsmänner würde das Öl vom IS das Dreieck Syrien-Irak-Türkei nicht verlassen; erst durch israelische Geschäfte gelange es auf den europäischen Markt.
Unbequeme Entscheidungen
Es ist eine enorme Bandbreite verschiedenster Akteure ist, die beim illegalen Öl-Handel direkt oder indirekt mit dem Islamischen Staat kollaboriert und damit gleichzeitig Profiteur und Finanzierer des Terrornetzwerks ist:
Lokale Mafia-Netzwerke in Syrien, Irak, Kurdistan, und der Türkei profitieren direkt durch den Schmuggel des Öls. Die Lokalregierungen all dieser Länder profitieren ebenfalls durch gezahlte Bestechungsgelder oder durch offiziell erhobene Steuern. Darüber hinaus sind es die Zwischenhändler vor allem in der Türkei und Israel, die die Hehlerware nach Europa und Asien weiterleiten und damit den Weg des IS-Öls auf den Weltmarkt ermöglichen. Und am Ende der Kette sind es natürlich auch die Verbraucher, die an der Zapfsäule ungefragt den finanziellen Input dieser mafiösen Strukturen sicherstellen.
Es ist ein falsches und unwürdiges Spiel, wenn sich die Profiteure dieses Systems aus der Verantwortung stehlen, indem sie sich hinter Zwischenhändlern verstecken und sich so aus der Verantwortung stehlen. Es kann nicht die Herkunft jedes einzelnen Barrels Rohöl geprüft werden, doch wer bewusst die Augen vor dem Ursprung des Öls verschließt, macht sich zum Mittäter an den Verbrechen des IS.
Ein Verbund aus Vereinten Nationen, der OPEC, den Regierungen vor Ort und unabhängigen Experten sollte ein umfassendes und vor allem transparentes Zertifizierungssystem für Öl aus der Region erarbeiten, durch das sichergestellt wird, dass es kein Barrel Öl des IS mehr auf die Rohstoffbörsen dieser Welt schafft.
Die Verantwortlichen der Regierung Erdoğan gehören vor internationale Gerichte und nicht an den EU-Verhandlungstisch.
Die Auswirkungen der Öl-Geschäfte des IS reichen weit über die primären Ziele zur Finanzierung der Terrororganisation hinaus. Mit der Türkei, Israel und Europa (indirekt über seine Ölmärkte) befinden sich Profiteure des Öl-Schmuggels des IS in einer Koalition, die offiziell zur Bekämpfung des IS angetreten ist – was der Geschichte eine sehr zynische Note verleiht.
Besonders die Türkei in seiner janusköpfigen Union aus Hauptprofiteur des Öl-Schmuggels mit Filz bis in höchste Regierungskreise einerseits und NATO-Mitglied andererseits befindet sich in einer untragbaren Situation der Interessenskonflikte, deren weitere Entwicklungen gravierende Auswirkungen sowohl auf das NATO-Bündnis selbst, als auch auf die machtpolitischen Konstellationen in Middle East generell haben werden.
Ein Austreten der Türkei aus der NATO sollte forciert werden – mit einem wesentlichen Handelspartner des Islamischen Staats in seinen Reihen gerät das Militärbündnis endgültig in eine Identitätskrise. Sollten die anderen Bündnispartner dazu nicht bereit sein, wäre dies ein Indiz für die oft unterstellte eigentliche Funktion der Türkei in der NATO: aufgrund sicherheitsrelevanter Gründe oder gar des westlichen Wertekanons wegen ist die Türkei nicht in der NATO, vielmehr ist es wegen ihrer unschätzbar wertvollen geographischen Lage – „ein Fuß in der Tür zum Nahen Osten“.
Mit dieser Regierung Erdoğan müssen außerdem die EU-Beitrittsgespräche ausgesetzt werden. Die Verantwortlichen gehören angeklagt vor internationale Gerichte und nicht an den EU-Verhandlungstisch. Die Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche sollte an die Überstellung der Verantwortlichen an die Justiz geknüpft werden.
Durch die Aufdeckung der Schmugglernetzwerke für Öl des Islamischen Staats wird deutlich, dass hierin ein wesentliches Tool zur Bekämpfung der Terrororganisation liegt. Internationale genau wie lokale Regierungen, die ernsthaft an der Zerschlagung des IS interessiert sind, müssen sich die Trockenlegung des Ölhandels mit dem IS ganz oben auf die Agenda setzen.
Mit militärischen Mitteln ist der IS nicht zu besiegen, mit einem Stopp der Finanzströme von außen schon viel eher, und der Ölhandel ist hierbei der wesentliche Ansatzpunkt.
Dieses Ziel sollte selbstredend nicht durch die Zerstörung der gesamten Öl-Infrastruktur des Iraks und Syriens verfolgt werden, denn dadurch wird vor allem die Bevölkerung vor Ort in Mitleidenschaft gezogen und außerdem die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder um Jahr(zehnt)e zurückgeworfen; von den katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt ganz zu schweigen.
Es sind genügend politische und wirtschaftliche Druckmittel vorhanden, um das blutige Öl-Geschäft des IS und damit den permanenten Zufluss von Geldern zu unterbinden – sie müssen nur genutzt werden.
Dieser Beitrag erschien auch auf Jakobs blog JusticeNow! – herrschaftsfrei, gewaltfrei. Connect critical journalism!
3 Antworten
Soviel oel hat syrien gar nicht. Als erstes muss der IS sich selber versorgen. Dann die bevölkerung und die wirtschaft. Was soll da von 50 000 fass oel noch übrig bleiben. Und ein käufer des oels ist auch assad seine maschinerie muss ja auch laufen. Also finde ich die these erdogan israel grieche …. usw sehr wage. Gewiss erdogan ist korrupt und hat dreck am stecken aber das er IS oel schmugelt ist sehr gewagt ausgedrückt.
Hallo Tarkan,
die Mehrheit des IS-Öls bleibt im Land für die Bevölkerung und die lokale Wirtschaft. Und auch dass Assad IS-Öl kauft oder dies in der Vergangenheit getan hat, ist wohl unzweifelhaft (beides habe ich im Text erwähnt). Es ist aber ebenso sicher, dass Öl durch die Türkei geschmuggelt wird und von dort aus nach Israel/Europa/Asien gelangt.
Ob die Erdogan Regierung direkt involviert ist, ist (noch) nicht zweifelsfrei bewiesen, vieles deutet aber daraufhin (vor allem die Geschäfte seines Sohns und seines Schwiegersohns). Ein finales Urteil habe ich mir erspart, daher meine etwas zurückhaltende Formulierung „Die Indizienlage wird zusehends erdrückender für die türkische Regierung.“
Es ist erwiesen, dass die Türkei auf unterschiedlichste Weise zur Stärkung des IS beigetragen hat (Waffen, Kämpfer, offene Grenzen,…) Daher ist für mich der Verdacht mehr als begründet, dass sie auch beim Ölhandel im großen Stil involviert ist. Es gibt genug Indizien, um den Fall vor Gerichten zu klären – das ist mein Appell.
Beste Grüße!