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Es braucht eine antikapitalistische ArbeiterInnenpartei – Im Gespräch mit Agnes Friesenbichler von Der Funke

In Österreich gibt es seit einigen Wochen die erste gemeinsame Landesregierung von SPÖ und der rechtspopulistischen FPÖ, innerhalb der SPÖ hat das für große Diskussionen und tausende Austritte gesorgt. Wir haben mit Agnes Friesenbichler von der sozialistischen Organisation „der Funke“ ein Interview über die Situation in der SPÖ, eine neue linke Partei und die Notwendigkeit von Bewegungen gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Im Burgenland gibt es seit einigen Wochen eine rot-blaue Regierung, welche Auswirkung hat dies auf die österreichische Linke?

Agnes Friesenbichler: Die Rot-Blaue Regierung hat ein politisches Erdbeben in der Linken ausgelöst. Viele der traditionellen WählerInnen und Basismitglieder der Partei waren schon lange mit dem Kurs der SPÖ unzufrieden. Die Partei unterstützte Sparpakete, Bankenrettungen und wenn sie in Klassenkampfsituationen einen Standpunkt bezog dann auf Seiten der Bürgerlichen. Warum dennoch viele mit Bauchweh in der Wahlkabine ein Kreuzchen bei der SPÖ machten, hatte 2 Gründe: Es gibt keine relevante Alternative links der SPÖ – dh. Sie war nach wie vor ein Bezugspunkt für viele Linke und ArbeiterInnen – und man hoffte so das Horror Gespenst Schwarz-Blau abwenden zu können. Letzteres klingt jetzt nur mehr nach einer Farce, und es gab eine große Austrittswelle aus der Partei.

Die Freiheitsliebe: Wird die FPÖ durch eine solche Politik als normalere Partner akzeptiert oder war sie das schon vorher?

Agnes Friesenbichler: Die Rot-Blaue Koalition hat natürlich der FPÖ auch in die Hände gespielt. Man kann sagen dass sich die FPÖ regierungsbereit macht. Die Führung versucht die rechtsradikalen „Einzelfälle“ in der Partei zu verdecken, und mit Sozialer Demagogie zu überschminken, was ja auch für viele aus der SPÖ Begründung genug war, diese Koalition gut zu heißen. Das Image der FPÖ als „soziale Heimatpartei“ ist ein sehr trügerisches aber effektives. Und auf der Welle der Panikmache rund um die Flüchtlingsthematik wird die FPÖ ach immer erfolgreicher auf der Wahlebene, während die beiden Großparteien, die sich ganz und gar dem europäischen Austeritätstrend zur Krisenbewältigung verschreiben haben immer mehr an ihrer Selbstzerstörung arbeiten.

Die Freiheitsliebe: Welche Option hätte die SPÖ im Burgenland gehabt, außer einer Regierung mit FPÖ?

Agnes Friesenbichler: Opposition – Die Wahlen haben nicht zuletzt wegen dem rechten Kurs der SPÖ eine Niederlage gebracht. In dieser Situation wäre das einzig richtige in Opposition zu gehen und gegen jeden Rassismus und alle Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnen – wie Einsparung in Gesundheits- Bildungs- und Sozialberiech- zu kämpfen. Doch eine Oppositionsrolle wird von der SPÖ Führung gar nicht mehr in Erwägung gezogen und als Marginalisierung begriffen.
Die Stimmen für und gegen diese Koalition aus der SPÖ- Führungsriege waren beide nur aus Machterhaltungsüberlegungen. Die einen waren zutiefst empört, dass die SPÖ diesen Tabubruch wagt, und somit alle antifaschistischen Grundsätze über Bord wirft. Denn man wisse zwar dass die Große Koalition nicht optimal sei, aber das sei noch kein Grund hier mit der FPÖ zu packeln. Eine Kritik die vor allem aus den Bundesländern kam, wo man gerade gut seine Posten in Koalition mit anderen Parteien sicher kann.
Auf der andern Seite wird mit leeren Worthülsen von „Demokratie“ argumentiert, in der man keine Partei von Grund auf ausschließen könne. Und wenn man nur die ÖVP als Panter in Erwägung ziehen würde, begibt man sich in ihre Geiselhaft und kann die SPÖ Positionen nicht durchsetzen weil man sich keinen Verhandlungsspielraum lässt.

Die Freiheitsliebe: Seht ihr noch eine Chance für die SPÖ, dass sie ihre Chancen nutzt und eine andere Politik durchsetzt? Welchen Druck bräuchte es dafür?

Agnes Friesenbichler: Momentan ist die SPÖ in der Regierung und in der Großen Koalition dem Druck des Kapitals unterworfen. Der Parteiapparat ist nur daran interessiert sich selbst zu erhalten. Stimmen abseits der bürgerlichen Krisenbewältigungspolitik haben es momentan innerhalb der Partei schwer. Selbst einige GewerkschafterInnen haben sich schon der Standortlogik verschieben haben und „zum Wohle des Wirtschaftsstandorts Österreich“ gegen Arbeitszeitverkürzung argumentieren. Anderen wie zum Beispiel Voves in der Steiermark, der um die Reformpartnerschaft zwischen SPÖ und ÖVP zu erhalten aus Rot-Schwarz – Schwarz-Rot gemacht hat, haben offen zugegeben, dass sie keine Positionen beziehen werden, die der ÖVP im Wege stehen würden. Er setzt auf den „Reformkurs“, ein nettes Synonym für Einsparungen und keine inhaltliche Differenzierung zur Volkspartei.

Wo sich Chancen noch auftun würden ist schwer abzusehen. Momentan sieht es nicht gerade gut aus, und aus sich selbst heraus wird sich die Partei nicht verändern oder nach links bewegen. Es Bräuchte einen enormen Druck von unten um die Betondecke der bürgerlichen Politik der Bürokratie zu durchbrechen. Man müsste die linken Kräfte organisieren und konsequent gegen jede Sparmaßname, jede Kürzung und jede Verschlechterung auftreten und auf offene Konfrontation mit der Parteiführung setzen. Doch durch die jüngsten Entwicklungen wird dieses Szenario immer unwahrscheinlicher. Ich denke so wird sich der schleichende Zersetzungsprozess der SPÖ nur weiterführen und viele gute linke Mitglieder enttäuscht und frustriert austreten.

Die Freiheitsliebe: Momentan scheint ein Kurswechsel der SPÖ eher unrealistisch, wäre es da nicht sinnvoller all jene die ausgetreten sind und andere linke Gruppen zu sammeln um eine linke Partei zu gründen oder auch Österreich anders zu unterstützen?

Agnes Friesenbichler: In einer Zeit wo die SPÖ so stark nach rechts geht, und die Bürokratie nur daran interessiert ist ihre Macht zu erhalten und jede bürgerliche Sparpolitik mitträgt, ist der Ruf nach einer linken Alternative natürlich laut. Eigne kleine Voraussetzungen dafür wären auch gegeben: Es gibt linke antifaschistische Formationen wie die Offensive gegen Rechts, die eine Mobilisierungsstärke bewiesen haben, viele frustrierte SPÖler die einfach nur aus der Partei austreten wollen, und Soziale Kämpfe wie im Pflegeberich, die die Fessel der Sozialpartnerschaft zu sprengen versuchen.

Die Frage ob dieses Projekt innerhalb oder Außerhalb der Sozialdemokratie beginnen muss und ob man die SP nach Links drängen kann oder eine neue Partei braucht ist momentan nicht das Zentralste. Es geht in erster Linie nicht darum organisatorisch sondern politisch mit der Sozialdemokratie zu brechen. Der Reformismus ist europaweit am Scheitern, in Griechenland sehen wir, wie die Sozialdemokratie sich einfach selbstzerstört hat, aber auch, dass neue Formationen wie Syriza an ihre Grenzen stoßen weil sie nur konsequent Sozialdemokratische Forderungen aufstellen aber nicht bereit sind mit dem kapitalistischen System zu brechen.

Doch genau diese Neuen Formationen wie SYRIZA in Griechenland, PODEMOS in SPANIEN und auch die Linke in Deutschland sind nicht aus dem Willen handelnder allein entschieden sondern waren Produkt verschärfter Klassenkämpfe. PODEMOS zum Bespiel entstand erst nach einem heroischen Streik der Bergarbeiter, und riesigen massenprotesten wie dem „Marsch der Würde“ und der Indignados- Bewegung. Wenn sich der Klassenkampf in Österreich zuspitzt, also wenn zum Beispiel breite Schichten im Gesundheits- und Sozialberich die Logik der Sozialpartnerschaft durchbrechen und einen kämpferischen Kurs formuliert, wäre es möglich, dass dieser sich auch einen Politischen Ausdruck findet. Unsere Aufgabe sehen wir nicht darin heute alle Linken an einen Tisch zu bringen, sondern viel mehr den Klassenkampf- dort wo er sich auftut voranzutreiben und eine Perspektive aufzuzeigen. Man muss kompromisslos auf die Sozialen Fragen zu setzen.

Was den Erfolg der FPÖ ausmacht ist, dass sie den Anschein erweckt, sie wäre die Partei „des kleinen Mannes“. Mit Hetze versucht sie reale materielle Ängste, die die Krise auch in Österreich mit sich bringt, aufzugreifen und fischt somit nach Wählerstimmen. Obwohl sie an der Regierung schon bewiesen hat dass der „kleine Mann“ und seine Ängste und Sorgen dann noch herzlichst egal sind wenn man das Großkapital unterstützen kann.

Das wichtigste wäre es meiner Meinung nach eine breite Debatte über das Programm zu führen, und einen breiten Wiederstand gegen jede soziale Verschlechterung zu organisieren. Nur ein Versetzen von Linken Kräften – so breit wie die Auslegung des Wortes „Links“ -kann uns nicht weiter helfen.
Die Orientierung auf die realen sozialen Kämpfe ist das entscheidende und welchen Bezug diese Partei für kämpfende ArbeiterInnen und im Klassenkampf beziehen würde. Es gibt viele Umfragen die bestätigen, dass eine Partei links der SPÖ für ca. 20% der ÖsterreicherInnen unterstützenswert wäre, doch dieses Vakuum kann nicht jeder Füllen, der eine Partei gründet und sie aus Eigendefinition als Links bezeichnet.

Die Freiheitsliebe: Welche Probleme seht ihr bei Österreich anders?

Agnes Friesenbichler: Österreich anders ist ein Wahlbündnis aus Piraten, KPÖ, Wandel und Unabhängigen. Wie vorhin schon erwähnt, denke ich dass der Zusammenschluss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner keine zielführende Strategie ist. Die KPÖ spielt nur in Teilen der Steiermark eine Rolle, bundesweit ist sie keine bedeutende politische Kraft. Diese Isolierung wollte sie dadurch durchbrechen dass sie sich linksliberalen Formationen wie den Piraten und dem Wandel öffnet. Das verwässert natürlich das Programm und den Kommunismus der KPÖ sucht man in diesem Projekt vergeblich. Österreich anders ist kein antikapitalistisches Bündnis. Und warum sollte es das auch sein? Ein pluralistisches Projekt, dass den Zusammenschluss nur deshalb vollzog um sich bessere Chancen zu erhoffen in Parlamente zu kommen. Wieso sollten diese ein Interesse daran haben sich gegen ein System zu stellen in das sie sich zwanghaft zu integrieren versuchen?
Das Programm spricht genau diese Sprache, Österreich anders hat viele gute Vorstellungen wie Europa und Österreich aussehen sollten, aber kaum eine Strategie wie man dorthin kommt die an der jetzigen Situation anknüpft. Anstatt die momentanen Konflikte in der Gesellschaft aufzugreifen und einen Wiederstand zu organisieren pochen sie auf abstrakte Demokratiebegriffe, die sie fest im jetzigen System verankern wollen. Es braucht keine „linke“ Partei, es braucht eine antikapitalistische ArbeiterInnenpartei, die als Referenzpunkt und Instrument der Arbeiterklasse in kommenden Arbeitskämpfen sein kann.

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Eine Antwort

  1. Sorry, aber diese Ansagen sind ziemlich weltfern, denn von „tausenden Austritten“ aus der SPÖ kann keinesfalls die Rede sein; auch nicht von besonders großen Verlusten wegen eines angeblich rechten Kurses im Burgenland. Tatsächlich hat die SPÖ in der Steiermark weit mehr verloren, auch weil die FPÖ dort aggressiver auftrat und die SPÖ massiv an Sozialabbau mitwirkte. Zieht man aber in Betracht, wer sich für die Souveränität Österreichs einsetzt und wer uns US-Interessen ausliefert, dann sind gerade jene (manchmal unbeabsichtigt) Unterstützer des skrupellos durchgesetzten NATO-Kurses, die als „Linke“ gegen Rotblau auftreten. „Links“ sind sie dabei aber im Sinne der Strategie des „Pinkwashing“, die Glenn Greenwald hier beschreibt: http://readersupportednews.org/opinion2/277-75/30244-exploiting-social-issues-for-militarism-and-imperialism
    Was die Destabilisierung Österreichs durch von den USA ausgelöste und koordinierte Flüchtlingswellen betrifft, ist höchst entlarvend, dass das Verteidigungsministerium Soldaten nur UNBEWAFFNET einsetzen soll:
    http://ceiberweiber.myblog.de/ceiberweiber/art/8867553/Unbewaffnete-Soldaten-zur-Fluchtlingsbetreuung

    – mit anderen Worten, es geht denen, die laut „Solidarität“ schreien darum, Chaos in Österreich zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass jede staatliche Ordnung zusammenbricht. Und wenn sie zusammengebrochen ist, kann es auch nicht mehr um die Notwendigkeit einer „antikapitalistischen ArbeiterInnenpartei“ und anderer Luftschlösser gehen…

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