Was nach dem Zweiten Weltkrieg undenkbar schien, ist wieder Realität geworden: Völkische und nationale Forderungen, die auf Ausgrenzung und Verachtung von Minderheiten abzielen, sind wieder in den gesellschaftlichen Diskurs eingezogen.
Der AfD als vermeintlich bürgerliche Sammelbewegung verschiedener konservativer, rechter und nazistischer Strukturen ist damit nicht nur die parlamentarische Rechtsverschiebung gelungen. Als offen rassistische, anti-semitische und frauendiskriminierende Partei sitzt sie inzwischen in allen Landesparlamenten und die Landtagswahlen 2019 lassen ein weiteres Erstarken der Rechtsentwicklung befürchten. Die angebliche Alternative hat zudem, leider flankiert von einer allzu aufgebauschten Präsenz in Medien und Presse, auch erfolgreich an einer weiteren Verschiebung gearbeitet. Nämlich von dem, was in Deutschland inzwischen wieder sagbar geworden ist. In der „Zeit“ wurde jüngst die Frage aufgeworfen, ob man ertrinkende Geflüchtete aus dem Mittelmeer retten solle.Die Implikation, dies sei eine wie auch immer verhandelbare Frage, ist erschütternd.
Aufgabe der LINKEN
Was ist nun die Aufgabe der LINKE in dieser Gemengelage, was stellen wir diesen zutiefst beunruhigenden Entwicklungen entgegen? Wie verbinden wir die kulturellen Kämpfe gegen Ausgrenzung von allem, was „nicht Deutsch“ ist mit der sozialen Frage,die ja den Kern linker Politik bildet? Brauchen wir dabei eine neue Klassenpolitik?
Vorneweg will ich eines betonen: Ja, wir brauchen dringend eine neue Klassenpolitik. Zu meinen besteht der eigentliche Klassengegensatz auf der materiellen Basis ja nach wie vor. In Zeiten des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus sehen wir die Kluft zwischen Reich und Arm in einem Ausmaß wachsen, wie es wohl selbst konservative Politikerinnen und Politiker überraschen dürfte. Die Kassiererin an der LIDL-Kasse, der Altenpfleger und die Erzieherin merken zudem recht deutlich,dass ihre Arbeit nicht in dem Maß vergütet wird, wie es die Anstrengung oder der gesellschaftlichen Bedeutung gerecht werden würde. Selbst in den gewerkschaftlich gut organisierten Bereichen franst es rund um die Kernbelegschaft aus, Leih- und Zeitarbeit nehmen auch hier zu. Zum anderen erleben wir gleichzeitig, dass die erfolgreichsten gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in Arbeitsfeldern errungen wurden, in denen vornehmlich Frauen arbeiten, wie beispielsweise in der Pflege oder beiden Erzieherinnen-Streiks. Dies spiegelt auch die Arbeiterinnenschaft selber wieder, die zunehmend weiblicher und migrantischer wird.
Wer hier also einen Gegensatz aufmachen möchte und behauptet, mit der Förderung von Arbeitsmigration würde den großen Unternehmen der Weg für gezielten Brain Drain bereitet und die Konkurrenz der Arbeiterinnen und Arbeiter untereinander angeheizt, der verkennt diese Realitäten. Andere mögen behaupten, DIE LINKE solle sich auf ihr Kernanliegen, dem Kampf für soziale Gerechtigkeit konzentrieren, statt sich nur um die Belange der Geflüchteten zu kümmern. Auch hier wird eine fundamentale Realität entweder nicht gesehen, oder schlicht weg übergangen. Der Kampf darum, was kulturell hegemonial sein soll, nämlich ob wir eine offene oder eine in sich geschlossene Gesellschaft sind, stand nie im Gegensatz zu den sozialen Kämpfen unserer Zeit. Das wird es erst dann tun, wenn die arbeitende Bevölkerung sich spalten lässt in „Wir und Die“. Erst wenn sie sich den Sand in die Augen streuen lassen, es gäbe unterschiedliche Interessen zwischen der einheimischen und zugezogenen Bevölkerung, erst dann gewinnt das Kapital. Denn der eigentliche Kampf ist keiner zwischen den Arbeiterinnen und Arbeitern, der Kampf verläuft zwischen Oben und Unten. Es ist der gemeinsame Kampf für eine gerechtere Steuerpolitik, für anständige Löhne und bessere Renten. Es ist der Kampf für die gerechtere Verteilung von Ressourcen und Privilegien. Diese gehören zusammen, will sich die arbeitende Bevölkerung nicht auseinander dividieren lassen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt sowohl für die Syrerin wie für die bayerische Managerin, die sich in einer männerdominierten Geschäftswelt in eine Vorstandsposition hocharbeiten will.
Die großen Unternehmen und Vermögen sind international eng vernetzt und arbeiten eng zusammen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen gewahrt bleiben. Der US-Unternehmer Warren Buffett hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, es herrsche durchaus Klassenkampf und es seine Klasse, die der Kapitalistinnen und Kapitalisten,die gerade gewinnen würde. Und das wird sich auch nicht ändern, solange sich die Arbeiterinnen und Arbeiter durch Labels wie „einheimisch“ und „zugezogen“spalten lassen, statt sich zu organisieren. Buffet meinte auch, seine Klasse sollte eigentlich nicht gewinnen. Das dürfte auf der Hand liegen, doch dafür müssen wir es schaffen, die kulturellen und sozialen Kämpfe unserer Zeit miteinander zu verbinden – als verbindende Klassenpolitik.
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