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Le Pen – Die faschistische Anti-Antisemitin

Am 23. April 2017 findet der erste Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl statt. Da es sich bei Frankreich um eine präsidiale Demokratie handelt, hat der Ausgang der Wahl einen entscheidenden Einfluss auf ganz Europa. Wer wird das Rennen gewinnen? Der nepotistische Konservative François Fillon? Der neoliberale Investmentbanker Emmanuel Macron? Der links-sozialdemokratische Benoît Hamon? Die immer noch uneinigen Kommunisten, die zwischen Arnaud Montebourg und Jean-Luc Mélenchon schwanken? Oder doch die neo-faschistische Kandidatin des Front National, Marine Le Pen, die sich radikal gegen Flüchtlinge und Europa positioniert hat? In dem folgenden Artikel wird die Kandidatin des FN vorgestellt und ein Resümee gezogen.

Fangen wir nun also mit der wahrscheinlich gefürchtetsten Kandidatin an: Marine Le Pen

Marine Le Pen galt in der Öffentlichkeit lange Zeit als absolut undenkbar, schließlich komme sie ja aus der rechtsextremen Front National und sowas werde ja vom Bürger nicht gewählt. Die 1972 von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen gegründete Partei verfolgte seit Anfang an eine rassistische, nationalistische und antidemokratische Politik, doch hat sich dies seit 2011 etwas geändert. Jean-Marie Le Pen, der eher durch die Leugnung des Holocausts als durch Wahlerfolge auffiel, hatte die Partei von 1972 bis 2011 mit eiserner Hand regiert und eine Abspaltung und Gerichtsverfahren in Kauf genommen. Sowohl seine Rolle als Folterknecht im Algerienkrieg, als auch eine Haftstrafe wegen Körperverletzung konnten ihm nichts anhaben. Bis seine Tochter kam.

2011 riss Marine Le Pen durch eine Mitgliederbefragung die Macht an sich und führte das öffentliche Bild ihrer Partei in eine andere Richtung. Statt plumpen Antisemitismus und Rassenhass stellt sie nun ihre Anti-Establishment-Haltung und Islamkritik in den Vordergrund. Verbunden mit fast schon semi-sozialistischen Versprechungen à la „französische Sozialleistungen den Franzosen!“ springt sie somit auf einen Zug auf, der ganz Europa droht zu überrollen. Offenkundiger Faschismus ist nicht mehr angesagt, man fühlt sich viel besser, wenn man nur die gierigen Flüchtlinge kritisiert. Sind es nicht die Moslems, die ihre Frauen unterdrücken? In Kombination mit einer weiblichen Vorsitzenden darf sich die Front National sogar den Anschein einer emanzipatorischen Partei geben. Dass sie jedoch von nichts weiter entfernt ist, wird gerne von ihren Wählern übersehen.

Le Pens Partei spielt also auf vielen Klaviaturen und genau das macht sie so erfolgreich. Nationalistische Sozialpolitik für die wirtschaftlich Schwachen. Anti-„Die da oben“-Parolen für die Enttäuschten und antimuslimischer Rassismus für die Generation ihres Vaters. Wie konsequent sie diesen neuen Kurs durchzieht, sieht man nicht zuletzt an ihrer eigenen Familie. Da ihr Vater weiterhin den Holocaust als „Detail der Geschichte“ abgetan hat, schmiss sie ihn im August 2015 kurzerhand aus der Partei. Damit der Familienklan Le Pen jedoch trotzdem die Zügel innerhalb der Partei in der Hand behält, machte Marine Le Pen ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen zu ihrer rechten Hand. Als jüngste Abgeordnete zog die damals 22-Jährige in die französische Nationalversammlung ein. Mit ihr haben die Abtreibungsgegner und Homophoben in der Partei eine neue feminine Stimme bekommen. Das ist beabsichtigt. Denn frauenfeindliche und sexistische Worte aus dem Munde einer jungen erfolgreichen Frau wirken wesentlich unangreifbarer, als wenn sie ein hemdsärmeliger Macho hervorbringt. Diese Alibi-Rhetorik hat im Moment durchaus Konjunktur. Der US-amerikanische Breitbart-Redakteur Milo Yiannopoulos zum Beispiel hetzt unter dem Deckmantel seines Migrationshintergrundes und seiner Homosexualität auf abstoßende Art und Weise gegen Minderheiten. Gleichzeitig ist er trotz aller Parallelen zu den Vorgängen in Frankreich ein Gegenentwurf zu Le Pen. Yiannopoulos musste den rechtsextremen Internetblog verlassen, da er den Geschlechtsverkehr zwischen Kindern und Erwachsenen rechtfertigte. Ein solcher Fauxpas würde Le Pen nicht passieren, denn schließlich weiß sie, was man im katholischen Frankreich sagen kann und was nicht. Ihre aggressive Rhetorik richtet sich immer gegen Gruppen außerhalb ihrer Wählerschaft, die Bestätigung des Weltbildes ihrer Anhänger steht über den eigenen kruden Theorien. Somit wurde der nach rechts offene Opportunismus zur Wahlkampftaktik ernannt.

Eine weitere Stärke von Le Pen ist ihre Konkurrenzlosigkeit im eigenen politischen Lager. Der deutsch-französische Politologe Alfred Grosser kommt gegenüber dem Deutschlandfunk zu dem Schluss, dass Fillons schwaches Auftreten, oder gar ein Rückzug seiner Kandidatur, dafür sorgen werde, dass die „gemäßigte Rechte überhaupt keinen Kandidaten mehr habe“. Bleibt Fillon jedoch bei seiner Kandidatur, wonach es im Moment aussieht, so ist zu hoffen, dass er Le Pen im ersten Wahlgang möglichst viele Stimmen abnimmt, trotzdem nicht in die Stichwahl kommt und sie dann gegen einen Kandidaten mit wesentlich mehr inhaltlicher Distanz zu ihr verliert. Ob ein Gegenkandidat, gegen den ein offizielles Gerichtsverfahren von drei Staatsanwälten gleichzeitig läuft, Le Pen am Ende nicht sogar noch hilft, bleibt abzuwarten. Fillon hatte seine Frau als Assistentin angestellt, obwohl sie gar nicht zur Arbeit erschien. Dieser neueste Skandal in einer langen Reihe an Gerüchten und Vermutungen um den konservativen Kandidaten, macht es Le Pen jedoch extrem einfach. Sie stellt sich als Außenseiterin dar, die nicht zum politischen System gehöre, keine schmutzigen Geschäfte verheimliche und nah am Volke agiere.

Gab es da nicht mal eine Partei, die genau mit dieser Position punkten konnte? Die kommunistische Partei Frankreichs (PCF) wurde seit den 80er Jahren mit einem stetigen Abschwung konfrontiert und verliert genau dort, wo die Front National gewinnt. Le Pen verspricht die nationale Reindustrialisierung, Strafsteuern gegen ausländische Firmen und die Vertreibung ausländischer Billiglohnarbeiter. Gerade für die ehemalige Klientel der Kommunisten wirken solche Versprechungen auf schnelle Lösungen attraktiv, die Renationalisierung der Wirtschaft scheint ein Lösungsansatz auf problematische Entwicklungen der Globalisierung zu sein. Da die zerstrittene PCF schon keine Antwort auf den Zusammenbruch des Ostblockes finden konnte, wird ihr inzwischen in den entscheidenden Fragen keine Lösungskompetenz zugetraut. Dass seit 2008 die SP-Abspaltung Parti de Gauche auch noch links von den Sozialdemokraten mitmischt, vereinfacht die Situation des linken Lagers nicht gerade. Sollten sich PCF und PdG nicht auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten einigen können – und danach sieht es im Moment stark aus – so gäbe es gar keine erfolgsversprechende linke Alternative zu Marine Le Pen.

Le Pen profitiert also von unterschiedlichen Faktoren. Zum einen sind ihre Gegenkandidaten angeschlagen, was ihrer Profilierung als Anti-Alles-Kandidatin enorm hilft. Die EU sanktioniert sie, weil sie von EU-Geldern für die Partei in Frankreich Personal angestellt hat? Unwichtig, da sie gar nicht Teil des Systems sein möchte. Zum anderen kann keiner der Kandidaten einen Gegenentwurf zu Le Pens nationalistischer Sozialpolitik präsentieren. Macron und Fillon setzen auf mehr Liberalisierung, Hamon wird inzwischen von der eigenen Partei beim bloßen Erwähnen des Wortes Grundeinkommen niedergebrüllt und alles links von ihm legt den Fokus auf Personalien und nicht auf Inhalte. Le Pen erzählt den ehemaligen Industriearbeitern, wie sie deren alten Jobs zurückholen möchte, der Rest schweigt, oder liefert alte Antworten auf neue Probleme. Am Ende wird derjenige über Le Pens Miss-/Erfolg entscheiden, der Migration und Internationalismus als Chance und nicht als Problem begreift. Ein Sieg Le Pens wäre absolut verheerend für Europa und seine Bevölkerung, da er die falschen Signale an die Höckes, Orbans und Kaczynskis dieser Welt senden würde und für ein Auferstehen des Rechtsextremismus stände. Wer garantiert uns, dass eine regierende Präsidentin Le Pen nicht das geistige Erbe ihres Vaters wiederbelebt? Wer garantiert dann noch Menschenrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit? Unter Le Pen würde Frankreich aus der EU austreten, was mittelfristig zum Ende der Europäischen Union führen würde. Mag dieser Gedanke selbst für einige Linke nicht ganz unattraktiv sein, so lässt ein hypothetisches Ende der EU nichts Gutes erahnen. Aus den Trümmern der EU wird keine bessere Welt erwachsen, wenn Rechtspopulisten sie zu Fall bringen. Die fast schon pogromartigen Übergriffe in Großbritannien nach dem Brexit sind nur ein Vorgeschmack. Le Pen ist deshalb eine ernste Bedrohung für uns alle, nur mit den richtigen Antworten auf die Probleme des Arbeitsnehmers im 21. Jahrhundert kann man sie als menschenfeindlich demaskieren.

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