Das Leid der Geflüchteten geht uns alle an!

Während die EU im Mittelmeer Menschen ertrinken lässt organisiert sich überall Hilfsbereitschaft. Das ist ein gutes Zeichen finden Jules El-Khatib und Julius Zukowski-Krebs.
 
Es ist 2017, noch immer kämpfen Geflüchtete von überall her um die Anerkennung ihres Leids in der westlichen Welt. In den letzten drei Jahren sind bei dem Versuch, ins vermeintlich sichere Europa zu kommen, mehr als 10.000 Menschen auf dem Mittelmeer gestorben. Dafür ist auch weiterhin kein Ende in Sicht. Die Ursachen sind EU-Abkommen wie Dublin II sowie blutige Deals mit autoritär regierten Mittelmeerstaaten, wie der Türkei oder Marokko. Europa bezahlt sie für, eine schnelle und unbürokratische Rücknahme der Flüchtlinge, als auch für den Ausbau ihrer
Sicherheitsarchitektur. So werden immer höhere Grenzzäune und größere Lager errichtet, um die Menschen an der Flucht nach Europa zu hindern. Das Abkommen mit der Türkei treibt dabei den Zynismus der europäischen Politik auf die Spitze: Während von europäischer Seite immer wieder von Menschenrechten und Demokratie die Rede ist, sucht man sich hier eine Regierung als Partnerin, die diese seit Jahren mit Füßen tritt und den Staat zu einer Diktatur umbaut. Menschen werden wegen ihrer politischen Meinung inhaftiert und verfolgt. So wurden letztes Jahr kurdische Städte kaputt gebombt und von der Armee besetzt, während EU und Bundesregierung über die Verbrechen in Kurdistan schweigen. Doch eine Veränderung in Form von Maßnahmen, wie beispielsweise eine Beendigung des Abkommen gab es selbstverständlich nicht. Denn im Zweifel ist es für die EU-Staaten wichtiger die Ankunft von Flüchtlingen, also Menschen die vor Krieg, Terror und Armut fliehen, zu verhindern, als einen Despoten in seine Schranken zu weisen. Nachdem so die östlichen Fluchtrouten geschlossen wurden, wurde weitere Partner in Afrika gefunden um Europa auch von Süden her weiter abzuschotten. Ein Beispiel dafür ist der Sudan. Auch hier nimmt es die EU mit den eigenen Werten nicht ganz so genau und hat kein Problem damit Verträge mit dieser höchst problematischen Regierung zu schließen. Wie auch beim Türkei-Deal zahlt die EU ordentliche Summen um Menschen an der Flucht zu hindern. Genau gesagt wurden mal eben 140 Millionen Euro überwiesen und noch ein paar neue Grenzposten finanziert. Öffentliche Kritik an der brutalen Herrschaft unter dem sudanesischen Diktator Umar al-Bashir dürfte in nächster Zeit somit noch weniger sichtbar sein. Und so wurde aus dem eben noch wegen seiner Verbrechen in Darfur geächteten Diktator, ein neuer verantwortungsbewusster und zuverlässiger Bündnispartner für die EU im Kampf gegen Fluchtursachen.
 

Geflüchtete als Feindbild

Während diese Abkommen dazu dienen Flüchtende an der Ankunft in Europa zu hindern werden weitere Verträge geschlossen um diejenigen, welche die Flucht nach Europa überlebt haben, zurück in ihre immer noch unsicheren und krisengebeutelten Heimatländer zu schicken. Das auch bei den in Europa angekommenen Flüchtlingen Menschenrechte keine Relevanz für die EU und die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten haben, offenbart ein Abkommen mit Afghanistan. Ende vergangenen Jahres wurde beschlossen, dass nun auch ins immer noch vom Bürgerkrieg mit den Taliban gebeutelte Land abgeschoben werden soll. Wie blutig der Kampf gegen die Taliban ist, offenbaren die Zahlen. 2016 war das blutigste Jahr in Afghanistan seit 2009: 1.600 Zivilisten starben in den ersten sechs Monaten bei Terror-Anschlägen oder Polizei-Razzien, mehr als 4000 wurden zum Teil schwer verletzt. Dass Afghanistan nicht sicher ist, bezweifeln dabei nicht einmal die deutschen Politiker. So begründete die deutsche Regierung, die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes mit der schlechten Sicherheitslage und dem gefährlichen Vordringen der Taliban. Das Desinteresse an Menschenrechten und dem Schutz von Geflüchteten ist dabei kein Wandel, sondern schon lange Bestandteil europäischer Politik. Weder die EU noch ihre Einzel-

 

staaten haben in den vergangenen Jahrzehnten ein politisches Handeln verfolgt, in denen Menschenrechte und die Asylvergabe höheres Gewicht hatten, als der vermeintliche Schutz der eigenen Nation. Am besten sieht man das bei der Grenzsicherungsagentur Frontex. Eine Organisation die dafür geschaffen wurde, Menschen von den Außengrenzen Europas fern zu halten.
Das Geld wäre für die Versorgung der Flüchtlinge in Deutschland, Frankreich, Italien und natürlich Griechenland sehr viel besser eingesetzt. Insbesondere dort stranden viele Geflüchtete, die
nicht mehr über die geschlossene Balkan-Route kommen können. Gleichzeitig sind die hygienischen Standards in den vollkommen überfüllten
Lagern absolut menschenunwürdig. Während Aktivisten zusammen mit Flüchtlingen versuchen Alternativen zu schaffen, hat die griechische Regierung nichts besseres zu tun, als
selbstverwaltete Unterkünfte zu räumen und die Bewohnern auf die Straße zu setzen. So beginnt ihr Kampf um ein Stückchen Normalität von neuem. Doch es sind nicht die Flüchtlinge vor denen „wir“ „geschützt“ werden müssen. Das wirkliche Problem ist der massive Rechtsruck, den wir in beinahe allen Ländern der europäischen Union beobachten können. Man sieht es in der immer größeren Abschottung, schärferen Abschiebegesetzen und einer zunehmenden Stimmungsmache gegen Geflüchtete, Migranten, Muslime sowie Sintis und Roma. Während Fluchtbewegungen zur Bedrohung erklärt und bekämpft werden soll, erlassen europäische Staaten Gesetze, die die erkämpften sozialen und gesellschaftlichen Fortschritte rückgängig machen. Sie schränken Frauenrechte ein, schließen Muslime aus der Öffentlichkeit aus und bauen soziale Standards ab.
 

Refugees Welcome!

 
Trotzdem gibt es auch Lichtblicke. Der Sommer der Migration hat deutlich gemacht, dass sich Fluchtbewegungen niemals aufhalten lassen werden. Die unzähligen Leute die sich in Willkommensinitiativen engagieren, bilden ein Gegengewicht zur rassistischen Hetze durch CSU, AfD und PEGIDA. Linke Stadtregierungen wie in Madrid oder Barcelona sorgen mithilfe des Sanctuary-City-Konzepts dafür, dass Flüchtlinge Zugang zu Versorgung und Schutz vor Abschiebung bekommen und die Debatten und Aktionen um die Etablierung von sozialen Zentren liefern Ansätze, um auch abseits staatlicher Kontrolle die Situation für Geflüchtete zu verbessern. Dennoch gibt es im Kampf gegen den rassistischen Normalzustand noch viel zu tun – packen wir es an!

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