Die politische Hochschule: Ein nie endender Kampf

Mit den 68ern wurde die Hochschule zunehmend auch ein politischer Ort. Doch Regelstudienzeit, Leistungs- und Finanzierungsdruck erschweren es Studierenden immer mehr an der Hochschule politisch aktiv zu sein.

Der Protest der 68er gegen die veralteten politischen Verhältnisse betraf zu einem großen Teil die Hochschule. Die Spuren dieser Zeit sind auch heute mindestens in Ansätzen in der Hochschulpolitik erkennbar: Kritische Wissenschaft, die Öffnung der Hochschulen für alle sozialen Schichten, der Einzug marxistischer Theorie in die Lehre, Forschung für den Frieden, eine antifaschistische Hochschulkultur – diese Ideale waren seit Ende der 1960er-Jahre stets in der Diskussion, oft angetrieben von Studierenden. Errungenschaften wie die Stärkung der Verfassten Studierendenschaft und die Lockerung von autoritären Strukturen sind das Ergebnis ihres Engagements.

Verteidigung des bereits Erreichten

Heute müssen diese Ziele nicht nur weiter durch politische Kämpfe erzwungen werden – immer relevanter wird auch die Verteidigung des bereits Erreichten. Längst hat das kapitalistische und neoliberale Deutschland auf das politische Potential von Studierenden reagiert. Die staatlichen Maßnahmen dienen dabei nicht der Förderung der politischen Hochschule, sondern ganz dem Gegenteil. Ein wiederkehrendes Thema sind beispielsweise Studiengebühren. Obwohl sie vor nicht allzu langer Zeit bundesweit als abgeschafft galten, halten sie seit einigen Jahren wieder Einzug in die Hochschulsysteme verschiedener Bundesländer. Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen erheben wieder Langzeitstudiengebühren. Ein Zweitstudium kostet u.a. in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen zwischen 350 und 650 Euro pro Semester. Und das ist längst noch nicht alles. Der Grund: junge Menschen sollen schnellstmöglich ihr Studium beenden, um in den Arbeitsmarkt einzutreten. Gleichzeitig soll politisches Wirken an den Hochschulen, das Entwickeln und Diskutieren eigener Inhalte, die kritische Betrachtung der Lehre zurückgedrängt werden. Denn Studierende, die die Universität so schnell wie möglich absolvieren, haben keine Zeit für politische Aktivitäten. Abgesehen davon erschweren diese Gebühren es Leuten aus finanziell schwächeren Familien zusätzlich, ein Studium anzutreten und erfolgreich zu absolvieren.

Das allgegenwärtige Mantra der Regelstudienzeit und die damit verbundenen finanziellen Abhängigkeiten – neben den Langzeit- und Zweitstudiengebühren auch etwa die Streichung des BaföG – setzen Studierende weiter unter Druck, ihre gesamte Zeit nur in das Studium zu investieren.

Verfasste Studierendenschaft in Bedrängnis

Auch die Verfasste Studierendenschaft – die demokratische Vertretung aller Studierenden an der Hochschule auch in politischen Fragen – ist dem kapitalistischen System ein Dorn im Auge. Sachsen und Sachsen-Anhalt ermöglichen es durch ihre Hochschulgesetze Einzelnen, aus der Studierendenschaft auszutreten. Durch CDU und SPD damit begründet, dass Studierende sich somit an den studentischen Strukturen finanziell nicht mehr beteiligen müssen, sorgt die Möglichkeit des Austritts am Ende hauptsächlich für die Schwächung genau dieser studentischen, politischen Strukturen.

Noch schwieriger ist es in Bayern. Hier existiert seit 1973 überhaupt keine Verfasste Studierendenschaft mehr. Die dortigen Studierendenvertretungen haben weniger Rechte und noch weniger Einfluss beim Eintreten für studentische Interessen. Linke Gruppen sind oftmals nicht zugelassen oder haben erschwerte Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten. Wieder wird deutlich: der politische Einfluss Studierender ist unerwünscht und wird zurückgedrängt, indem man die Möglichkeit für diesen nicht zulässt.

Zu wenig Freiraum

Dies zeigt sich auch in der Forderung nach Freiräumen an Hochschulen für Studierende. Bürokratische Hürden erschweren es politischen Gruppen, Räume an Hochschulen zu erhalten. An vielen gibt es keine oder nur wenige studentisch verwaltete Räumlichkeiten, die jederzeit und ohne Einschränkung genutzt werden können. Für große Unternehmen hingegen ist es kein Problem, an staatlichen Bildungseinrichtungen präsent zu sein. Starbucks- und Bankfilialen in den Gebäuden der Universität Leipzig oder gesponserte Trivago- und Amazon-Hörsäle an der RWTH Aachen sind nur zwei Beispiele.

Es existieren viele weitere Mechanismen zur Zurückdrängung politischen Einflusses des studentischen Engagements, darunter die Bürokratisierung studentischer Strukturen und ein stark eingeschränkter Einfluss in Hochschulgremien. Auch diese erschweren es Studierenden, an den Universitäten wirksam aktiv zu werden, ihre Interessen lautstark zu verkünden und ihre Belange durchzusetzen. Über die Hochschule hinaus

Dabei war und bleibt die Politisierung von Studierenden notwendig. An den Hochschulen bilden sie die größte Interessengruppe. Es geht um unsere Inhalte, unsere Interessen, unsere Zukunft. Der Kampf gegen autoritäre Strukturen und Unterdrückung sozial Schwächerer wurde zu einem beachtlichen Teil durch Studierende angetrieben und geführt. Auch außerhalb der Hochschule haben studentische Strukturen großen Einfluss, sei es in Bewegungen gegen G20, Ausbeutung, Freihandel, Verschärfung der Polizeigesetze oder bei Demonstrationen gegen aufkommende nationalistische und rassistische Bewegungen wie Pegida und die AfD. Dieser Einfluss in den politischen Diskurs darf nicht zurückgehen. Das Studium muss über die Beschäftigung mit dem eigenen Fach hinausgehen. Ob im Kampf gegen Studiengebühren oder gegen steigende Mieten: Die Hochschule muss Möglichkeiten bieten, sich auch gesamtgesellschaftlichen Problemen zu widmen.


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