Von Haarigen Monstern und Widersprüchen

Frauen sind Männern rechtlich gleichgestellt. Trotzdem halten sich viele überkommene Rollenbilderin Popkultur und Medien. Warum und was tun?

Feministinnen – das sind die hässlichen Frauen, die ’68 hängen geblieben sind, die Kampflesben mit unrasierten Beinen und Latzhose. Die, die keinen Mann abkriegen und deshalb zur notorischen Spaßbremse werden. So ein weit verbreitetes und hartnäckiges Klischee. Ihnen gegenüber steht das unbehaarte Model, gutaussehend, ohne eigenen Willen und scheinbar nur dafür da, um die Bedürfnisse von Männern zu befriedigen.

Wo kommen diese Bilder her?

Dass Frauen zum Objekt gemacht werden, hat eine lange Tradition. Der denkende Mensch wird seit jeher unter den Wissenschaftlern als männlich verstanden – auch, weil die meisten uns bekannten Gelehrten in der Geschichte Männer waren und sind. Zwei Frauenbilder sind im Abendland besonders populär: Die Heilige oder Mutter und die Hure oder Hexe. Religionsgeschichtlich finden sie Gestalt in Maria, der Muttergottes und Eva, die Schuld am Sündenfall trägt, weil sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hat. Rechtlich sind Frauen in der BRD den Männern zwar seit 1958 gleichgestellt, seit 1918 dürfen sie wählen, seit 1977 ein eigenes Konto eröffnen.
Dennoch halten sich die beiden Frauenbilder hartnäckig. Unterdrückung wurzelt eben nicht nur in Gesetzen. Man kann formal gleichgestellt und trotzdem nicht gleichberechtigt sein. In der Alltagskultur halten sich viele Ungleichheiten bis heute. Nehmen wir einen x-beliebigen Comedian, wie Mario Barth. Seine Frauenfiguren sind launisch, hinterhältig und süchtig nach Aufmerksamkeit. Kurzum: sie erscheinen als Parasiten. Besonders gerne lacht man über Feministinnen. Damit das Lachen leichter fällt, verpasst man der Klischee-Feministin ein hexenhaftes Aussehen: haarig, pickelig, hässlich – die Gesellschaft ist gewohnt, Frauen nicht inhaltlich zu begegnen, sondern sie auf den Körper zu reduzieren. Das Lachen über Frauen und besonders über Feministinnen ist eine Abwehrreaktion. Dahinter steckt die Angst, eigene Privilegien aufgeben zu müssen. Genau das ist aber Voraussetzung, um sich auf Augenhöhe zu begegnen.
Zugegeben, es ist auch nicht leicht, aus dem Denken auszubrechen, dass Frauen willenlose Objekte und Feministinnen verachtenswerte Abweichungen davon sind. Nehmen wir die Werbung als Beispiel. Sobald wir den öffentlichen Raum betreten, werden wir mit einer Flut von Bildern konfrontiert. Sie zeigen meist halbnackte, dünne Frauen, mit lasziven Mündern und leerem Blick. Sie sind die lebenden Kleiderstangen eines unersättlichen Marktes, der auf die Unterdrückung der Frau angewiesen ist und sie weiter zementiert. Warum speist sich 90% des erbärmlichen Witzerepertoires von Mario Barth aus shopping-süchtigen Frauen? Warum shoppen so viele Frauen so unglaublich gerne? Warum gibt es einen Begriff wie „Frustkauf“?

Die Werbung suggeriert, dass frau, wenn sie dieses oder jenes Produkt erwirbt, ein besserer Mensch werden könne. Dahinter steht eine gigantische kapitalistische Wirtschaft, die auf das Minderwertigkeitsgefühl von Frauen angewiesen ist. Der Philosoph Adorno hat diesen Komplex „Verblendungszusammenhang“ genannt: Der Markt schafft ein Bedürfnis und bietet die Lösung gleich mit an. Haarige Beine? Riesen Problem. Die Lösung? Kaufe diesen Rasierer. Wie daraus ausbrechen? Schwierig. Denn es gibt nicht nur die Konsumierenden, sondern auch die Produzentinnen. Für ein T-Shirt bei H&M erhält die indische Näherin etwas unter 2 Cent. Die Lösung für das verworrene Problem von Ausbeutung und Unterdrückung, von Produktion und Konsum ist nicht, dass man einfach andere Dinge kauft, die z.B. von Popstars wie Beyoncé als feministisch beworben werden. Hier entsteht schlicht ein neuer Verblendungszusammenhang. Du bist für Frauenrechte, aber der Feminismus ist alt, haarig und angestaubt? Riesen Problem. Die Lösung? Beyoncé ist cool und jetzt auch Feministin. Kauf’ dieses T-Shirt. Feminismus ist aber nicht käuflich. Pseudo-Feminismus ist käuflich – scheißt aber auf die Rechte der Produzentinnen und die wirklichen Bedürfnisse der Konsumentinnen.

Was tun?

Ein erster Schritt ist, sich über die Widersprüche, in denen wir leben, bewusst zu werden. Wir können uns selbst hinterfragen: Wieso habe ich Angst davor, nicht einem Schönheitsideal zu entsprechen? Woher kommen meine Ängste, meine Unsicherheit? Und vielleicht lohnt es sich, hinter die als hässlich gebrandmarkte Fassade der Alt-68erin zu schauen. Der Feminismus der 68er war nämlich dem, was heute in der Populärkultur als Feminismus gilt, um Längen voraus.

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