Deutsche Universitäten: Repressionen gegen Palästina-Solidarität

In den vergangenen Wochen kam es an verschiedenen Universitäten zu Protesten gegen die israelischen Bombardierungen Gazas. Sowohl medial als auch von Seiten der Universitäten kam es daraufhin zu Repressionen gegen Studierende, wie der Protest an der FU zeigt. Dies ist der zweite Teil der Reihe von Istabrak Gwîle, Aktivistin aus Berlin, der erste befasste sich mit der Situation in Schulen.

Am 14. Dezember 2023 um 11.30 Uhr besetzten Studierende aller Glaubensrichtungen und ethnischer Herkünfte, welche sich gegen Imperialismus, Unterdrückung und Völkermord einsetzten, den größten Lehrsaal der Freien Universität in Berlin. Die FU hat sich trotz des angehenden Genozids und der Kriegsverbrechen Israels bedingungslos mit diesem Staat solidarisiert. Studierende haben sich aktiv dieser einseitigen Solidarität entgegengestellt und die Uni dazu aufgefordert, sich für einen Waffenstillstand auszusprechen und die antisemitische IHRA-Definition abzulehnen und eine neue Definition von Antisemitismus zu erarbeiten. Die IHRA-Definition, welche 2016 von der Bundesregierung verabschiedet wurde, besagt etwa, dass die Aussage, Israel sei ein rassistisches Projekt, antisemitisch sei.

Die Besatzung des Lehrsaals entstand, damit faktenbasiertes Wissen über den Genozid in Gaza für alle zugänglich gemacht wird und konstruktive Diskurse stattfinden können, welche von Anfang an, ohne Studierenden Antisemitismus vorzuwerfen, verwehrt worden ist. Diese friedliche und lehrreiche Besatzung wurde immer wieder durch körperliche und verbale Gewalt und Vandalismus gestört. Es wurden Fotos von ermordeten Kindern in Gaza, Zitate von israelischen Politiker*innen und von bedeutenden historischen Figuren wie Malcolm X oder Nelson Mandela abgerissen. Die Organisator*innen, die sich dem friedlich entgegenstellen, wurden so brutal angegriffen, dass die Spuren an ihrem Körper bis heute sichtbar sind.

Flaggen und Störungen

Es kamen Menschen mit einer Israel-Flagge in den Lehrsaal und störten die Vorträge durch ständige Ausrufe. Diese Personen wurden, anders als medial behauptet, von pro-palästinensischen Aktivistis nicht aus dem Saal verwiesen. Die Springer-Presse behauptet sogar, dass man jüdischen Mitstudierenden aufgrund ihrer Herkunft nicht hineingelassen habe. Der Pressebericht der FU Berlin bestätigt, dass dies nicht stimmt. Um 18 Uhr marschierten 100 Polizist*innen ohne Vorwarnung in den Lehrsaal und nahmen 21 Studierende gewaltsam fest. Sie erstatteten Strafanzeige wegen Körperverletzung sowie Anzeige wegen Hausfriedensbruch.

Die Hochschulen sollten in der Lage sein, mit Studierenden in das Gespräch zu kommen und die Angelegenheiten selbst zu klären, doch stattdessen fordert die FU die Räumung durch Polizeigewalt. Doch der 14. Dezember hat gezeigt, dass die FU keinen Wert auf akademische Freiheit und Hochschulautonomie legt.

Auch an der Humboldt-Universität zu Berlin kommen Studierende nicht um rassistische und antimuslimische Gewalt herum. Ein Professor der HU tweetet antimuslimische Hetze wie „Es wird vielleicht Zeit „Allahu Akbar!“ als Schlachtruf auf Demos unter Strafe zu stellen. Es wird 100% äquivalent benutzt wie das „Sieg heil!“ der Nazis.“ zudem äußerst sich dieser in seinen Vorlesungen jahrelang antimuslimisch. Die HU bemüht sich nicht, diesen Professor zur Rechenschaft zu ziehen. Auch das zeigte sich, als 2014 ein Professor „Hitler war nicht grausam“ sagte. Dieser Professor griff Studierende auf dem Campus an. Bis heute hat die Unileitung die Dienstaufsichtsbeschwerde nicht beschieden, obwohl sie dazu eigentlich verpflichtet wäre, sondern nahm im Gegenteil diesen Professor in Schutz. Eine Dozentin derselben Uni bezeichnet in ihren Seminaren pro-palästinensische Demonstrationen insgesamt als antisemitisch und reproduziert durch Materialien der Uni diese Narrative. In München wurden pro-palästinensische Student*innen durch eine E-Mail von einem Professor aus seinem Seminar geschmissen. Unbekannte haben den Campus der Uni Duisburg-Essen mit „Scheiß Islam“ beschmiert.

Verbot politischer Veranstaltungen

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) wollten eine Veranstaltung mit dem Titel „Stoppt den Genozid in Gaza“ anmelden. Von der HU wurde sie mit der Begründung, dass „Studierende sich nicht zu allgemein politischen Themen“ äußern dürfen, untersagt. Dies ist nicht glaubhaft, da in der Vergangenheit bereits Dutzende politische Veranstaltungen genehmigt wurden. Die IYSSE veranstalte mit weiteren Studierendenschaften eine Kundgebung mit dem Titel „Stoppt den Genozid in Gaza“. Eine Rede musste unterbrochen werden, da eine Mitarbeiterin der Unileitung das Mikro wegriss. Diese weigerte sich zu gehen und auch auf die Möglichkeit zu sprechen, weigerte sie sich. Die zahlreich anwesende Polizei bat die Frau, zehn Minuten später zur Seite zu kommen. Unmittelbar danach stellten sich zwei Menschen mit einer Israel-Flagge in die Mitte der Kundgebung und unterbrachen die Rede eines jüdischen Redners. Die Polizei bat diese hinter unsere Versammlung und ließ diese bis zum Ende der Kundgebung sich auf dem Campus aufhalten. Sie sangen laut und tätigten Aussagen wie „Es wird diese Flagge (zeigt auf die palästinensische) bald nicht mehr geben“. Die Polizei schritt nicht ein.

Dies sind nur einige Fälle von vielen. Dahinter steckt ein rassistisches, islamfeindliches und antisemitisches strukturelles System. Die Intention hinter der offiziellen einseitigen Solidarität auf Instagram besteht aus deutscher Schuld. Die Schulen und Universitäten sehen Juden als homogene Gruppe an und setzen diese mit dem Staat Israel gleich, obwohl jüdische Schüler- und Studierendenschaften sich dadurch von den Schulen und Universitäten diskriminiert und gesilenced fühlen. Antizionistischen Jüd*innen wird das Jüdisch-Sein abgesprochen. Sie verlieren ihre Jobs, ihre Ausstellungen werden abgesagt und sie werden als Antisemiten bezeichnet. Jüdisches Leben wird für die eigenen antimuslimischen Überzeugungen instrumentalisiert, um zu zeigen „Wir haben aus der Geschichte gelernt.“ Während 93 Prozent der antisemitischen Gewalt von Neonazis ausgeht, wird eine kollektive Schuld auf „arabisch aussehende“ Menschen projektiert. Es werden Debatten über „importiertem Antisemitismus“ geführt und Forderungen nach „Abschiebungen im großen Stil“ laut.

Die Moscheen werden mit Hakenkreuzen beschmiert, muslimische Gräber werden mit Hakenkreuzen beschmiert, Schüler*innen werden in der Schule aufgrund ihres muslimischen Seins von anderen auf Schultoiletten verprügelt: Es gibt mindestens drei Straftaten gegen muslimische Menschen pro Tag. Die Allianz Claim erfasste im Zeitraum 9. Oktober bis 29. November fast 190 Fälle von antimuslimischer Gewalt, Straftaten wie Beleidigungen in sozialen Netzwerken nicht eingerechnet.

Einige Studierende haben Familienangehörige oder Freunde bei den Bombardierungen Gazas verloren. Die psychische Gesundheit von muslimischen und migrantischen Studierenden sollte an Orten wie der Schule nicht zusätzlich durch Rassismen geschädigt werden, sondern es sollte Anlaufstellen geben, wo sich diese Personen Beratung und psychische Unterstützung holen können.

Von Istabrak Gwîle, Aktivistin aus Berlin

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