Vor anderthalb Wochen fand in Malaga der Parteitag der Europäischen Linken statt. Heinz Bierbaum, Mitglied der Linken, wurde zum Vorsitzenden der Europäischen Linken gewählt, wir haben mit ihm gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Du bist am vergangenen Wochenende zum Präsidenten der Europäischen Linken gewählt worden, was hat dich dazu bewogen?
Heinz Bierbaum: Ursprünglich hatten wir als Partei DIE LINKE einen anderen Vorschlag. Doch der ging nicht durch – schließlich gibt es in der Europäischen Linken das Konsensprinzip. Ich wurde dann von einigen Parteien vorgeschlagen, weil man mir zutraut Brücken zu bauen und integrierend zu wirken. Ich habe daraufhin kandidiert, weil ich überzeugt bin, dass die Europäische Linke gestärkt werden muss. Sie ist nicht in der Verfassung, die angesichts der tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche notwendig ist. Ich will dazu beitragen, dass sie in Europa als politische Alternative sichtbar wird.
Die Freiheitsliebe: Die Situation der Europäischen Linken ist schwierig, wie wurde die Niederlage bei der letzten EU-Wahl diskutiert und was für Schlüsse wurden daraus gezogen?
Heinz Bierbaum: Die Europäische Linke war und ist gegenwärtig kaum in der Lage, sich als überzeugende und glaubwürdige politische Alternative zu präsentieren. Das haben die Wahlen zum Europaparlament deutlich gemacht. Zudem ist sie gespalten. Betrachtet man nicht nur die die Partei der Europäischen Linken (EL), sondern die Linke insgesamt, ist festzustellen, dass es drei unterschiedliche Strategien bei den Europawahlen gab. Die EL mit ihrer Programmatik und zwei Spitzenkandidaten, die Bewegung „Maintenant le Peuple“, initiiert insbesondere von Jean-Luc Mélenchon, und die Bewegung DiEM25 von Yanis Varoufakis. Keine von den drei Strategien hatte letztlich Erfolg. Daraus ergeben sich zwei zentrale Aufgaben für die EL: Schärfung des politischen Profils und Stärkung der Zusammenarbeit der linken Kräfte in Europa. Im Hinblick auf das politische Profil gilt es, deutlich zu machen und zu konkretisieren, worin die politische Alternative der Linken besteht. Es reicht nicht aus, die herrschende europäische Politik zu kritisieren. Im Zentrum einer linken Alternative muss die sozial-ökologische Transformation stehen. Wir müssen uns in die Debatte um einen „New Green Deal“ einmischen, dabei die ökologischen Herausforderungen mit Antworten auf die sozialen Probleme verbinden und dabei auch eine Perspektive aufzeigen, die über das kapitalistische Entwicklungsmodell hinausgeht und somit eine sozialistische Perspektive eröffnet. Ein weitere Schwerpunkt ist ganz sicherlich der Kampf gegen die Militarisierung der EU und das Eintreten für ein neues kollektives Sicherheitssystem in Abkehrung von der gefährlichen Politik der NATO. Für die Zusammenarbeit der Linken in Europa stellt das Europäische Forum, das dieses Jahr zum dritten Mal stattfand, eine gute Plattform dar. Es gibt Raum für die politische Debatte. Insbesondere die drei Versammlungen der Jugend, der Frauen und der GewerkschafterInnen stellen eine Basis für eine kontinuierliche Zusammenarbeit unterschiedlicher progressiver Kräfte in Europa dar. Dies gilt es zu verstärken.
Die Freiheitsliebe: In wenigen Ländern gab es auch Erfolge der Linken, was wurde dort anders gemacht?
Heinz Bierbaum: Die Linke ist in Europa sehr heterogen und unterschiedlich stark. Sie ist geradezu dramatisch schwach in Osteuropa und in Italien. Auf der anderen Seite ist die deutsche LINKE trotz ihres schlechten Abschneidens bei den Europawahlen ein wichtiger und durchaus auch stabiler Faktor in der Politik. Stark sind weiterhin Podemos in Spanien, zusammen mit Izquierda Unida, die linke Allianz in Finnland, ebenso die rot-grüne Allianz in Dänemark, der Linksblock in Portugal und die Partei der Arbeit (PTB) in Belgien. Die nach wie vor stärkste linke Partei in Europa ist Syriza in Griechenland, die bei den Wahlen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene sehr beachtlich abgeschnitten hat. Freilich wird ihre Regierungspolitik sehr kritisch gesehen. Interessant ist die Entwicklung der belgischen PTB, die bei den jüngsten Wahlen großen Erfolg hatte. Sie ist eine Partei, die stark auf die Arbeiterklasse orientiert, in der Bevölkerung und auch in den Betrieben präsent ist. Diese Nähe und das Aufgreifen konkreter Probleme und die Durchführung von Kampagnen wie beispielsweise bei der Rentenfrage ist sicherlich eine der wesentlichen Ursachen für ihren Erfolg.
Die Freiheitsliebe: Bei einem Blick auf Europa wirkt es so, dass die Rechte ihre Politik koordiniert und abstimmt, während Linke häufig auf die nationale Ebene fokussieren, welche Rolle kann die EL dabei spielen europaweite Kampagnen durchzusetzen und eine internationalistischere Ausrichtung durchzusetzen?
Heinz Bierbaum: In der Tat agieren linke Parteien vorwiegend national. Die europäische Dimension ist wenig ausgeprägt. Das kann man nicht zuletzt bei meiner Partei, der LINKEN, sehen. Ich sehe es als eine Aufgabe der EL an, Europa zu einem stärkeren Fokus in der Politik zu machen, schließlich wird Vieles im Hinblick auf die Arbeits- und Lebensbedingungen auf der europäischen Ebene entschieden. Notwendig ist eine stärkere Zusammenarbeit der Linken in Europa, insbesondere auch mit der Linksfraktion im Europäischen Parlament, der GUE/NGL. Wir müssen weg von der m.E. abstrakten Frage, ob die EU reformierbar ist oder nicht. Es geht um die politischen Prozesse, die in Gang zu setzen sind, um europäische Politik zu verändern. Dazu gehört auch, dass die Europäische Linke Kampagnen auf europäischen Ebene durchführt – z.B. für eine gerechteres Steuersystem oder aber in Zusammenhang mit der notwendigen sozial-ökologischen Transformation. Freilich muss dies auch von den nationalen Parteien aufgegriffen werden. Die EL wird nur dann Stärke erlangen können, wenn die europäische Dimension in den jeweiligen nationalen Parteien eine größere Rolle spielt.
Die Freiheitsliebe: Was ergibt sich aus dem jetztigen Parteitag und den vergangenen Wahlen für die Zukunft der Linken in Europa?
Heinz Bierbaum: Auf dem Kongress der EL in Málaga war man sich der durchaus kritischen Lage der EL bewusst. Die Erkenntnis, dass man nicht bei der doch eher lockeren Koordination stehen bleiben kann, sondern politischer werden und stärker als Partei agieren muss, war weit verbreitet. Freilich ist der Kongress nicht mehr als ein Ausgangspunkt, dem nun Taten folgen müssen. Das mit großer Mehrheit verabschiedete politische Dokument bildet dafür durchaus eine Plattform.
Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.
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