Kolonialismus, Befreiung und Klassenkonflikt in Afrika

Im neunzehnten Jahrhundert wurde Afrika von den europäischen Großmächten kolonisiert – durch Eroberung und durch Verträge. Unter der Kolonialherrschaft wurde eine begrenzte Infrastruktur für den Export von Rohstoffen geschaffen; außerdem wurde zur Führung der Geschäfte der kolonialen Bemühungen ein Verwaltungsapparat eingerichtet. Die Wirtschaft war um die Produktion von Rohstoffen herum organisiert, die in Europa weiterverarbeitet wurden.

Für die Gewinnung des Rohstoffs wurden nur wenige Facharbeiter und eine große Zahl von Ungelernten beschäftigt. Das Kapital kam ausschließlich aus Europa und auch die Gewinne wurden ausschließlich dorthin zurückgeschickt. Der größte Teil der Bürojobs war im öffentlichen Dienst angesiedelt. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes wurden in Schulen ausgebildet, die im kolonialen Afrika von den Europäern eingerichtet wurden.

Einige wurden zum Studium an die europäischen Hochschulen und Universitäten geschickt, um dort die Betreibung der Kolonialgeschäfte zu erlernen. Es wurden Polizisten ausgebildet, auch gab es lokale Handwerker und Händler. Bei den ungelernten Arbeitern handelte es sich um Migranten aus den ländlichen Regionen, die einige Zeit in den städtischen Zentren verbrachten, hauptsächlich jedoch in der Landwirtschaft tätig waren. Afrikanische Soldaten wurden in die Kolonialarmeen eingezogen. In den Kriegen der 1940er Jahre kämpften Soldaten aus Afrika.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter haben Gewerkschaften gegründet, um für bessere Löhne für ihre Mitglieder zu kämpfen. Die aus dem Krieg zurückgekehrten Soldaten fanden ihre Hoffnungen unter dem Kolonialsystem zertrümmert. Geschulte Beamte wollten befördert und nicht umgangen werden. Die Militanz der Gewerkschaften und das politische Bewusstsein der zurückkehrenden Soldaten waren Katalysatoren im Kampf für die Unabhängigkeit.

Unter den zurückkehrenden Soldaten befand sich auch der Algerier Ahmed Ben Bella. Wir schreiben das Jahr 1945. Der Fünfte Panafrikanische Kongress forderte das Ende der Kolonialherrschaft in Afrika und so entbrannte der Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit. Die Anführer der nationalistischen Bewegungen waren zu dieser Zeit Kwame Nkrumah von der Goldküste (heute Ghana), Jomo Kenyatta aus Kenia, Julius Nyerere aus Tanganjika (heute Tansania), Leopold Sédhar Senghor aus Senegal, Félix Houphouët-Boigny von der Elfenbeinküste, Ahmed Sékou Touré aus Guinea, Gamal Abdel Nasser aus Ägypten, Habib Bourguiba aus Tunesien, Ahmed Ben Bella aus Algerien, Patrice Lumumba aus der Demokratischen Republik Kongo.

Das durch die Kriege der 1940er Jahre erschöpfte Europa war bereit, mit den Nationalisten zu verhandeln. Wo Europa jedoch nicht zu Verhandlungen bereit war, war der Weg zur Unabhängigkeit lang und blutig. Die meisten blutigen Kriege fanden in den Siedlungsgebieten wie in Algerien in Nordafrika und hauptsächlich im südlichen Afrika wie in den portugiesischen Kolonien Mosambik und Angola statt. Hier führten Agostino Neto aus Angola und Samora Machel aus Mosambik einen revolutionären Guerillakrieg.

In Rhodesien, wo Ian Smith für die weißen Siedler eine einseitige Unabhängigkeitserklärung verkündete, konfrontierten afrikanische Nationalisten den Staat und führten Unabhängigkeitskriege, die als Rhodesische Buschkriege bekannt wurden. Sie übernahmen die von der FRELIMO von Mosambik angewandten Taktiken. In Südwestafrika organisierten die Gewerkschaften der Ovambo-Vertragsarbeiter die Opposition und begannen den Kampf gegen die Apartheid und die Rassentrennung. 1969 begann die SWAPO (South West African People’s Organization) unter der Führung von Sam Nujoma einen Unabhängigkeitskrieg gegen das südafrikanische Regime und erlangte 1990 seine Unabhängigkeit – Namibia war geboren.

Die südafrikanische Union gegen die Apartheid wurde vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und dem Panafrikanischen Kongress (PAC) angeführt. Im März 1960 tötete die Polizei 69 Menschen und verletzte 180, die gegen die verabschiedeten Gesetze im Sharpeville-Township protestierten. Die Regierung verbot daraufhin ANC und PAC. Sie verhaftete etwa 18.000 Demonstranten, darunter auch führende Vertreter der Anti-Apartheid-Bewegung. 1962 wurden Nelson Mandela und andere ANC- und PAC-Führer verhaftet und ins Exil nach Robben Island verbannt.

1968 wurde die Bewegung des Schwarzen Bewusstseins unter der Führung von Stephen Biko geboren. Bis 1972 kam es dann zu einer Welle von Streiks der schwarzen Arbeiter und zu einem raschen Wachstum der Gewerkschaften. Die Militanz der Gewerkschaften sowie internationale Wirtschaftssanktionen führten zur Freilassung von Nelson Mandela und den mit ihm inhaftierten Personen durch F. W. de Klerk im Februar 1990. 1994 wurde Südafrika ein Land, das von der schwarzen Mehrheit und anderen Südafrikanern regiert wird. Südafrika hat nun eine nicht-rassische Verfassung.

Anno 2019 gibt es 54 unabhängige afrikanische Länder – mit Ausnahme von Westsahara und Somaliland ist fast ganz Afrika frei und unabhängig.

Afrika nach der Unabhängigkeit

Von Ende 1950 bis 1994 erhielten alle afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit. Es gab eine Menge Jubel und Fanfaren, und überall wurde gefeiert. Für eine kurze Zeit gab es Erweiterungen von Grundschulen in den ländlichen Gebieten sowie von Gesundheitskliniken und anderen sozialen Diensten. Ein Teil der Beschäftigung in den öffentlichen Diensten half den Menschen in den städtischen Gebieten. Die Regierungen haben die Infrastruktur verbessert.

Doch diese Entwicklung sollte nicht lange anhalten: Das kapital- und geldarme Afrika konnte diese ambitionierten Vorhaben nicht fortsetzen. Der IWF und die Weltbank griffen ein und boten Kredite unter der Bedingung an, dass westliche Unternehmen freien Zugang zu den natürlichen Ressourcen afrikanischer Länder hätten. Die afrikanischen Regierungen wurden aufgefordert, ihre Wirtschaft zu privatisieren und sich dem internationalen Handel zu öffnen. Sie waren gezwungen, die so genannten Strukturanpassungsprogramme (SAP) zu implementieren.

Diese Kredite lösten die afrikanischen Probleme nicht – sondern verschlimmerten sie sogar noch. Sie waren die Ursache für eines der großen wirtschaftlichen Probleme, die bis heute nachwirken. Landwirte, die staatliche Subventionen erhielten, waren von diesen Zuschüssen nun abgeschnitten und konnten nicht mehr mit westlichen Bauern konkurrieren, die subventioniert wurden und die auch von Afrikanern produzierten Pflanzen exportierten. Afrikanische Bauern sind nicht konkurrenzfähig. Sie müssen den Anbau der Pflanzen, die sie früher angebaut haben, aufgeben. Sie wurden durch die Handelsliberalisierung von IWF und Weltbank in die Armut getrieben.

Die Massen in Afrika begannen, eine Verbesserung ihrer Bedingungen einzufordern, sie wollten Lohnerhöhungen und die Privilegien der Eliten beschneiden. Die Eliten in Afrika setzen sich aus den im Westen ausgebildeten Beamten sowie Militär- und Polizeibeamten der Kolonialzeit zusammen. Es gibt Kaufleute und traditionelle Führer, die Privilegien erhielten und heute zur Elite gehören. Diese Gruppen bilden eine ganz eigene, zusammenhängende Klasse.

Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten und Streit; Militärgeneräle inszenieren Staatsstreiche im Namen der Korruptionsbekämpfung und übernehmen die Macht. In Afrika gibt es viele Fälle davon. Die Eliten erfüllen die Forderungen ihres Volkes nicht, sondern unterdrücken diese mit Gewalt. Sie sind nicht bereit, ihre Privilegien aufzugeben und wollen den Reichtum nicht teilen. Dies führte im Afrika nach der Unabhängigkeit zu Klassenkonflikten. Militante Gewerkschaften protestieren und streiken. Die jüngsten Massenkämpfe haben die diktatorische Herrschaft in Algerien und im Sudan abgesetzt.

Der Sudan ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Kampf den Menschen in Afrika den Weg nach vorn weist. Der Sudan erlangte 1956 seine Unabhängigkeit von Großbritannien. 1958 stürzte General Ibrahim Abboud die gewählte Regierung. Im Süden begann der Bürgerkrieg – dies war der Beginn der separatistischen Bewegung, die als ANYA NYA-Bewegung bezeichnet wird (Südsudan ist jetzt ein unabhängiges Land). Im Oktober 1958 breitete sich im Land ein Generalstreik aus. Die Regierung von Mohamed Ahmed Mahjoup wurde am 25. Mai 1958 durch einen Militärputsch unter Führung von General Gaafar Nimeiry gestürzt.

1970 fand ein kurzzeitig erfolgreicher kommunistisch geführter Putsch statt, doch brachten antikommunistische Elemente in der Armee Nimeiry zurück an die Macht. Nimiery wurde 1985 gestürzt und durch einen Übergangs-Militärrat ersetzt. Nach einer Wahl wurde Sadiq al-Mahdi 1986 Premierminister des Sudan. Die gewählte Regierung von Sadiq al-Mahdi wurde 1989 von einem General der Armee gestürzt. Dieser General war Omar al-Bashir – der 30 Jahre lang regierte und als Diktator mit eiserner Hand regierte. Sein Regime war äußerst repressiv und führte den Völkermord in Darfur durch. Doch die Bevölkerung des Sudan konnte sein unterdrückerisches und ausbeuterisches Regime nicht akzeptieren: In einem massiven zivilen Aufstand wurde al-Bashir im April 2019 gestürzt. Die Revolution wurde von Mitgliedern der alten Garde gekapert, die die Macht übernommen und sofort Maßnahmen zur gewaltsamen Unterdrückung der Massenbewegung ergriffen haben. Der Widerstand der Bevölkerung im Sudan hält weiter an.

Der Artikel von Ali Awali erschien bei Socialist.ca und wurde von Alina Eix übersetzt.


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