US-Sanktionen gegen Nord Stream 2: Deutschland könnte in die Röhre gucken

Die kürzliche Verhängung von US-Sanktionen gegen das Projekt Nord Stream 2 bedroht die Fertigstellung der Unterwasserpipeline durch die Ostsee. Die exterritorialen Sanktionen stellen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und der EU dar. Sie symbolisieren die deutsche Abhängigkeit von den USA in der Außenwirtschaftspolitik und finden im Rahmen eines größeren geopolitischen Konflikts statt.

Am vergangenen Freitag unterzeichnete US-Präsident Donald Trump auf einer Luftwaffenbasis bei Washington ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt, welches Maßnahmen gegen das Bauprojekt Nord Stream 2 enthält. Mit der Begründung des „Schutz[es] von Europas Energiesicherheit“ sind Investoren und Firmen von den Sanktionen betroffen, die am Bau der Erdgasleitung durch die Ostsee beteiligt sind. Mit Trumps Unterschrift trat das vom Kongress bereits abgestimmte Paket unmittelbar in Kraft.

Das vom Nord Stream 2 Konsortium für die Verlegung der Rohre unter Wasser beauftragte schweizerisch-niederländische Unternehmen Allseas hat seine Arbeiten umgehend eingestellt und sein Einsatzschiff abgezogen. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Pipeline werden sich nun mindestens verzögern, da zunächst Ersatz für die Spezialschiffe gefunden werden muss. Rund 2100 Kilometer sind bereits verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch.

Die Bundesregierung bedauerte die US-Sanktionen, verzichtet aber auf Gegenaktionen, da sich die Maßnahmen nicht gegen Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen richteten.[1] Widersprüchlich dazu missbilligte Vizekanzler Olaf Scholz sie als einen „schwere[n] Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas und der eigenen Souveränität.“[2] Scharfe Kritik kam aus der russische Regierung: Die US-Sanktionen gegen das Pipelineprojekt stellten einen nicht akzeptablem Vorstoß gegen internationales Recht dar. Der russische Präsident Wladimir Putin hat Gegenmaßnahmen angekündigt.[3]

Die Pipeline bildet die Erweiterung der Ende 2011 eingeweihten Erdgasleitung Nord Stream um zwei weitere Stränge und trägt damit zur Verdoppelung der Transportkapazität russischen Erdgases direkt nach Deutschland bei. Das Projekt stand seit jeher unter Kritik. Zum einen befürchten die Ukraine, Polen und die baltischen Staaten ihren Bedeutungsverlust als Transitländer sowie die Verschlechterung ihrer Versorgungssicherheit mit Energie. Letzteres ist angesichts inzwischen bestehender weitreichender Rückleitungsmöglichkeiten („reverse flow“) ein nur schwierig haltbares Argument.

Besonders in Bezug auf Ukraine wurde seitens der USA, EU und Deutschlands immer wieder betont wie wichtig der Erhalt als Erdgas-Transitland sei, nicht zuletzt wegen der Einnahmen von knapp 3 Milliarden US-Dollar für das verarmte Land. Diese Sichtweise ist unaufrichtig angesichts dessen, dass vor allem das EU-Assoziierungsabkommen von 2014, das Teil einer kreditbedingten IWF-Auflage war, dazu geführt hat, das Land zu deindustrialisieren, durch Sozialabbau zu verarmen und öffentliche Güter zu privatisieren. Fraglich ist ferner, ob die Transiteinnahmen tatsächlich in irgendeiner Form bei der Bevölkerung ankommen oder vielmehr durch die weitgreifende Korruption in Politik und Wirtschaft in den Taschen verschiedener Oligarchen verschwinden.

Um die Umsetzung von Nord Stream 2 zu sichern, unterzeichneten die Russische Föderation – nicht zuletzt auf Drängen der Bundesregierung – am letzten Freitag ein Abkommen mit der Ukraine, welches den Erdgastransit verlängert. Doch für das Nord Stream 2 Projekt hat das nichts genützt, am gleichen Tage erließ die US-Regierung die Sanktionsmaßnahmen. Der politische Vorbehalt der USA und ihre Sorgen um Europas Energiesicherheit entpuppen sich nun endgültig als Vorwand, hinter dem harte energiepolitische Interessen stehen.

Wie die US-Regierung bereits in einem Gesetz vom August 2017 (Sec. 257 H.R. 3346) festhält, begreift sie die Möglichkeit des Energieexports als außenpolitisches Instrument, um die Rolle der USA in der internationalen Energiepolitik zu stärken. Im Dokument wird festgestellt, dass der Export von US-amerikanischen Energierohstoffen zu priorisieren ist, um US-Verbündeten und Partnern zu helfen und die US-Außenpolitik zu stärken. Teil dieser Strategie ist es, den EUropäischen Markt für in den USA aus speziellen Fracking-Methoden gewonnenes Flüssiggas (LNG) zu öffnen und russisches Erdgas als Konkurrenzware zu verdrängen. Dafür wurden und werden derzeit an mehreren Standorten in der EU milliardenschwere Regasifizierungsterminals für LNG gebaut und geplant. Ein vor der litauischen Küste befindliches Terminal trägt den symbolträchtigen Namen „Independence“ und gilt als Pilotprojekt für US-LNG-Importe nach Osteuropa.

In klimapolitischer Sicht kommt Erdgas die Rolle als Brückentechnologie bis zum vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energien zu. In diesem Sinne sind sowohl die Pipeline als auch die LNG Tanker und Terminals, die langfristig auf etwa 50 Jahre ausgerichtet sind, abzulehnen. Mittelfristig ist aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht dennoch das deutlich günstigere konventionelle russische Erdgas dem umwelt- und gesundheitsschädlichen sowie energieaufwendigerem US-Fracking-Gas vorzuziehen. Die Sanktionen reihen sich politisch in die größere geopolitische Auseinandersetzung ein, die westliche Staaten gegen Russland führen. Die Strategie der NATO unter Führung der USA, Russland militärisch einzukreisen, soll hier energiepolitisch flankiert werden.


[1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/ostseepipeline-bundesregierung-protestiert-gegen-nord-stream-2-sanktionen-der-usa/25360188.html?ticket=ST-40998737-AhU30KnbvcKJSdkkxSU3-ap2

[2] https://www.zeit.de/news/2019-12/21/scholz-kritisiert-us-sanktionen-gegen-nord-stream-2-als-schweren-eingriff

[3] https://de.euronews.com/2019/12/23/us-sanktionen-gegen-nord-stream-2-putin-kundigt-gegenma-nahmen-an


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