Warum das posten einer YPG-Flagge nicht strafbar ist

Sie stellten sich den Terroristen des so selbsternannten „Islamischen Staates“ (Daesh) mutig entgegen und retteten zehntausende Menschen vor dem Tod. Viele Menschen sind den kurdischen Milizen in Syrien, der YPG, dafür dankbar. Ein typisches Solidaritätszeichen besteht im Zeigen der YPG-Fahne, sei es auf Versammlungen oder im Internet. Dies führt immer wieder zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaften mit der Begründung, die YPG stehe der (verbotenen) PKK nahe. Nun gibt es gute Nachrichten: Das Amtsgericht Aachen hat den Erlass eines Strafbefehls abgelehnt, weil es keine Strafbarkeit erkennen konnte.

Bundesregierung sagt selbst: YPG Fahne nicht verboten

In dem Sachverhalt, der dem Amtsgericht Aachen vorlag, hatte der Angeschuldigte eine YPG-Flagge bei Facebook hochgeladen. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen § 20 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 1, Nr. 2 VereinsG eingeleitet, dem zeigen des Kennzeichens eines verbotenen Vereins bzw. dessen Ersatzorganisation. Das Amtsgericht Aachen lehnte den Erlass eines Strafbefehls aus rechtlichen Gründen ab, weil kein hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO) bestehe. Ein hinreichende Tatverdacht wäre dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als der Freispruch. Weil aber die YPG-Flagge kein Kennzeichen eines verbotenen Vereins sei, scheide ein Strafbefehl aus. Das Gericht bezog sich in seiner Argumentation auch auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 21.04.2017. Da hatte die Bundesregierung klargestellt: „Die Fahnen der (…) YPG und YPJ in Syrien sind nicht schlechthin verboten.“ (BT-Drucksache 18/12025). Weiter führt das Amtsgericht aus, dass für eine Strafbarkeit zumindest ein kontextualer Bezug zur PKK da sein müsse; wer also bloß aus Solidarität mit der YPG deren Fahne zeige, mache sich nicht strafbar.

Am 11.12.2017 hatte die Polizei in München die Wohnung des politischen Aktivisten und Wissenschaftler Kerem Schamberger durchsucht und Laptops und USB-Sticks beschlagnahmt, weil er bei Facebook eine YPG-Flagge postete. Die Entscheidung des Amtsgerichts Aachen zeigt, auf welch wackligen Füßen solche Ermittlungen stehen. Ohne klare gesetzliche Grundlage werden Menschen kriminalisiert. Dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 GG, der letztlich verlangt, dass Tragweite und Anwendungsbereich des Tatbestandes zu erkennen sein müssen, wird das Vorgehen der Staatsanwaltschaften nicht gerecht.

Die Bundesregierung stellte selbst fest: „Derzeit geht von der YPG und YPJ keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus“. Gleichwohl sollen YPG/YPJ- Symbole dann verboten werden, wenn sie sich die PKK „ersatzweise bedient“. Wie diese verfolgt und festgestellt werden soll, ist völlig unklar. Hier wird auf die Gesinnung desjenigen abgestellt, der eine YPG Fahne zeigt, also auf das, was er „denkt“, wenn er sie zeigt. Ein solches Gesinnungsstrafrecht war zwar in der Nazi-Zeit gängig, hat aber in einem Rechtsstaat nichts zu suchen.

Sinn(widrigkeit) und Zweck(losigkeit) des Flaggenverbots als solches…

Häufig wird § 86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) von Staatsanwaltschaften bemüht, wenn z. B. die YPG oder PKK Fahne gezeigt wird. Dieser Straftatbestand richtete sich ursprünglich lediglich gegen Gebrauch nationalsozialistischer Kennzeichen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, StGB § 86a Rn. 1). Das geschützte Rechtsgut ist die verfassungsgemäße Ordnung. Darunter versteht die Rechtsprechung den Schutz des politischen Friedens in der Bundesrepublik. Inwieweit der politische Frieden hierzulande gestört wird, wenn Menschen die YPG-Fahne zeigen, darf mit Recht bezweifelt werden. Im Übrigen ist es unverständlich, wenn unter § 86 a StGB auch etliche Symbole, die nichts mit der Naziherrschaft zu tun haben, fallen. Denn durch die gleichrangige Stellung von Nazi-Symbolen und bspw. PKK-Symbolen wird der ursprüngliche Sinn und Zweck der Norm ausgehöhlt.

Darüber hinaus wird auch § 20 VereinsG in den Flaggen-Fällen von den Staatsanwaltschaften bemüht. Danach sind Zuwiderhandlungen gegen Vereinsverbote unter Strafe gestellt. Liegt also ein staatliches Verbot eines Vereins vor und man missachtet dieses, macht man sich strafbar. Die einzelnen Tatbestände des § 20 VereinsG werden deshalb zu den sog. „Ungehorsamsdelikten“ gezählt. (Nomos-BR/Groh VereinsG/Kathrin Groh VereinsG § 20 Rn. 1-4). Diese sind verfassungsrechtlich bedenklich. Denn verbietet der Staat einen Verein, so können seine Mitglieder und Symphatisanten ab sofort keinerlei Aktivitäten mehr vornehmen; der Verein wird ausgelöscht, auch wenn noch gar keine gerichtliche Klärung der Verbotsverfügung ergangen ist. Der grundgesetzlichen Vereinigungsfreiheit werden hier enge Grenzen gesetzt (so auch Schmidt, NJW 1965, 242, 248 f.). Im Übrigen sind auch die Verbotskompetenzen des Bundesinnenministers als zuständige Behörde gem. § 3 VereinsG ausufernd und der demokratischen Kontrolle weitestgehend entzogen.

Kriminalisierung und Stigmatisierung der Kurden

Das Vorgehen gegen YPG-Sympathisanten reiht sich ein in ein repressives Vorgehen gegen Kurden in Deutschland. Viele Kurden haben hierzulande Erfahrungen mit Kriminalisierung ihrer politischen Ansichten und Diskriminierung wegen ihrer Herkunft. Mit dem PKK-Verbot 1993 werden viele Kurden ins politische Abstellgleis gedrängt. Aufgrund ausländerrechtlicher Sanktionen wie der erschwerten Einbürgerung, dem Asylwiderruf, Abschiebungen und dem fehlenden Zugang in den öffentlichen Dienst, trauen sich viele nicht bzw. können nicht am politischen Leben teilzunehmen. Insbesondere ist das Betätigungsfeld der Kurden massiv durch § 129 a StGB als Gesinnungsparagrafen überlagert. § 129 a StGB gehört endlich abgeschafft. Die Methoden, die Deutschland bei der angeblichen Strafverfolgung anwendet, reichen bis in das alltägliche Leben der Kurden. Sie sind Denunziationen, Beobachtungen durch den Verfassungsschutz und anderen Sicherheitsbehörden ausgesetzt.

Die Linke solidarisiert sich mit den Kurden und fordert die Einstellung solcher Repressionen seitens Deutschlands. Als ersten Schritt sollte die Bundesregierung unmissverständlich klarstellen, dass das Zeigen der YPG Fahne keine Straftat sein soll. Im Übrigen gehört auch das PKK Verbot weg. Es stellt sehr viele Kurdinnen und Kurden unter Generalverdacht und bringt praktisch nichts, schon gar nicht mehr Sicherheit.

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