Was passiert eigentlich in Kurdistan?

Die aktuelle Lage in Kurdistan zu analysieren, ist nie eine einfache Aufgabe. Denn um zu verstehen, was in dieser Region vor sich geht, muss man eigentlich auch einen Blick auf die politischen Entwicklungen in der Türkei, dem Irak, dem Iran und in Syrien werfen. Auf diese vier Länder sind nämlich die Siedlungsgebiete der Kurden seit knapp 100 Jahren aufgeteilt. Und selbst damit ist es nicht getan. Denn die Situation in Kurdistan betrifft auch die bundesdeutsche Politik auf direkte Weise.

Nicht nur weil in Deutschland schätzungsweise rund 1 Million Kurdinnen und Kurden leben, sondern auch weil die deutsche Außen- und Innenpolitik in vielfältiger Weise in die verschiedenen Konflikten in den kurdischen Herkunftsregionen involviert ist. So wird der Bundestag heute (12. Dez) beispielsweise über die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats zur Ausbildung der Peshmerga-Einheiten in Kurdistan-Irak abstimmen, um nur ein aktuelles Beispiel zu benennen. Ich werde mich in diesem Artikel aus Platzgründen auf die Situation der Kurden in der Türkei und in Syrien beschränken, sowie die problematische Haltung der Bundesregierung benennen.

Doch blicken wir zunächst auf die Entwicklungen in den kurdischen Gebieten der Türkei. Noch im Jahr 2015 hofften alle, dass ein friedlicher Weg zur Lösung des 30jährigen Konflikts zwischen der PKK und dem türkischen Staat gefunden werden könnte. Denn auf der Gefängnisinsel Imrali, auf welcher der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan seit 1999 inhaftiert ist, wurden Gespräche zwischen kurdischer Seite und Vertretern des türkischen Staates über eine Beendigung des bewaffneten Kampfes und die politische Lage geführt. Davon ist heute leider nicht mehr viel übrig. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die türkische Regierung parallel zu den Friedensgesprächen ein „Vernichtungskonzept“ (“Çöktürme planı”) gegen kurdische Organisationen vorbereitete. Gleichzeitig hoffte die Regierung Erdoğan darauf, mit den Gesprächen ihren Stimmanteil in den kurdischen Siedlungsgebieten zu erhöhen. Als bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 nicht eintrat, wurden die Gespräche schlichtweg abgebrochen und das sog. „Vernichtungskonzept“ in die Wege geleitet. So waren es die politischen Vertreter der Kurden, die am stärksten von den Konsequenzen des Ausnahmezustands infolge des gescheiterten Putschversuchs betroffen waren, obwohl sie mit diesem absolut nichts zu tun hatten. Im kurdischen Südosten der Türkei wurden nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine verboten, die gewählten Bürgermeister abgesetzt und Abgeordnete, die aus der Region in das Parlament entsendet wurden, hinter Gittern gesteckt. Mit „Kollektivbestrafungen“, so der Wortgebrauch von Amnesty International, ging zwischen 2015 und 2016 die türkische Armee vielerorts gegen die kurdische Zivilbevölkerung, nachdem es an einigen städtischen Gebieten zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Milizen und türkischen Streitkräften gekommen war. Die Folge dessen sind weitgehend zerstörte Städte in Orten wie Cizre, Diyarbakir-Sur oder Şırnak und hunderte Zivilisten, die ihr Leben lassen mussten.

Die AKP-Regierung bekämpft Kurden auch außerhalb Syriens

Heute sehen wir deutlich, dass die AKP-Regierung nach der weitgehenden Ausschaltung der pro-kurdischen Opposition aggressiv gegen andere oppositionelle Gruppen und Parteien vorgeht, wie die Republikanische Volkspartei CHP. Einen Ausweg aus dieser kann es eigentlich nur durch ein Zusammenkommen der demokratischen Opposition einschließlich der CHP in der Türkei kommen. Dafür müsste die CHP allerdings auch eine klare Haltung auf Seiten der HDP und ihrer beiden inhaftierten Co-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş einnehmen. Andernfalls könnten dem CHP-Vorsitzenden Kılıçdaroğlu und Co. bald ein ähnliches Schicksal erleiden und zu weiteren Opfern auf dem Weg zur Alleinmacht des Recep Tayyip Erdoğan werden.

Der Kampf der AKP-Regierung gegen die politischen Bestrebungen der Kurden beschränkt sich längst nicht mehr auf die Türkei. Dieser Tage scheint es so, als sei die einzige Maxime der türkischen Syrienpolitik, die Errungenschaften der dortigen Kurden zunichte zu machen. Nichts ist mehr zu davon zu hören, dass die Türkei den syrischen Präsidenten Assad mit allen Mitteln entthronen wolle. Stattdessen versucht die AKP über Russland das Baath-Regime für einen gemeinsamen Kampf gegen die nordsyrischen Selbstverwaltungsgebiete einzuspannen. Doch trotz der Bedrohungen durch die Türkei finden in Nordsyrien auch bemerkenswerte Entwicklungen statt. Damit meine ich nicht bloß die militärischen Erfolge gegen den IS wie in Rakka. Viel wichtiger ist, was in den Orten nach der Befreiung vom IS geschieht. Wir beobachten nämlich, dass in der Demokratischen Föderation Nordsyrien, so der offizielle Name der Selbstverwaltungsgebiete, basisdemokratische Verwaltungsstrukturen, die über religiöse und ethnische Grenzen hinausgehen, aufgebaut werden. Nach bereits erfolgten Kommunalwahlen fanden jüngst auch erfolgreich Regionalwahlen in der Föderation Nordsyrien statt. Vor dem Hintergrund, dass der Bürgerkrieg in Nordsyrien noch kein Ende gefunden hat, sind das äußerst positive Momente, die zumindest ein wenig Hoffnung auf eine positive Zukunft in der Region geben.

Schwierig hingegen ist der Umgang der Bundesregierung mit der Situation der Kurden. Inmitten der diplomatischen Krise zwischen der Türkei und Deutschland erklärte Außenminister Gabriel, dass die Türkei bei ihrer Kritik mit der PKK in Deutschland Recht habe. Dieser fast schon beiläufig geäußerte Satz hat massive Konsequenzen für hier lebende Kurdinnen und Kurden. Kurdische Verbände wie NAV-DEM beklagen, dass mit den gegenwärtigen Auflagen bei Demonstrationen faktisch das Recht auf Versammlungsfreiheit ausgehöhlt wird. Selbst das Zeigen der Fahnen von YPG und YPJ (Volks- und Frauenverteidigungseinheiten), als denjenigen Kräften, die maßgeblich in Syrien den IS in die Knie gezwungen haben, gilt de facto als verboten. Während also Organisationen wie DITIB, die praktisch als verlängerter Arm der türkische Regierung in Deutschland agieren, weiterhin mit der Unterstützung staatlicher Stellen rechnen können, sind kurdische Organisationen in Deutschland einer umfassenden Kriminalisierungspolitik ausgesetzt.

Es wirkt fast so, als wolle die Bundesregierung mit diesen Maßnahmen auf Lasten der Kurden die Wogen mit der Türkei glätten. Das ist selbstverständlich nicht hinnehmbar, weswegen wir uns gemeinsam mit den kurdischen Verbänden gegen diese Verbotspolitik der Bundesregierung stellen sollten.

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18 Antworten

    1. Es wird über Frieden gesprochen und doch wird Krieg und Haß geschürt.
      Mit all dem hetzen das durch diverse Medien geführt werden, wird genau das erreicht was man nehmlich möchte- „HAß“. Ich kann mir schwer vorstellen, wenn in Deutschland oder wo anderst in Europa, dass Land teilen möchte, es einfach so hingenommen wird.
      Interresant, solange die Türkei das machte was der Westen wollte, war sie angenehm und willkommen. Jetz hingegen ist sie unangenehm geworden. Warum wohl? Allein die Flüchtlingspolitik, die Türkei hat über 3 Millionen an Flüchtlinge aufgenommen und soll, damit der Westen ruhe hat, die Grenzen abdichten und man macht ihnen dann noch vorschriften, wie dies zu machen sei. Hört endlich auf Kriege zu schüren, dann würde viel an Problemen gar nicht aufkommen. Man redet immer nur was alles negative in der Türkei passiert. Aber wenn negatives auf die Türkei angewendet wird, schmunzelt man ohne viel darüber zu berichten. Passiert was in Europa dann wird wochenlang darüber geschrieben und und und…!
      Frage, sind Türken keine Menschen! Vergessen wir nicht es gibt nur eine Welt die noch so schön ist, wir alle haben das vorrecht darauf leben zu dürfen und hoffentlich, dass dies noch lange so sein wird.
      Darum ist es besser sich zu fragen warum 99% der Erdbevölkerung für den rest von 1% sich abschufftet und nicht einmal weiß wie sie den Lebensunterhalt erarbeiten können. Darum ein Appell an die Medien, hört auf zu hetzen und alles was da hinein fällt, berichtet positives was die Menschheit mut macht und Freude bereitet.

  1. Sehr guter Beitrag . Alle die behaupten wo liegt kurdistan und kurdistan gibt es nicht … dann schau mal in den von türkischen besetzten Gebieten kurdistan lebt . Und die Versuche die Kurden zu spalten so wie in Süd- und Nord Korea wird nicht klappen … grosskurdistan ist in Annmarsch. Nieder mit der türkische faschistische Regierung . Nieder mit dem staatsterror der Türkei . Die Zeit wird euch faschisten schon zeigen wo kurdistan ist …

  2. Das ist ja geil…die nav dem, Vertreter der PKK in Deutschland soll erlaubt werden, und die ditip als größter Vertreter der islam Religionsgemeinsschaft verboten. Ich lach mich tot ?

    Heult doch .

    Die kurdische Gemeinschaft sind unsere Brüder
    , kürt ve türk kardes dir bunlari ayiran karles dir

    Heißt wie „Kurden sind Brüder von Türken, die jenigen die es verleugnen verräter“!

    Hört auf den Hass weiter zu schüren ! Damit hilft ihr nur der PKK weitere Kämpfer zu rekrutieren, also unterstützt ihr somit terror!

  3. Ich wünsche mir,mir das endlich friedlich eine Lösung für kurdischer Volks gebe diese Menschen haben das Recht auf eigene Land und Freiheit jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung Krieg ist grausam warum müssen soll viele Menschen sterben sehr traurig mann hat keine recht die Menschen was wegnehmen was den nicht gehört.

  4. Kurdistan ist kein Staat, deswegen findest du es auch nicht auf eine Karte die von Menschenhand künstlich geschaffen wurde. Kurdistan ist ein natürlich entstandenes Gebiet welches das Siedlungsgebiet und die Wurzeln des kurdischen Vokes bezeichnet. Es bedeutet auch das Land der Kurden, wobei man hier zwischen Land und Staat unterscheiden muss.
    Jalal Talabani der kürzlich verstorben ist betonte mal in einem Interview das nicht er Kurdistan geschaffen hat sondern Gott. Also sollte man es auch respektieren.
    Selbst die Osmanen nannten das Gebiet Kurdistan aber in der Türkei sind die Menschen heute extrem manipuliert.

  5. Hallo,
    Warum sprechen sie Kurden immer von Folter und Unterdrückung, wobei sie es sind, die alle demokratischen Werte mit Füßen treten?
    Irgendwie glaubt euch Niemand.

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