Alle Muslime werden unter Generalverdacht gestellt - Quelle: Karsten

Verabschieden sich die Grünen vom Antirassismus?

Grünen Chef Cem Özdemir verteidigt das Vorgehen der Kölner Polizei zur Silvesternacht und kritisiert seine Mitvorsitzende Simone Peter, die die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes in Frage stellte. Verabschieden sich die Grünen vom Antirassismus? Ein Kommentar.

Wenn Menschen rein nach ihren Äußerlichkeiten bewertet werden, nicht nach ihrer Persönlichkeit, ihrer Geschichte, Bildungsgrad oder sonstigen Werten, dann ist das Diskriminierung, ja sogar Rassismus. Wenn aus der Zuschreibung „dunkle Haut“ oder anderen Phänotypischen Erscheinungsformen Gründe werden, Menschen als „potentielle Intensivtäter“ abzutun, dann hat dies nichts mehr mit einer legitimer und präventiver Polizeiarbeit zu tun. Aber genau das ist laut Zeugenaussagen in der Silvesternacht in Köln passiert. „Während ein multikultureller Chor dort den Charity-Klassiker »We are the World« sang, standen Hunderte junge Männer vor dem Hauptbahnhof in einem Polizeikessel. Ein Polizeisprecher erklärte den anwesenden Journalisten, es handele sich um eine »Problemgruppe«, die man vor dem Hauptbahnhof eingeschlossen habe,“ schreibt Sebastian Weiermann für das neue Deutschland, der selbst zu Silvester in Köln war.

Racial Profiling ist Rassismus

Dass der Job, für die Sicherheit der Menschen in Köln zu sorgen für die Polizei eine schwierige Aufgabe werden würde, war klar. Doch es war nicht vorauszuahnen, dass sie in einem solchen Desaster enden würde. Laut Wiermann mussten Männer mit dunklerem Hauttyp der rechten Hauptausgang nehmen, während alle anderen die restlichen Türen nutzen konnten.

Wenn eine solche Szene in den USA, Russland oder der Türkei passiert wäre, dann wäre die Öffentlichkeit in Deutschland erbost. Man stelle sich vor, in der Türkei müssten alle Menschen mit einem Nord- oder Westeuropäischem Phänotyp solche Kontrollen über sich ergehen lassen. Es wäre absurd und der Aufschrei riesig. Man kann auch in andere Staaten schauen, was passiert, wenn man dieser Logik folgt. Das beste Beispiel ist die USA: Latein- und Afro-AmerikanerInnen werden deutlich häufiger durch die Polizei kontrolliert, inhaftiert und, ja, erschossen. Der Vergleich mag drastisch wirken, er zeigt jedoch wohin der Irrweg des racial Profiling hinführt.

Das es auch anders geht, hat die Polizei in Essen gezeigt. Dort wurden keine Massenkontrollen durchgeführt, obwohl am HBF und der Stadt zweitweise Gruppengrößen von mehr als 500 – 600 Personen zusammen kamen. Stattdessen zeigte die Polizei einfach Präsenz an den Orten, wo viele Menschen zusammen kamen und griff dort ein, wo es zu Straftaten kam. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nach offiziellen Angaben kam es zu keinen sexuellen Übergriffen.

Übrigens fand der Focus heraus, dass die Polizei in NRW wohl regelmäßig Racial Profiling anwendet. In einer Vorlage des LKA NRW für die Streifenpolizei heißt es in einem der Rheinischen Post vorliegendem Version: „Die Staatsnagehörigen der MOTIV-Tatverdächtigen sind vorwiegend rumänisch, deutsch (häufig mit Migrationshintergrund), sowie in steigender Anzahl marokkanisch […].“ Wie die Polizei sich da wohl wieder rausreden möchte? Und wie soll man es sonst nennen, wenn Leute Aufgrund eines, für sie nicht änderbaren Stigmata staatlichen Repressionen ausgesetzt sind, als institutionellen Rassismus?

Cem Özdemir und die Grünen

Cem Özdemir verschiebt die Grünen mit seinen Aussagen wieder ein gutes Stück nach rechts. In dem er die Kölner Praxis verteidigt und damit seiner Parteivorsitzenden Simone Peter in die Parade fährt, zeigt er, dass die Grünen eine Anschlussfähigeit für die Law & Order Politik der Unionsparteien haben.

Dabei ist er jedoch nicht alleine. In den sozialen Medien verteidigen etliche SympathisantInnen und Mitglieder der Grünen das Vorgehen der Polizei. Es „sei ja nichts passiert“ ist eine der saloppen Formulierungen. Eine neue Dimension des Wegschauens ist erreicht, wenn Menschen ignorieren, dass hunderte Personen lediglich aufgrund einer vermeintlichen Herkunft Repressionen ausgesetzt waren.

In die gleiche Kerbe wie Özdemir schlägt auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion in NRW, Verena Schäffer. Der „Bild“ gegenüber erklärte sie: „Vor dem Hintergrund der schrecklichen Ereignisse im letzten Jahr waren sowohl die hohe Polizeipräsenz als auch die verstärkten Kontrollen richtig. Den Polizistinnen und Polizisten gebührt unser Dank für ihren Einsatz in der Silvesternacht.“

Die Positionen und Argumente einiger Grüner zeigen nicht nur einen möglichen und dramatischen Richtungswechsel der Grünen, sondern auch, wie weit sich der öffentliche Diskurs in Deutschland bereits nach rechts verschoben hat.

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5 Antworten

  1. Wir sollten doch „die Kirche im Dorf lassen“, Herr Kerekes. In Deutschland wird nicht jeder Nordafrikaner immer wieder einfach so Kontrollen unterzogen. In diesem Fall begrüße ich ausdrücklich das Vorgehen der Polizei; denn gerade aus einer solchen Personengruppe heraus fanden im vergangenen Jahr die Übergriffe statt. Ich fände es wichtig, herauszufinden, wie es zu dem massenhaften Auftauchen der jungen Männer aus Afrika kam. Das riecht für mich nach Verabredung, den Zweck will ich mir nicht vorstellen.
    Es handelte sich um eine vorsorgliche Maßnahme der Polizei, die mit Rassismus nichts zu tun hat.

    Im übrigen werden gelegentlich auch vor Fußballspielen friedliche mit der Bahn anreisende Fans wie „potentielle Intensivtäter“ kontrolliert, nur weil auch Hooligans mit der Bahn anreisten. Auch hier reine Vorsorge, und niemand ist empört.

    1. Sehr geehrter Herr Quatorze,

      man kann Fußballfans nicht mit Äußerlichkeiten oder fixen Zuschreibungen vergleichen. Der Fußballfan zieht sein Trikot aus und ist als solcher nicht mehr zu erkennen. Das gleiche gilt für viele andere Bereiche auch. Aber die Zuschreibung „Der sieht irgendwie nordafrikanisch/arabisch“ aus lässt sich nicht „ausziehen“. Diese Personen sind immer und überall möglichen Stigmata und Rassismus ausgesetzt.

      Grüße

  2. Herr Özdemir hat das große Pech, dass er außer Grüner Bundesvorsitzender auch noch gebürtiger Türke ist. Wenn man wie er eine neue Heimat gefunden hat, fühlt man sich offenbar auch dazu verpflichtet sich gegenüber seiner neuen Heimat als besonders anpassungsfähig zu zeigen. Dass er sich dabei mit seinen Sprüchen ins rechte Abseits stellt, zeigt nur, dass sein Demokratieverständnis noch große Lücken aufweist. Jeder weiß, dass hierzulande inzwischen nicht nur unter Polizisten rechte Gesinnungen üblich sind, aber keiner der Verantwortlichen bei Polizei und Politik ist auch ehrlich genug, das offen auszusprechen. Vor wem haben die eigentlich Angst – vor den Rechten oder vor sich selbst? Feine Demokraten…..

  3. Ich empfinde das Handeln der Polizei eher als gesunden Pragmatismus an und nicht als Rassismus.
    Wäre Silvester 2015/2016 in Köln friedlich verlaufen würde ich Ihnen Recht geben, aber es ist nun mal Fakt, dass die letztjährigen Straftaten vorwiegend von jungen Nordafrikanern begangen worden sind und nicht z.B. von Chinesen.

    Das sich die Polizei dann auf diese Gruppe konzentriert ist doch nur logisch und auch sinnvoll. Und ehrlich gesagt sind mir 200 „unschuldig“ eingekesselte Nordafrikaner lieber als nur eine vergewaltigte Frau, die ihre ganzes Leben darunter leidet während die 200 Afrikaner das nach einer Woche wahrscheinlich wieder vergessen haben.

    Hier dann gleich die Rassistenkeule zu schwingen empfinde ich ehrlich gesagt als etwas lächerlich und völlig überzogen und auch ein Hohn an die vielen Opfer im letzten Jahr.

    Nicht vergessen sollte man auch, dass es die Versäumnisse der Politik sind, die eine einfacherer Abschiebung echter „Nafris“ verhindern. Gerade die Grünen sollten sich da mal schön bedeckt halten (Stichwort „Sichere Herkunftsländer“!) anstatt jetzt auf die Polizei einzuhaken die nur das ausbaden darf was die (ua. auch „grüne“) Politik verbockt hat.

  4. kerekes wie immer mit getrübter Wahrnehmung. es ging nicht um dunkle haut, sondern um jene gruppen aus denen heraus letztes jahr die zahlreichen übergriffe stattfanden und die wieder in verabredeten großgruppen a 30 mann vordringen wollten, 2.000 insgesamt. und da ist nafri (mehrzahl nafris) als Kürzung für nordafrikaner auch nicht unbedingt rassistisch. die Amerikaner haben sich nie beschwert wenn sie kurz amis genannt wurden. vermutlich hat die Polizei martialisch überzogen, aber wenn sie nur halb so präsent gewesen wäre und das dann vielleicht nicht gereicht hätte um Ausschreitungen wie letztes jahr zu verhindern, hätten andere sie dafür kritisiert, die Frauen wieder nicht geschützt zu haben. in solchen streßsituationen für alle kann man es nie nach allen seiten hin richtig machen. und ich habe noch nie die Polizei verteidigt, aber der Rassismus-begriff wird langsam inflationär gebraucht, nicht zuletzt von euch, für alle islamkritiker. und die grünen wären deswegen genau andersherum zu kritisieren. das Problem sind die nafris und ihr verhalten. das möchtet ihr hinwegschreiben und werdet wohl diesen beitrag nicht freischalten.

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