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Trotz alledem optimistisch bleiben

Die Demos zum Internationalen Frauentag am 8. März 2020 waren die letzten politischen Großveranstaltungen ohne Maske, ohne Abstand. Gefühlt ist das eine Ewigkeit her, nicht erst ein Jahr. Das gesellschaftliche Leben ist seitdem auf den Kopf gestellt. Vieles, was als normal, selbstverständlich und unveränderlich wahrgenommen wurde, hat sich von heute auf morgen verändert.

Die Frauentagsaktionen werden dieses Jahr andere Formen haben. Die Inhalte und Forderungen, die um den 8. März auf die Straße und in die sozialen Netzwerke getragen werden, sind aber ähnlich geblieben. Nur – durch Corona haben sie eine andere Dringlichkeit bekommen: Es geht um alles, es geht um das Leben und darum, dass es für alle sicher, würdevoll und gleichberechtigt sein soll.

Nun ist Optimismus nicht gerade die Stimmung, die das vorherrschende Alltagsempfinden am besten beschreibt. Eine feministische Perspektive bietet hier – trotz der Rückschritte oder sogar des Backlashs, den die Pandemie und ihre Bekämpfung unbestritten mit sich bringen, trotz aller Zweifel und trotz verbreitetem Pessimismus – dennoch ein wenig Abhilfe. Denn es gibt sie, die Erfolge, die Veränderungen in gesellschaftlichen Debatten und Kämpfen. Drei Beispiele sind hier exemplarisch. Sie zeigen auch, wie viel DIE LINKE zu gewinnen hat, wenn eigene Themen gesetzt werden, die Verbindung zu Bewegungen gesucht wird und Erfolg nicht vor allem in Wahlumfragen gemessen wird.

Die Thematisierung von Gewalt gegen Frauen wurde etliche Jahre Betroffenen, ihren Anwält:innen (im wörtlichen, aber auch übertragenen Sinn) und unzureichend finanzierten Initiativen überlassen. Mit #metoo, mit #KeineMehr, mit immer mehr Teilnehmer:innen an den Demos zum Tag gegen Gewalt an Frauen, durch die jahrelange Kärrnerarbeit vieler, ändert sich das langsam.

Der SPIEGEL hat jüngst eine groß angelegte Recherche als Titelthema veröffentlicht. Es gibt journalistische als auch zivilgesellschaftliche Datenerhebungen und -sammlungen. Der enorme Handlungsbedarf wird langsam in der Breite anerkannt. DIE LINKE kann hier eine wichtige Rolle haben, in dem sie zuspitzt und die hinter der Gewalt liegenden Strukturen und Geschlechterverhältnisse sichtbar macht. Mit der Thematisierung von Femiziden – „Morden an Frauen, weil sie Frauen sind“ (oder von den Tätern als weiblich wahrgenommen werden) – ist das ein Stück weit gelungen.

Seit 2018, seit die Ärztin Kristina Hänel wegen des Verstoßes gegen den § 219a Strafgesetzbuch vor Gericht steht, weil sie als Ärztin über eine in ihrer Praxis angebotene medizinische Leistung – Schwangerschaftsabbrüche – informiert, hat sich die Frage, wie Abtreibungen in Deutschland geregelt sind, repolitisiert. Die Auseinandersetzung der zweiten Welle der Frauenbewegungen um den § 218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ist wieder neu auf die Agenda getreten.

Die Forderung, diesen – die Würde von vor allem Frauen verletzenden – Paragraphen zu streichen und sie endlich selbst entscheiden zu lassen, ob sie schwanger sein wollen oder nicht, ist keine randständige mehr. Diese Verschiebungen im Diskurs sind kein alleiniger Erfolg der LINKEN. Aber sie sind ein Erfolg gesellschaftlicher linker und feministischer Bemühungen, von denen wir ein anerkannter Teil sind. Gleichzeitig sind die Debatten weiter als zu Zeiten des Stern-Titels „Wir haben abgetrieben“: Es geht nicht nur um Frauen, sondern um alle Personen, die schwanger werden können. Und: Es geht nicht nur um das Recht, kein Kind zu bekommen, sondern auch darum, Bedingungen zu schaffen, dass Kinder, die gewollt sind, frei von Armut und Ausgrenzung aufwachsen können. Die Angst davor, Kinder in unsicheren Verhältnissen aufwachsen zu lassen, schränkt Selbstbestimmung genauso wie das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Die Forderung nach reproduktiver Gerechtigkeit kommt auf den Tisch und verbindet die Kämpfe um Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit.

Corona hat alte Fragen neu auf die Agenda gesetzt: Wie organisieren wir gesellschaftlich notwendige Arbeit? Wer versorgt und pflegt? Wer kümmert sich um Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind? Wie wird Zeit verteilt – zwischen wem und wofür?

Ja, es ist ein Zeugnis ungünstiger Kräfteverhältnisse, dass es bereits ein Erfolg ist, dass diese Fragen überhaupt erstmal öffentlich gestellt und breiter diskutiert werden. Aber hier entstehen Ansatzpunkte für Veränderung, die DIE LINKE dann nutzen kann, wenn sie mitmischt. Der Kampf gegen durchökonomisierte Krankenhäuser und für mehr Personal in der Pflege zeigt genau das. Hier ist die Partei auf verschiedenen Ebenen verankert und verbindet Organisierungsarbeit mit politischen Initiativen. Das schlägt sich vielleicht nicht unmittelbar in Prozentpunkten in Umfragen nieder, dafür aber in Etappensiegen der Bewegung und schafft letztlich eine Basis für linke Politik, die mehr ist als Anträge in den Bundestag einbringen. Mit unserer Forderung „kein Zurück zur alten Normalität“ diskutieren wir über Krisenbewältigungsmaßnahmen, die alles das, was vor der Pandemie schon falsch lief, grundsätzlich ändern könnten.

Am 8. März geht es um all das: Es geht um ein Leben frei von Gewalt, darum, selbstbestimmt und frei von ökonomischen Zwängen Entscheidungen zu treffen, und um eine Gesellschaft, in der die Sorge umeinander wichtig ist. Es ist ein Anlass, ein wenig Optimismus daraus zu schöpfen, dass viele an den gleichen Dingen dran sind, und dann weiter zu machen, denn klar ist auch: Ein internationaler Kampftag macht Kämpfe sichtbar, die an allen anderen Tagen des Jahrs stattfinden.

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