Frauengesundheit spielt für die Bundesregierung keine Rolle

Auch im medizinischen Bereich kommt es zu struktureller Benachteiligung von Frauen, was dazu führt, dass Frauen in der Forschung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist vor allem dann problematisch bzw. gefährlich, wenn diese Unterrepräsentation dazu führt, dass Behandlungsmethoden für Frauen nicht anschlagen oder Therapien für Krankheiten gar nicht erst entwickelt werden, weil sie nur Frauen betreffen. Eine dieser Krankheiten, die fast ausschließlich Frauen betreffen, ist das so genannte Lipödem.

Das Lipödem ist eine schwere Fettverteilungsstörung. Hierbei kommt zu einer erhöhten Anzahl an krankhaft veränderten Fettzellen hauptsächlich an Ober- und Unterschenkeln, seltener an den Armen. Sie treten immer symmetrisch auf und sind gekennzeichnet durch die enorme Volumenzunahme der Beine bzw. Arme im Kontrast zum meist schlanken Rest des Körpers. In Deutschland ist ungefähr jede 10. Frau von der Krankheit betroffen. Eine Behandlung oder eine genaue Erforschung der Krankheit gibt es aktuell nicht. Die Betroffenen warten bereits seit Jahren auf eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Das geplante Ende der Erprobungsstudie verzögert sich bereits seit ein paar Jahren zum Bedauern der Betroffenen. Denn sie fordern ein schnelles Handeln, um ihrem täglichen Leiden Abhilfe zu schaffen. Sie sind massiv in ihrer Lebensqualität eingeschränkt und leiden unter großen Beschwerden: Schmerzen (Berührungs- und Druckschmerz), Neigung zu Blutergüssen (Hämatomen), Spannungs- und Schweregefühl der Arme und Beine sowie Bewegungseinschränkungen. Auch Folgeerkrankungen, wie Depressionen, Essstörungen oder Schilddrüsenerkrankungen sind nicht selten.

Die Ursache der Krankheit ist bisher nicht bekannt und es gibt derzeit keine Möglichkeit, sie medikamentös zu heilen. Daher prüft der G-BA die Behandlung durch eine Fettabsaugung (Liposuktion). Diese wird bereits seit Jahren bei Betroffenen angewandt. Seit 2019 wird sie bei Betroffenen mit besonders starken Symptomen (Stadium III) von der Krankenkasse übernommen. Eine Standardtherapie für die Stadien I und II gibt es jedoch immer noch nicht. 2017 hatte der G-BA die Erprobungsstudie beschlossen. Seither warten die betroffenen Frauen auf eine Entscheidung.

Frauengesundheit wird ignoriert

Die Linksfraktion im Bundestag hat das zum Anlass genommen, und bei der Bundesregierung mit einer Kleinen Anfrage nachfragt, ob und inwiefern sie vorhat, die Situation für die betroffenen Frauen zu verbessern. Ein wenig überrascht hat es dann schon, dass die Bundesregierung weiterhin kein Interesse daran hat, mehr über die Situation der Betroffenen herauszufinden. Weder gibt es Daten darüber, wie viele Menschen davon überhaupt betroffen sind (Betroffenenorganisationen sprechen von jeder 10. Frau), noch wie viel es den Sozialstaat eigentlich kostet, dass der Großteil der Betroffenen aktuell nur konservativ, also mittels Schmerz- oder Physiotherapie, und nicht operativ behandelt werden.

Erschreckend ist auch, dass die Betroffenen nun schon seit fünf Jahren auf die Ergebnisse der Erprobungsstudie warten. Mit den Ergebnissen wird frühestens 2026 gerechnet und die Bundesregierung hat nicht geplant, den Betroffenen bis dahin mit einer Übergangslösung zu helfen. Es ist auch nicht geplant, die Öffentlichkeit über das Lipödem aufzuklären. Die Bundesregierung verlässt sich komplett auf die Ärzt*innen, die die Krankheit aber größtenteils selbst nicht kennen. Immerhin dauert es im Schnitt 10 Jahre bis Betroffene ernst genommen werden und die Diagnose Lipödem erhalten. Nicht selten hören sie von Ärzt*innen, dass sie lediglich dick seien und abnehmen sollen. Eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne wäre deswegen das mindeste, was die Bundesregierung tun könnte, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Eine weitere Maßnahme könnten auch verpflichtende Weiterbildungen für Ärzt*innen sein, denn aktuell ist die Krankheit kein Bestandteil der medizinischen Ausbildung.

Frauengesundheit spielt für die Bundesregierung also weiterhin kaum eine Rolle, auch wenn das im Koalitionsvertrag anders angekündigt wurde. Das Lipödem ist dabei nur eine von vielen Krankheiten, die vorrangig Frauen betreffen, bei denen die Forschung immer noch im Dunkeln tappt. Wenn es nach der Regierung geht, wird sich daran auch erstmal nichts ändern.

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