Der rassistische Terroranschlag in Hanau ist das jüngste Ergebnis einer massiven Diskursverschiebung nach rechts, maßgeblich vorangetrieben durch die AfD. Ein Grund mehr, einen Blick auf die Rolle der AfD in den Parlamenten zu werfen, findet Charlotte Papke.
Über Monate hinweg hatte die AfD mittels Plakaten und Tweets das Bild von Shisha-Bars als Orte der Kriminalität heraufbeschworen. Der Spitzenkandidat der hessischen AfD, Rainer Rahn, sagte sogar noch nach dem Anschlag in Hanau: „Shisha-Bars sind Orte, die vielen missfallen, mir übrigens auch. Wenn jemand permanent von so einer Einrichtung gestört wird, könnte das irgendwie auch zu einer solchen Tat beitragen.“ Er legte damit nahe, die Tat sei in irgendeiner Weise nachvollziehbar oder gar gerechtfertigt. Solche Äußerungen tätigt die AfD aber nicht im luftleeren Raum, sondern greift Diskurse der bürgerlichen Mitte auf und spitzt sie geschickt zu. CDU-Mann Friedrich Merz etwa twitterte nur wenige Tage nach dem Anschlag über „rechtsfreie Räume“ und „Clanstrukturen“, die es aufzubrechen gelte. Die AfD kann sich durch das Anknüpfen an solche Diskurse als Partei der Konsequenz inszenieren, die die wahren Probleme benennt und mutig genug ist, die Schlussfolgerungen zu ziehen.
Berechnete Grenzverschiebungen
Immer wieder verschiebt die AfD die Grenzen des Sagbaren, provoziert mit rassistischen Äußerungen, geschichtsrevisionistischen Positionen und impliziten Gewaltandrohungen. Sie bildet damit den Nährboden für rassistische Straßenmobilisierungen und Gewalt. Hierzu lässt sich die in zahlreichen Studien belegte Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen & Fishbein) heranziehen. Sie benennt drei Faktoren, die beeinflussen, ob eine Person ein bestimmtes Verhalten ausführt oder nicht: die persönliche Einstellung zum Verhalten, die wahrgenommene Kontrolle über das Verhalten und, hier besonders relevant, die wahrgenommene Erwartung anderer Personen. Habe ich den Eindruck, andere würden mein Verhalten befürworten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich es tatsächlich ausführe. Mit anderen Worten: Die AfD befeuert einen Diskurs, von dem sich rassistische Gewalttäterinnen und Gewalttäter ermutigt und legitimiert fühlen.
Und das Parlament nutzt sie dabei geschickt als Bühne. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin von 2017 bescheinigt der AfD ein instrumentelles Verhältnis zum Parlament. Es gehe ihr dort weniger um eine ernsthafte Mitarbeit, als vielmehr um gezielte Provokationen, die sie dann über ihre Social-Media-Kanäle verbreiten kann. Ähnlich beschreibt es auch die AfD selbst ganz offen in einem Strategiepapier von 2017. Diese Strategie der gezielten Provokation erklärt beispielsweise, warum mit dem Einzug der AfD in den Bundestag die Zahl der Ordnungsrufe deutlich angestiegen ist.
Auf den kalkulierten Tabubruch folgt typischerweise die Inszenierung als Opfer: Am 20. Februar, dem Tag nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau, twitterte der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio durch „Regierungskreise und linke Parteien“ werde die Gewalttat eines „massiv psychisch gestörten Einzeltäters“ instrumentalisiert. Die AfD weist jegliche Verantwortung von sich, leugnet das rassistische Motiv der Tat und stellt sich stattdessen als Opfer der sogenannten „Alt-Parteien“ dar, von denen sie zu Unrecht in die ‚rechte Ecke‘ gestellt werde. Eine ähnliche Abfolge ließ sich nach dem Mord an Walter Lübcke oder dem Anschlag in Halle beobachten.
Parlamentsarbeit als Mittel der Hetze
Für ihre Stimmungsmache bedient sich die AfD außerdem gerne der Möglichkeit der Kleinen Anfrage im Parlament. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat ausgewertet, dass zwischen 2017 und 2019 ein Drittel aller Kleinen Anfragen der AfD-Bundestagsfraktion das Thema Migration behandelte. Im Dezember 2019 ließ sich die AfD etwa genauestens die Entgeltunterschiede zwischen deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und Ausländerinnen und Ausländern aufschlüsseln und fragte, ob das geringere Lohnniveau bei Ausländerinnen und Ausländern einen lohndämpfenden Effekt auf die Gehälter der Deutschen hätte. Was als emsige Oppositionsarbeit daherkommt, dient in Wahrheit vor allem dazu, Neiddebatten zu befeuern und rassistische Diskurse aufrechtzuerhalten. Neben der Migration befasst sich die AfD auch viel mit der Gefahr durch angeblichen Linksextremismus. Unter diesem Deckmantel greift sie mittlerweile verstärkt zivilgesellschaftliche Organisationen an, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen, wie etwa das Treibhaus Döbeln oder das Netzwerk Miteinander e.V. und wirbt dafür, ihnen die dringend benötigten öffentlichen Fördergelder zu entziehen.
Keine Partei wie jede andere
Zugleich ist die AfD jedoch auch stets darum bemüht, den Anschein einer bürgerlich-konservativen Partei zu wahren. Sie hat erkannt, dass sie mit einem zu offen rechtsextremen Profil für viele Wählerinnen und Wähler unwählbar bleibt und versucht vielfach, durch betont seriöses und sachliches Auftreten für diese Wählerinnen und Wählern anschlussfähig zu bleiben. Diese Doppelstrategie ist ein wichtiger Teil ihres Erfolges: Unterschiedliche Milieus können auf diese Weise für dasselbe politische Projekt angesprochen werden. Bei FDP und CDU in Thüringen scheint diese Maskerade Wirkung gezeigt zu haben: Sie hielten es offenbar für unproblematisch, mit der AfD gemeinsam einen Ministerpräsidenten zu wählen. Nach entschlossenem zivilgesellschaftlichem Protest gegen diesen Dammbruch musste Kemmerich jedoch zurücktreten. Das Beispiel Thüringen zeigt: Es gilt, wachsam zu bleiben und keine (weitere) Normalisierung der AfD zuzulassen!
Der Beitrag erschien in gedruckter Form in der neuen Critica.
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Eine Antwort
Shisha wurde schon immer mit schlechtem Ruf befleckt. Nicht nur von der AFD, sondern Allgemein von der Presse. „Shisha-Party“ ist das Synonym für eine Ansammlung von Menschen in der Coronazeit. Aber da die Shisha nicht aus Deutschland kommt und viele denken nur asoziale Einwanderer rauchen Shisha ist das gefundenes Fressen für die AFD..