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Das Massaker von Hanau und die Verantwortung des deutschen Staates

Ein weißer Deutscher fährt gestern gegen 22 Uhr vor eine Shisha-Bar in der Innenstadt von Hanau. Am Heumarkt schießt er auf ein Auto und geht dann gezielt auf die Shisha-Bar „Midnight“ zu. Hier tötet er wahllos Gäste der Shisha-Bar. Daraufhin fährt er nach Hanau-Kesselstadt und schießt in einem türkischen Kiosk ebenfalls wahllos um sich. Danach tötete der Schütze in der Shisha-Bar „Arena“ erneut. Neun Menschen, viele von ihnen junge Kurden, werden erschossen – mehrere liegen zur Zeit teils schwer verletzt in Krankenhäusern. Die Tatorte befinden sich in einem Umkreis von unter drei Kilometern.

Die Polizei fahndete die ganze Nacht nach dem Täter. Wenige Stunden später wird die Wohnung von Tobias R. 1,5 Kilometer von dem ersten Tatort entfernt von der Polizei gestürmt. Der 43-Jährige Bankkaufmann Tobias R. wird dort leblos aufgefunden – neben einer weiteren Leiche.

Tobias R. machte wenige Tage zuvor ein Video von sich, wo er seine verschwörungsideologischen Motive verdeutlichte – ohne direkt auf die kurz bevorstehende Tat zu verweisen. In einem Bekennerschreiben werden jedoch seine unmissverständlich rechten und rassistischen Motive deutlich: er spricht „von Völkern, die vernichtet werden müssten, da Deutschland sie nicht mehr ausweisen könne“.

Die Medien mutmaßen am Abend und in den frühen Morgenstunden über eine Beziehungstat oder gar einen „Milieu“-Konflikt der Spielautomatenmafia. Alle Medien sprechen einheitlich von einer „Schießerei“ und nicht von einem Anschlag oder einem Terrorakt. Und natürlich ist der weiße Täter, das wird jetzt schon offen dargelegt, ein Einzeltäter. Die ersten Pathologisierungen beginnen; die Antworten werden beim Individuum, nicht bei der deutschen Gesellschaft gesucht.

Ich sehe nichts. Ich höre nichts.

Wir sind komplett abgehärtet. Der NATO-Staat Türkei darf die kurdische Bevölkerung in den eigenen Staatsgrenzen seit Jahrzehnten massakrieren und ethnisch säubern; darf in Rojava über die türkischen Staatsgrenzen hinaus einfallen, ohne Konsequenzen von den anderen NATO-Staaten fürchten zu müssen. Solange die Türkei die ganzen Schutz- und Asylsuchenden aus Deutschland fernhält, kann Mama Merkel da ein Auge zu drücken. Keine massiven Proteste gegen die Bundesregierung. Ähnlich mit den vielen Razzien in Schisha-Bars der letzten Monate, auch im rot-rot geführten Berlin, bei denen vollkommen Unschuldigen geladene Gewehre von vermummten Polizistinnen und Polizisten an den Kopf gehalten wurden und vor allem junge Braune Männer als Zielscheibe der Bekämpfung von „Bandenkriminalität“ herhalten mussten, wobei kaum mehr als Verstöße gegen lächerliche Kleinstauflagen für einige der Läden gefunden wurden. Die Opfer dieser Gewalt bleiben. Keine Rehabilitierung, keine öffentliche Entschuldigung. Nur das Stigma „krimineller Ausländer“ – ob etwas gefunden wurde oder nicht.

Dass sich der rassistische Täter von Hanau Shisha-Bars aussuchte, kommt also nicht von ungefähr.

Die Gewalt des Staates und der Rassismus im Alltag

Rassistische Gewalt in Deutschland nimmt spürbar zu. Dies merkt man nicht nur an den ansteigenden Statistiken von tatsächlich gemeldeten rassistischen Angriffen – wenn man sich in Braunen und Schwarzen Gemeinschaften umhört, ist dies einfach physisch und psychisch merkbar. Mehr weiße Deutsche trauen sich, offen rassistische Bemerkungen auf der Straße, in der Bahn oder im Supermarkt zu äußern. „Wir sind hier in Deutschland – hier wird Deutsch gesprochen“ gegen arabischsprachige Mädchen in der U8 in Neukölln, die Erzieherin die über einen arabischen Kindergartenjungen zu ihrer Kollegin sagt „Na, da kommt wieder der kleine Bombenleger“ und Angestellte, die aus einem Theaterbetrieb gemobbt werden, weil sie sich gegen Witze mit anti-Schwarzen rassistischen Inhalt wehren. Alles einige wenige Erfahrungen der letzten Wochen allein aus meinem direkten Umfeld. Die Banalität von alltäglichem, terrorisierendem Rassismus; die tägliche Erniedrigung mit der Braune und Schwarze Migrantinnen und Migranten in Deutschland umgehen müssen, der erhöhte Stresspegel, sowie der Frust und die Ohnmacht, ad hoc die tiefen rassistischen Strukturen der deutschen Gesellschaft und des deutschen Staates nicht verändern zu können, versetzten nicht wenige in eine Art Kollektivschockstarre.

Ja, jede und jeder von uns kann der oder die Nächste sein. Es kann unsere Eltern, unsere Kinder, unsere Familien beim Einkaufen, beim Spielen auf der Straße, in der Schisha-Bar treffen. Es reicht nicht einfach nur, die ideologische Brandstiftung von AfD und Rechten in allen Parteien anzuprangern. Es sind nicht nur die Nazis und die offen extrem Rechten der AfD, die eine Gefahr für Leib und Leben von Nicht-Weißen in Deutschland darstellen. Es sind gerade auch die Brandstifter der Deutschland-„Leitkultur“ aus Union und SPD, die Parallelgesellschaften daherfantasieren und für die Reinhaltung „deutscher Werte“ kämpfen. Es sind die femonationalistischen Brandstifterinnen von Terres des Femmes, der größten Deutschen feministischen Organisation, die Kopftuchverbote fordern und in jedem muslimischen Jugendlichen schon versteckte Vergewaltiger sehen. Es sind die „Linken“ von Lokalen wie dem Laidak in Berlin-Neukölln, die sich genau diese imperialistischen Feministinnen einladen, um in einem mehrheitlich proletarisch, migrantisch-muslimischen Kiez vor den Musliminnen zu warnen. Auch ein rot-roter Senat wie in Berlin trägt massiv zur Prekarisierung von vor allem migrantischen und nicht-weißen Arbeiterinnen und Arbeiter bei, wenn dieser ungehemmt outsourct, privatisiert und Gelder in der Bildung und Jugendförderung streicht, wie wir bei Jugendhilfeausschüssen in Berlin-Wedding und Berlin-Neukölln immer wieder hören. All dies zeigt Schwarzköpfen aus der Arbeiterklasse, die sich in Shisha-Bars, in türkischen und kurdischen Gemüseläden, in Afro-Shops und in Jugendclubs aufhalten eines sehr genau: Ihr seid hier nicht willkommen – und wenn ihr doch bleibt, dann nur in Armut und unter dem Joch der Assimilation in unsere Kultur!

Müssen sich jetzt alle weißen Deutschen eigentlich entschuldigen? Müssen alle weißen Deutschen uns Ausländern erst mal beweisen, dass sie keine weiß-vorherrschaftlichen Rassisten sind, wie es bei jeder Tat – ob Aussagen oder Angriff – von Musliminnen, Muslimen, Ausländern und Ausländerinnen von allen Ausländern erwartet und gefordert wird? Unwahrscheinlich.

Ein Kommentar von Eleonora Roldán Mendívil. Eleonora ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und politische Bildnerin aus Berlin.

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7 Antworten

  1. sogar jetzt macht ihr weiter mit eure ethnische Faschismus. Türkische Stadt rettete Millionen von Kurden vom Saddam und vom Assad. Seit wann dürfen die Terroristen(PKK, pyd, ypg), ein Volk(Kurden) vertreten. Terror hat kein Religion und keine Nationalität.
    Man darf auch niemals Mölln, Solingen, Mannheim usw. vergessen.

    Erst verbessere euer eigenes Land bevor ihr über die anderen spekuliert!

    In Deutschland wollt ihr nie vor eigener Tür kehren!
    Wie viele Attentat kam auf die Ausländer in letzte 3 Jahren vor?

    Ihr wird es NIE lernen.

  2. Ich muß mich als Deutscher Bürger bei Niemanden entschuldigen.
    Solch Wahnsinnige Täter giebt es in jeden Land!
    Wir sollten Die bekämpfen, die diese Schlimmen Taten für Ihre
    Zwecke Instrumentalisieren!! Dort liegt die eigendliche Gefahr!
    Die Gefahr durch Massenhysterie, ausgelöst durch eine gelenkte
    Medien „Berichterstattung“ mit den Ziel zur durchsetzung Eigener
    Interressen! Und der Irreführung breiter Bevölkerungsschichten!

  3. unsere pervertierte gesellschaft profitiert von den gebrochenen seelen /untertanengeist und zahlt dafür einen hohen preis siehe den wikibeitrag zur Doppelbindung: „Menschen, die in ihrer Kindheit häufig Doppelbindungen ausgesetzt waren, haben in der Regel eine labile Persönlichkeit und können durch Suggestionen und Hypnose ungewöhnlich stark beeinflusst werden. Besonders gegenüber Autoritäts­personen verhalten sich solche Menschen sehr unterwürfig, sofern sie deren Überlegenheit anerkannt haben. Durch Doppelbindungen Geschädigte können auf Befehl außerordentlich grausame Handlungen ausführen, auch wenn die Befehle deren ethischen und moralischen Überzeugungen grundlegend widersprechen. Die Angst um das eigene Ego ist aufgrund der labilen Persönlichkeit und des schwachen Selbstwertgefühls sehr groß. Außerdem können deren moralische Prinzipien durch Autoritätspersonen relativ leicht in Frage gestellt werden. Dies konnte durch das wegweisende Milgram-Experiment gezeigt werden. In der heutigen Stress- und Leistungsgesellschaft sind die meisten Menschen mehr oder weniger durch Doppelbindungen geschädigt. Eine strenge Abgrenzung zwischen psychisch gesund und psychisch krank ist aus der Doppelbindungsperspektive nicht erwünscht und auch nicht möglich.

  4. Zitat: „Müssen alle weißen Deutschen uns Ausländern erst mal beweisen, dass sie keine weiß-vorherrschaftlichen Rassisten sind, wie es bei jeder Tat – ob Aussagen oder Angriff – von Muslim_innen und Ausländer_innen von allen Ausländern erwartet und gefordert wird? Unwahrscheinlich.“

    Zutreffend, 100% Unwahrscheinlich. Wir können nur bekennen, als Gesellschaft versagt zu haben bei der Umsetzung unseres Nachkriegs-Antinazi-Leitmottos „Wehret den Anfängen“. So liebevoll das im Einzelnen Einzelne durchaus punktuell effektiv taten, so hat doch ein zu großer Teil von uns zu oft die Augen verschlossen vor den Problemen. Und so nun sind wir in einer Situation, wo ein deutlicheres

    „Wehret den Auswüchsen“

    auf die Tagesordnung gehörte. Dies im gesellschaftlichen Konsens und Alltag zu verankern ist womöglich unsere gesellschaftliche Herausforderung heute. Und ein erneutes Versagen wäre fatal.

  5. unterwürfige befehlsausführer/gebrochene seelen werden weltweit ständig von den machthabern missbraucht deshalb führt kein weg vorbei an einer gesellschaft ohne jegliches machtgefälle egal ob in familie/kita/schule/beruf usw. , denn nur in einer antiautoritären gesellschaft können psychisch stabile/selbstbewusste heranwachsen, die jeglichen machtmissbrauch sofort aufdecken und anprangern—nur die autonomen sind in der lage dem allgegenwärtigen weltweiten satanismus/sadismus das handwerk zu legen

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