Vor vier Tagen forderte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, die Ausweitung des Kriegsdienstes auf Mädchen und Frauen und die Abschaffung des Freiwilligkeitsprinzips. Sein rhetorischer Vorstoß war nur ein weiterer Baustein in der Militarisierung der Gesellschaft. Denn die Zeitenwende stellt sich nicht per Ankündigung ein. Sie muss vielmehr gegen eine Bevölkerung durchgesetzt werden, die seit 80 Jahren im Frieden lebt und die darauf vertraut, dass die politisch Verantwortlichen den Verfassungsrang respektieren, den die Friedensverpflichtung nach zwei begonnenen Weltkriegen in Deutschland nach wie vor hat. Dass Friedensliebende als „Friedensverwöhnte“ verunglimpft und militärische Übungen mit der Leichtigkeit und Schönheit von Sinfonien verglichen werden – wie jüngst in der kriegsverherrlichenden Berichterstattung des ARD-Weltspiegels – ist Teil dieser Durchsetzungsstrategie.
Vier Tage lang hatte DIE LINKE, die von sich selbst behauptet, die einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag zu sein, die Möglichkeit, die Forderung von Breuer zu emotionalisieren. Vier Tage lang hätte sie skandalisieren können, dass der Verteidigungsminister die Bundeswehrdebatte wie eine harmlose Fachkräftediskussion führt. Vier Tage lang hätte sie deutlich machen können, ja müssen, dass hinter der Forderung von Breuer keine abstrakte Personengruppe steht, sondern unsere Kinder und Enkel, deren Kindergartenfreunde und Mitschüler, deren Sportkameraden und erste große Lieben. Sie alle laufen derzeit Gefahr, in den Krieg geschickt zu werden. Sie alle laufen derzeit Gefahr, auf den Schlachtfeldern kämpfen zu müssen, die die Bundesregierung vorbereitet.
Ein weiteres Mal hat sich DIE LINKE zu dieser immer wichtiger werdenden Frage von Krieg und Frieden nicht geäußert, das Thema nicht aufgegriffen, sich dazu mutlos ausgeschwiegen – und stattdessen versucht, den kausalen Zusammenhang zwischen der Wehrpflichtdebatte und der Debatte über den Haushalt, über die Einschränkung des Streikrechtes und über die Verschärfungen bei der Migration zu ignorieren, ganz so, als waberten all diese Fragen völlig unverbunden nebeneinander her. Und ein weiteres Mal hat sich diese Untätigkeit bitter gerächt. Denn in ihren Sommerinterviews griffen Alice Weidel und Thilo Chrupalla das Thema nun auf. Sie positionierten sich gegen die Wehrpflicht und kritisierten die Bundesregierung dafür, einen Krieg vorzubereiten und unsere Kinder in diesem Krieg zu „verfeuern“.
Dass die AfD den gesellschaftlichen Rückenwind, den es für die Friedensfrage gerade gibt, nur nutzt, um sich als Friedenspartei zu inszenieren, ist klar. Sie ist noch immer der Wolf im parteipolitischen Schafspelz, denn in ihrem Parteiprogramm fordert sie vollmundig die Wehrpflicht, sie verachtet Deserteure, und sie träumt von der deutschen Atombombe. Wehrmachtssoldaten sind in den Augen der AfD nicht Arbeiter in Uniform, die für die Großmachtfantasien Hitler-Deutschlands sterben mussten, sondern Helden und jene dunklen Zeiten sowieso nur ein „Vogelschiss in der Geschichte“. Mit Frieden hat diese Partei ungefähr so wenig am Hut wie Andi Scheuer mit Fachwissen über die PKW-Maut.
Dass sich DIE LINKE darüber beklagt, dass es seit der Abspaltung des BSW schwieriger geworden sei, in der öffentlichen Berichterstattung mit eigenen Themen durchzudringen und deshalb im Wahlkampf an der Strategie feilte, mit so abenteuerlichen Forderungen wie der Dönerpreisbremse oder voluntaristischen Aktionsplänen zu allen möglichen Fragen doch wenigstens ein bisschen medial erwähnt zu werden, ist Folge einer politischen Ausweichstrategie: Die Partei redet über alles mögliche, aber zu der einen zentralen Frage, die immer mehr Menschen in diesem Land beunruhigt, verhält sie sich ganz bewusst nicht.
Der Sieg der Front Populaire in Frankreich an diesem Abend zeigt, dass es zu früh ist, von einem gesellschaftlichen Rechtsruck zu sprechen. Wir erleben vielmehr eine politische Polarisierung. Aber die politische Linke muss diese Herausforderung auch annehmen wollen. Nicht über die wachsende Kriegsgefahr sprechen zu wollen, schwächt die Friedensbewegung, die Klimabewegung und die Gewerkschaften gleichermaßen. Und wer die Hände in den Schoß legt und darauf verzichtet, der Militarisierung etwas entgegenzusetzen, wird die Geschichte dabei nicht auf seiner Seite haben. Der militaristische Vorstoß der Bundesregierung muss couragiert und schonungslos als das benannt werden, was er ist: eine verdammte und verachtenswerte Kriegstreiberei!
Widerspruch und Widersprüche – eine Kolumne von Ulrike Eifler
Eine Antwort
Dieser Beitrag ist wohlfeil. Mehr leider nicht. Es wird vom Frieden lamentiert, ohne dabei im Blick zu haben, wie er erreicht werden kann. Auch die Bundesregierung ist nicht scharf auf Krieg, vielmehr will sie Frieden ermöglichen, aber das geht leider nicht mit warmen Worten. Das wäre zu schön. Was hier eindeutig fehlt, ist das Benennen des Schuldigen an der ganzen Misere. Ich mach das mal: Putin. Es kann jeden Augenblick Frieden geben. Er hat es in der Hand. Viel mehr geht es ihm aber nicht um Frieden sondern um befriedigte imperiale Gelüste. Dass es Linke gibt, die das indirekt unterstützen, weil der Westen ihnen scheinbar zu „kriegslüstern“ ist, ist schon sehr bemerkenswert. Ich finde solche vermeintlich pazifistischen Einlassung fahrlässig, weil sie nur der Selbstvergwisserung dienen, aber verantwortungsethisch ganz weit daneben liegen. Dass Die Linke der AfD das Feld in dieser Frage überlassen hat, ist leicht zu erklären: Den Linken ist es noch peinlich sich klar zu Putin zu bekennen. Die AfD tut es und deren Friedensrezept ist im Grunde das Gleiche, wie es hier etwas verschämt vermutet werden kann: „Lasst die Russen mal machen, dann wird das schnell erledigen und wir haben weiter unsere heile Welt.“