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Antimuslimischer Rassismus – der verankerte Hass in deutschen Institutionen 

Gebetsverbot für muslimische Schüler*innen, Kriminalisierung der palästinensischen Identität in Berliner Klassenräumen und Polizeiaufmärsche in deutschen Lehrsälen – deutsche Bildungseinrichtungen, als Orte des kritischen Denkens, wenden seit dem 07. Oktober 2023 zunehmend repressive Mechanismen an Bildungseinrichtungen. 

Die Humboldt Universität zu Berlin schmückt sich in ihrem Leitbild mit der kritischen Distanz gegenüber politischer und gesellschaftlicher Macht und wende sich gegen jede Form von Diskriminierung, Intoleranz und kultureller Selbstüberhöhung. Dem Selbstbild entgegen steht aber das Solidarität mit Palästina kriminalisiert wird, während gleichzeitig eine unkritische Solidarisierung mit Israel stattfindet. Tragen Studierende an der Uni die Kuffiyeh oder zeigen sich mit Palästina solidarisch, erleben diese Diskriminierung sowie aggressive Repression seitens Mitstudierenden und Lehrende Kräfte. Diese Repression ist nicht nur eine alltägliche Routine an Universitäten, sondern kommt auch an Schulen in die Gänge.

Lehrer schlägt Schüler 

Nur wenige Tage nach dem Ausbruch aus dem Freiluft Gefängnisses in Gaza schlägt ein Lehrer des Ernst-Abbe-Gymnasiums einem Schüler mit der Faust ins Gesicht. Auf dem Schulhof und vor laufender Kamera. Der Grund: Das Schwenken einer Palästina Flagge- eine Flagge, gebunden mit einer Identität, die seit dem 7. Oktober in einem neuen Ausmaß kriminalisiert wird. Eine Flagge, die in den kommenden Wochen nicht mehr allein das tragende Symbol eines Befreiungskampfes darstellen wird, sondern zugleich das primäre Ziel staatlicher Repressionen gegen die jüngsten ihrer Gesellschaft ist. Anstatt dass der Lehrer Konsequenzen erfährt, wurde der Schüler von der Schule suspendiert. Während die Palästina Flagge und auch die Kufiya strikt verboten wurden, hisste die Humboldt Universität zu Berlin die Israel Flagge auf dem Hauptgebäude. 

Das ist kein Einzelfall: Die Schulleitung der Anna-Freud Schule verbietet muslimischen Schüler*innen in einem Schreiben das aktive Ausüben der Religion in Form von Gebet, um den Schulfrieden zu wahren und zur Vermeidung von Provokation. Bei Verstoß gegen dieses Verbot wird mit der Polizei gedroht. Nachdem das Gebetsverbot ausgesprochen wurde, zog ein Lehrer einem betenden Schüler den Gebetsteppich weg. Eine Augenzeugin berichtet, dass es fast zu einer Schlägerei zwischen Lehrer und Schüler kam. Die körperliche Gewalt nimmt auch unter den Schüler*innen zu- so wird eine 15-jährige Schülerin, welche mit der Aufschrift „Allah“ draufsteht, auf einer Berliner Schultoilette von fünf Mitschülerinnen verprügelt. Ihre Kette wurde entwendet. Die Konsequenzen bleiben aussichtslos. 

Ein Raum für Muslime die beten wollen, kann nicht gestattet werden, aber dafür gibt die Bildungsverwaltung für 12 Berliner Schulen, die alle in Neukölln liegen, monatlich65 tausend Euro n aus. Auch nur in Neukölln, wo 95% der Schüler*innen einen Migrationshintergrund haben und nicht auf weißen Gymnasien im Prenzlauer Berg wo der Anteil der Migranten bei 7% liegt. Kai Wegner von der CDU hielt es für nötig, aufgrund des „Nahostkonflikts“ den Wachschutz wieder einzuführen.

Repression und Kufiya

Die Bildungssenatorin Berlins hat wenige Tage nach dem Beginn des Krieges das Tragen von “Palästinensertüchern” und anderen Symbolen für die “Wahrung des Schulfriedens” für verboten erklärt. Auch „Free Palestine“ wird in Form von Ausrufen oder Aufkleber verboten. Eine Schülerin eines Schönebergers Gymnasium in Berlin berichtet, dass ihre Lehrkraft ihr “Antisemitismus und politische Provokation” und das “Feiern von ermordeten Juden” durch das Tragen ihrer Kuffiya vorgeworfen hat. Wenn sie ihre Kufiya beim nächsten Mal im Unterricht an habe, dann dürfe sie nicht mehr am Unterricht teilnehmen.  

Auch auf einer weiteren Schule, dem Anne-Frank-Gymnasium in Schönefeld in Berlin, präsentierte sich die Polizei zu den Anfangszeiten des Krieges mit einem Polizeiwagen auf dem Schulhof um zu überprüfen, ob Schüler*innen eine Kufiya trugen. Unabhängig davon, dass Bildungseinrichtungen per se in Deutschland als “Polizeifreierraum” galten, ist das ein neues Ausmaß der Kriminalisierung der palästinensischen Identität. Eine Repression, die sich von Demos auf den Straßen bis in die Klassenräume streckt. Insbesondere das Verhaften “arabisch gelesenen” Jungs zwischen 7-12 Jahren wird salonfähig. So sahen wir auf der Sonnenallee, wie die Polizei einen minderjährigen Jungen zur Ohnmacht verprügelt hatte.

Doch nicht nur Jugendliche und Erwachsene erleben an ihren Schulen antimuslimischen und antipalästinensischen Rassismus, sondern auch Kinder. Eltern und andere Vertreter*innen berichten, dass diese im Grundschulalter durch ein Formular aufgefordert wurden, sich zum „Nahostkonflikt“ zu äußern und ein Urteil über die derzeitigen Proteste abzugeben. Sie müssen Fragen wie „Ist es für mich okay, auf eine Demonstration zu gehen, auf welcher der Terroranschlag gefeiert wird und als gerecht dargestellt wird? “ oder „Ist es aus meiner Sicht okay, dass die Hamas Kinder, Frauen und Männer töten?“ beantworten.

Einige Schüler*innen sind in der Bewegung aktiv und es gilt diese in der Schule vor rechten Attacken zu schützen, doch stattdessen drohen sie marginalisierten Kindern und Jugendlichen, die schon vor dem 7.10. ihr Leben lang systematische sowie gesellschaftlicher und institutionalisierter antimuslimischer und rassistischer Gewalt ausgesetzt waren und immer noch sind, mit der rassistischen Polizei, die auch nur darauf wartet Gewalt an Migrant*innen anwenden zu können. Dies zeigte sich am 20.12., als am frühen Morgen 170 schwerbewaffnete Polizisten die Wohnungen minderjähriger Schülerinnen die Teil der „Frauenbewegung Zora” sind stürmten, weil diese sich auf Instagram mit dem palästinensischen Befreiungskampf solidarisieren. Sie gefährden somit nicht nur die Schullaufbahn dieser Kinder und Jugendlichen, sondern auch ihre Zukunft und ihr Leben. Das stimmt mit den Zielen der Schulen und dieses Landes nicht überein.

Ein Artikel von Istabrak Gwîle, Aktivistin aus Berlin, in wenigen Tagen erscheint Teil 2, der sich mit Repressionen in Universitäten befasst

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