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5 Gründe warum Konsumkritik nicht ausreicht

Wie oft haben wir schon gehört, dass unser Konsumverhalten, das Bevölkerungswachstum, unser Mangel an Umweltbewusstsein oder die egoistische Natur des Menschen die Gründe für die Klimakrise darstellen. Wir würden 1,7 Planeten brauchen, um den jetzigen Ressourcenkonsum aufrechtzuhalten; wir müssten unseren individuellen CO2-Fußabdruck ändern, z.B. in dem wir uns vegan ernähren, um den Planeten zu entlasten, etc.

Einige Konsumkritiker sind sogar der Meinung, dass unser überschüssiger Konsum, Schuld an unseren psychischen Belastungen trägt und dass wir mit weniger Wohlstand glücklicher sein könnten. Darüber hinaus würde unser richtiger individueller Wille uns nicht nur aus der menschlichen Misere befreien, sondern auch aus dem ökologischen Desaster. Warum wir meinen, dass diese Argumentationsweise nicht ausreicht, um die Klimakrise zu bekämpfen, möchten wir mit den folgenden Gründen bekräftigen.

1) Die Produktion als Ursache des Problems anerkennen

Häufig begegnen wir dem Argument, dass durch das richtige Konsumieren die Produktion und die Umstände, z.B. Emissionen, verbessert werden. Produkte gibt es nur, weil sie Menschen kaufen und die Produktion würde dadurch von unseren Wünschen getrieben. Wenn wir die Klimakrise aber tatsächlich an der Wurzel fassen wollen, müssen wir es wagen die Produktionsfrage zu stellen. Das heißt, nicht nur wer die Fabriken und Unternehmen besitzen, sondern auch was, wie und warum produziert wird.

Aufzeichnungen belegen, dass die Klimakrise mit Beginn der kapitalistischen Wirtschaftsordnung anfängt. Die Einführung der Dampfmaschine mit dem Einsatz von fossilen Energieträgern erlaubte dem Kapitalismus eine solide Basis und machte das System komplett von diesen Energieträgern abhängig [1]. Der Kapitalismus funktioniert in dem die Produktion unserer Gesellschaft expansiv und wettbewerbsfähig gestaltet sein muss. Der einzige Grund im Kapitalismus etwas zu produzieren, besteht darin, Kapital zu akkumulieren, zu wachsen und sich im Wettbewerb durchzusetzen. Dies bedeutet für die Umwelt im Kapitalismus, dass eine immerwachsende Kapazität an Ressourcen und Energie im Produktionsprozess benötigt werden, um die für den Kapitalismus benötigte Ausweitung der Produktion zu ermöglichen. So entstehen Umweltkrisen. Es ist eigentlich ganz einfach: Unendliches Wachstum (oder Akkumulation) in einer begrenzten Welt ist unmöglich.

Bei Anblick des historischen Verlaufs der CO2 Emissionen erkennt man, dass nur bei Krisen, wie z.B. den Ölkrisen 1973 und 1979/80 oder der Bankenkrise 2008/9 die Emissionen sanken. Das heißt nur in Momenten, wo unsere Wirtschaft stagnierte und nicht mehr wuchs. Die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Treibhausgasen kann daher nicht verleugnet werden. Das Problem liegt also an der Produktionsweise und dem im Kapitalismus notwendigen Zwang des Wachstum (bei Marx ,,Akkumulation des Kapitals”).

Die Ausmaße dieser Produktionsweise zeigen sich in der willkürlichen und viel zu großen Menge an Produkten und Dienstleistungen, die auch für hohe Emissionen sorgen, wie z.B. die Lebensmittelverschwendung, bei der weltweit 30-50% des Essens weggeworfen wird, bevor es überhaupt unsere Teller erreicht. Im kapitalistischen System ist die Produktion nicht hauptsächlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern durch die Profitmaximierung, d.h. durch eine Maximierung der Produktion und so auch des Konsums.

Kohlebagger

Zusätzlich werden sehr viele Emissionen in unsinniger und nur dem Profit dienender Produktion verschwendet, wie z.B. in der Werbeindustrie, wo laut CarbonTrack alleine in Großbritannien 2 Mio. Tonnen CO2 Emissionen entstehen, was in etwa reichen würde, um 364.000 Häuser im Land ein Jahr lang zu beheizen oder auch der Konsum des US Militärs, welches mit jährlich 100 Mio. Barrel als der größte „Ölverschlucker“ der Welt gilt. Weiterhin werdenWaren extra so hergestellt, dass sie nicht lange halten, neuen Konsum anregen (Obsolenzprodukte) und so weitere Gewinne für die Konzerne entstehen, während die Umwelt die negativen Konsequenzen zu spüren bekommt. Die ArbeiterInnen der Welt können nichts dafür, solcherlei strukturellen wirtschaftlichen Bedingungen ausgeliefert zu sein.

Wir sehen also, dass der Kapitalismus als Ganzes, einschließlich die Form wer, was, wie und warum produziert, letztlich nur an dem Bedürfnis derer, die die Unternehmen und Fabriken besitzen, ausgerichtet ist. Was ist deren Bedürfnis? Geld zu akkumulieren und zu wachsen, da dieses System es abverlangt. Somit verfehlt diese Form des Produzierens die Möglichkeit nach den wirklichen Bedürfnissen der Menschen und Natur zu agieren. Eine Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen des Menschen und der Natur orientiert, sollte das Wohlergehen des Menschen und die Nichtverschmutzung der Natur berücksichtigen, aber beide Aspekte sind von grundlegender Wichtigkeit, um die Kosten im derzeitigen System zu senken und auf dem wettbewerbsorientierten Markt zu überleben. Die Konzentration unseres Konsums auf eine andere Nische, die wir ethisch für angemessener halten, wird diese Tatsache oder die historische Abhängigkeit des Systems von fossiler Energie nicht ändern. Unsere Kritik und Handlungen müssen die Wurzel der Umweltkrise (und aller weiteren Ungerechtigkeiten in der Welt) anpacken, welches in der kapitalistische Produktionsweise liegt. Stattdessen benötigen wir eine demokratisch geplante Wirtschaft, die die natürlichen Ressourcen nicht willkürlich privaten Interessen im Wettbewerb überlässt, sondern basierend auf Nachhaltigkeit und Recyclebarkeit im Sinne aller produziert.

2) Die Klimakrise ist eine Klassenfrage

Eines der Hauptargumente der Konsumkritiker besteht darin zu glauben, dass wir alle im selben Boot sitzen und dazu beitragen, dass es langsam sinkt. Klar ist, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wird, aber dies stellt nur die halbe Wahrheit dar. Wenn wir uns alles genauer anschauen, und beobachten welche Sektoren zum Beispiel heutzutage am meisten zu den Treibhausgasen beitragen, so stellen wir fest, dass die Industrie und Landwirtschaft etwa ¾ der Gesamtmenge an Treibhausgasen produzieren. 100 Konzerne sind seit 1988 für unglaubliche 71% der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich.

Symbol des Reichtums

Aber auch wenn wir uns nur auf den Lebensstil beschränken, sitzen wir nicht im selben Boot. Oxfam veröffentlichte vor einiger Zeit einen Bericht, in dem klargestellt wurde, dass die reicheren Schichten mit ihrem Luxusleben quantitativ viel mehr zum Klimawandel beitragen als ärmere Menschen. Jemand aus dem reichsten 1% der Welt verursacht 175mal mehr Emissionen wie jemand aus den ärmsten 10% der Welt. 50% der Emissionen können den reichsten 10% zugeschrieben werden. Das bedeutet, die ärmeren Klassen aller Gesellschaften sind nicht nur am meisten vom Klimawandel betroffen – sei es aufgrund der geographischen Lage oder auch bedingt durch die materiellen Voraussetzungen, weshalb sie sich viel schwieriger den geänderten Situationen anpassen oder sich von den Folgen der Katastrophen erholen können – sie tragen auch am wenigsten dazu bei,  beispielsweise konnten sich die Kardashians während der Woolsey Bränden private Feuerwehrmänner leisten und den anderen, ärmeren Menschen blieb dies verwehrt. Oder der Unterschied an der Abfallproduktion zwischen Haushalten und der Industrie. Der Bau-, Abbruch- und Gewerbeabfall in Deutschland produzierte 2016 278,7 Mio. Tonnen (67% des gesamten Abfallaufkommens), während Siedlungsabfälle 52,1 mio. Tonnen beitrugen. Es ist also prinzipiell falsch, uns alle im selben Boot zu verorten und uns so Schuldgefühle aufzubürden.

[Der schwedische Ministerpräsident] lügt! (…) Er sagt, wir Menschen wären diejenigen, die es uns eingebrockt haben, aber das ist nicht wahr. (…) Er sagt das nur, damit wir so weitermachen wie immer, denn wenn alle schuld sind, ist niemand schuld. Aber irgendjemand muss schuld sein, also stimmt es nicht, was er sagt. Es gibt doch nur ein paar hundert Firmen, die für den gesamten CO2-Ausstoß stehen. Und es gibt nur sehr wenige, extrem reiche Männer, die Tausende Milliarden dadurch verdient haben, den ganzen Planeten zu zerstören, obwohl ihnen die Risiken bekannt waren. Also lügt der Ministerpräsident wie alle anderen. (…) Nicht alle haben es uns eingebrockt, sondern nur ein paar wenige, und um den Planeten zu retten, müssen wir den Kampf gegen sie und ihre Firmen und ihr Geld aufnehmen und sie zur Verantwortung ziehen.

Auszüge aus dem Buch: Greta und Svante Thunberg, Beata und Malena Ernmann „Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima“, FAS, 28.4.2019, S. 14.

Hinzu kommt noch, dass nicht alle in unserer Gesellschaft sich Bioprodukte (oder andere umweltfreundliche Produkte) leisten können, da sie finanziell aufgrund von niedrigen Renten oder schlecht bezahlter Arbeit schlicht von billigen Produkten aus dem Supermarkt abhängig sind. Flüge sind häufig deutlich günstiger, als die Fahrt mit Zügen und Bussen, wodurch verständlicherweise ärmere Menschen (wenn sie sich ein Urlaub leisten können) häufiger die Entscheidung treffen so zu reisen. Darüber hinaus nutzen vor allem Geschäftsleute und nicht die Arbeiterklasse den täglichen Flugverkehr als die finanziell und zeitlich angenehmere Transportmöglichkeit. Auch wurde mehrfach bewiesen, dass prinzipiell eine gewisse soziale Sicherheit benötigt wird um überhaupt ökologisch bewusster konsumieren zu wollen [2]. Außerdem ist die Idee, dass wir frei entscheidende Konsumenten sind, leider auch nicht richtig. Werbung hilft Unternehmen dabei Profite zu maximieren und hat massiven Einfluss auf unsere Entscheidungen. Künstliche Bedürfnisse werden sogar auch geschaffen, die uns durch neue Reize veranlassen wollen, gewisse Produkte zu konsumieren. Die Wünsche der meisten Menschen werden in dieser Konstellation eher beeinflusst, als dass sie umgekehrt Einfluss auf die Produktion haben.

Wir müssen uns dem “wir-sind-alle-dafür-verantwortlich” Gefühl streng entgegenstellen, da die Kapitalisten sich bereits eifrig Gedanken darüber machen, wie sie die Klimakrise möglichst so managen können, dass wir – der Großteil der Gesellschaft der Lohnabhängigen – die Kosten dafür tragen. Beispielsweise in Form von sogennanten “carbon taxes”, die Zusatzsteuern auf den Kohlegehalt der fossilen Energieträger verhängen, um so theoretisch Marktanreize hervorzurufen, die dazu beitragen sollen, emissionsärmere Produktion zu entwickeln. In Frankreich kam diese Idee der Übernahme der Kosten der Energiewende auf Seiten der Bevölkerung gar nicht gut an und löste zu recht die Wut der Gilets Jaunes aus. Steuererhebungen auf Konsumgüter führt nur dazu, dass sie zukünftig nur noch Reiche nutzen können und bedeutet eine verschärfende soziale Ungleichheit. Die Konsumkritik lässt kein Platz für die Klassenfrage und ist dadurch ein Geschenk für die Kapitalisten, die uns zwingen wollen für eine Krise zu bezahlen, die wir gar nicht verursacht haben!

3 ) Individuelle Konsumkritik lähmt!

Ein weiterer wichtiger Grund, warum eine einzig individuell ausgerichtete Konsumkritik für eine effektive Klimalösung nicht ausreicht, stellt ihre demobilisierende Wirkung dar. Wirkliche Änderungen in einer ungerechten Gesellschaft lassen sich nur durch lange geführte Kämpfe verwirklichen. Den 8-Stunden Arbeitstag, das Recht der Frauen zu wählen, das Recht der Afroamerikaner in den USA zu wählen, der Mindestlohn, das Ende des Apartheid in Südafrika und andere erkämpfte Rechte wurden nur durch Organisation und Zusammenarbeit erreicht. Menschen werden nicht nur während eines organisierten Kampfes politischer und sich der eigenen Position in der Gesellschaft bewusst, sondern diese sind auch Formen der Eroberung einer Demokratie, die der Kapitalismus uns verweigert. Wenn wir uns organisieren und gewisse Kämpfe auch gewinnen, ist es eine Form unsere eigene Zukunft zu bestimmen (und das ist Demokratie!). Im Kapitalismus haben wir nicht nur das Gefühl, dass wir keine Macht über unser Leben haben, das ist tatsächlich so, und in der Klimakrise ist dies nicht anders. Der kritische Konsum dient als Kompensation des vorhandenen Ohnmachtsgefühls, jedoch bleibt er oft im individuellen Handeln stecken. Wir fühlen uns gut, weil wir beim Verzicht oder beim Kauf anderer Produkte, das Gefühl haben, einen gewissen Einfluss auf unsere Gesellschaft ausüben zu dürfen. Aber der Glaube daran, dass wir die Klimakrise bewältigen können, indem wir versuchen jede Person zu überzeugen, sie solle anders einkaufen, führt direkt in die herrschende Falle der neoliberalen individualistischen Ideologie, die uns geradezu trennt und demobilisiert.  Denn getrennt können wir dem Kapital und der Produktion nicht beikommen!

Nestle

Kollektive Boykottstrategien um auf gewisse Unternehmen Druck auszuüben und somit auf punktuelle Probleme aufmerksam zu machen, halten wir wiederum für hilfreich, da sie in einer gemeinsamen Aktion mit einem gewissen Ziel verbunden sind. Z.B. wurde von 1977 bis 1984 eine Riesenkampagne gegen Nestle’s Babynahrung und deren Vermarktung in armen Ländern des Globalen Südens organisiert. Nestle musste daraufhin 1984 einen Marketingcodex der Weltgesundheitsorganisation und des Kinderhilfswerks Unicef unterzeichnen, der es untersagt, Ersatznahrung als bessere Alternative zum Stillen zu bewerben. Inzwischen gibt es bei Nestle wieder Babynahrungsskandale. Wir müssen uns der Grenzen dieser Strategie bewusst sein. Das punktuelle boykottieren eines Unternehmens löst kein systemisches Problem. Die politischen Erfolgschancen sind hier nur begrenzt möglich.

4) Nur Konsumkritik hilft uns nicht weiter, die Kämpfe zu verbinden!

Das erwähnte Problem, dass Konsumkritik im individuellen Handeln stagnieren kann, könnte auch dazu führen, dass wichtige bis jetzt getrennte Kämpfe nicht vereint werden. Wir glauben, dass der Klimawandel viele Felder der Ungerechtigkeiten verstärkt. Sie zu lösen, bedeutet ihre getrennten Kämpfe zu bündeln oder sie in ihrem größeren Sinn als gemeinsam zu betrachten. Die individualistische Lösung, wie sie häufig in einer unpolitischen Konsumkritik ausformuliert wird, kann die unterschiedlichen Kämpfe unserer Klasse isolieren.

Asyl für Klimaflüchtlinge? Foto: Itzafineday, licensed under CC BY 2.0, Climate Change Refugees

Beispielsweise kann über die Klimakrise nicht geredet werden, wenn nicht auch über die europäische Grenzpolitik gesprochen wird, die eine groβe Anzahl von Klimaflüchtlingen ertrinken lässt, obwohl die Industriestaaten allein im 20. Jahrhundert für 80% aller CO2 Emissionen verantwortlich sind.[3] Greenpeace prognostiziert etwa 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis zum Jahr 2040, sollte sich nicht radikal etwas verändern. Dies wird die gegenwärtige Krise verschärfen. Eine humane Lösung für diese Menschen (die wir auch selber sein könnten) hängt davon ab, ob wir heute eine solidarische und antirassistische Gesellschaft aufbauen.

Der neue Schülerstreik “Fridays for Future” markiert auch einen inspirierenden verbindenden Kampf. Greta Thunberg fragt sich, warum sie lernen sollte, wenn es in einigen Jahren keine Zukunft mehr für sie geben wird. StudentInnen und SchülerInnen aus unterschiedlichen Ländern haben sich dadurch inspirieren lassen und bestreiken jeden Freitag den Unterricht. Die immense Bedeutung internationaler Zusammenarbeit war schon immer und ist vor allem heute ein essentieller Bestandteil, wenn man diese Welt verändern will. Wollen wir die Welt verändern, so können wir das nicht auf die einzelnen Ländern beschränkt versuchen, sondern dies bedingt einen globalen Aufbruch. In der Klimagerechtigkeitsbewegung sehen wir hierzu einen passenden Kristallisationspunkt.

Ein weiterer Verbündeter der Umweltbewegung wäre die historische Forderung der geringeren Arbeitsstunden bei gleichem Lohn, denn weniger Arbeit und mehr Freizeit bedeuten, neben einigen anderen gesundheitlichen und persönlichen Vorteilen, dass auch weniger produziert wird und folglich Emissionen eingespart werden. So könnte auch eine Umverteilung der Arbeitsplätze leicht realisiert werden.

Der Kampf der indigenen Bevölkerungen auf der ganzen Welt hängt auch oft mit Klimagerechtigkeit zusammen. Bei der NoDAPL-Bewegung in den USA ging es darum heilige Grabstätten der indigenen Bevölkerung und das Grundwasser vor einer Ölleitung zu schützen. Die Bewegung mobilisierte tausende Menschen nach Nord Dakota, von GewerkschafterInnen, UmweltaktivistInnen bis hin zu Veteranen.

Die Zusammenarbeit der Klimabewegung mit den Gewerkschaften muss besser gelingen, denn das Leben der prekarisierten Menschen in der Gesellschaft muss während des ökologischen Umbaus auch abgesichert werden. AktivistInnen vom Hambacher Forst und die ArbeiterInnen gehören zusammen, denn beide profitieren für sich und ihre Zukunft, wenn die RWE Bosse für den Umbau zahlen müssen und stattdessen sichere Arbeitsplätze im grünen Energiesektor oder anderen entstehen. Denn auf einem toten Planeten gibt es gar keine Jobs mehr. Wir dürfen uns von den Herrschenden nicht gegeneinander ausspielen lassen durch  die scheinbare Wahl zwischen Jobs oder Umwelt. Die Verursacher zahlen! Ein Beispiel für eine gelungene gewerkschaftliche Kampagne skizziert die “One Million Climate Jobs” Initiative in Großbritannien, die sich für Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien, massive Hausisolierungen und öffentliche Transportmöglichkeiten einsetzt oder die Trade Unions for Energy Democracy Netzwerk mit ihrem Einsatz für öffentliche Energieproduktion und –verteilung, losgelöst von privaten profitorientierten Interessen. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist breit und wir haben die Möglichkeit stärker zu werden, wenn wir die unterschiedlich ausgetragenen Kämpfe einen!

5) Politische Entscheidungen sind wirkmächtiger

ÖPNV statt Individualverkehr

Darauf zu hoffen, dass weite Teile der Gesellschaft ihr Konsumverhalten (und somit die Produktion) durch moralische Appelle bald ändern, wie sich das viele Konsumkritiker erhoffen, ist für die Grössenordnung und Unmittelbarkeit der Krise nicht genug. Die Mehrheit lebt unter finanziellem Druck, muss sich mit dem Auto bewegen, da die öffentlichen Verkehrsmittel nicht genug ausgebaut sind, weshalb das Hoffen auf individuelles Handeln zu langsam ist und für manche Haushalte auch finanziell ein Hindernis darstellt.  Wir brauchen schnelle und klare Brüche mit der Kohleindustrie und ein zügiges Umlenken vom autobetriebenen Individualverkehr hinzu öffentlichem Nah- und Fernverkehr. Die Menschen brauchen hier das staatliche Eingreifen, da sie z.B. nicht die Schuld für die bestehende auto-orientierte Infrastruktur tragen, die übrigens Autogiganten wie z.B. General Motors in den USA in der Vergangenheit aktiv für ihre Profitintressen beeinflusst haben und u.a. den öffentlichen Nahverkehr zerstört haben.[4] Ein positives Beispiel hierfür stellt die dänische Hauptstadt Kopenhagen dar, in der deutlich mehr Arbeiterinnen und Arbeiter das Fahrrad benutzen, seitdem die Stadt offensiv die Fahrradwege ausgebaut und gegenüber dem Autoverkehr bevorzugt hat. Ähnliches geschah auch in der galizisch-spanischen Stadt Pontevedra, in der ein Autoverbot in der Stadt verhängt wurde und Fußgängern im Verkehr immer die Vorfahrt gewährt wird. Die CO2 Emissionen sind in der Innenstadt durch diese Maßnahmen um 70% gesunken.

Angebotene Waren müssen langlebig und stabil sein und nicht, wie alles im Kapitalismus, den Profitzwängen unterliegen. Wir müssen also den Produktionsweisen und denen, die daran verdienen, (in Deutschland vor allem) den Auto- und Energiekonzernen, den Kampf ansagen. Sie werden alles daran setzen, um strukturell den Status-quo beizubehalten und bei den Menschen diese Denkweise ideologisch zu untermauern.

Fazit

Im Grunde stehen wir individuellen Entscheidungen für ökologisches Bewusstsein nicht im Wege, begrüßen diese auch und unterstreichen ihre Notwendigkeit für eine zukunftsfähige sozialistische Gesellschaft, in der es unmöglich sein wird, die aktuelle Tierhaltung und Landwirtschaft beizubehalten, von denen allein 51% aller Treibhausgase verursacht werden, oder dem deutlich gestiegenen extrem umweltschädlichen Flugverkehr, der sich in den vergangenen 45 Jahren verzehntfacht hat.5] Wir finden jedoch, dass der Fokus auf individuelle Konsumkritik, wie z.B. ,,become vegan” begrenzt wirksam ist und keine politische Basis bietet um Menschen zu mobilisieren, um die Welt zu verändern. Klimagerechtigkeit braucht eine klare politische Dimension, das heißt es bedarf vor allem des politischen Kampfes, um für weitergehende positive Veränderungen zu sorgen.

Unsere Aufgabe als Sozialistinnen und Sozialisten ist nicht nur den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen, sondern auch ,,alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”[6], und somit die Klassengesellschaft und die damit verknüpfte Ausbeutung der Menschen zu beenden. Bewusstseinsveränderung geschieht, wenn Menschen sich zusammenschließen und gemeinsam kämpfen, statt mit dem Zeigefinger von oben herab auf die ,,falsche” Konsumweise zu zeigen. Dies schwächt die realen Kämpfe und verbleibt in einem akademischen elitären Raum.

Wir möchten jede und jeden ermutigen, sich zu organisieren und gemeinsam für politische Veränderung einzusetzen. Wenn wir die bestehenden sozialen und ökologischen Probleme der Welt kritisieren, bleiben wir nicht stehen, sondern versuchen sie zu verändern. Nur wenn wir viele sind und geduldig und beständig gemeinsam kämpfen, schaffen wir es, dass aus der Klimakrise eine notwendig andere solidarische, gerechte und nachhaltige Welt hervorgeht. Wir glauben an Veränderung, denn in der Geschichte wurden schon so einige Veränderungen als unrealistisch, unglaubwürdig und utopisch deklariert.

Ein Beitrag von Nicole Möller González und Sergen Canoglu, beide sind seit Jahren aktiv in der Klimabewegung.


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[1] Dazu gib es ein empfehlenswertes Buch, das leider bis jetzt nur auf englisch erhältlich ist: Malm, Andreas (2017): Fossil Capital.

[2] Klein, Naomi (2015): Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima,Frankfurt am Main, S.148.

[3] ] Tanuro, Daniel (2015): Klimakrise und Kapitalismus, Köln, S. 71.

[4] Tanuro, Daniel: Klimakrise und Kapitalismus, Köln 2015, S. 62.

[5] Brand, Ulrich/ Wissen, Markus: Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus, München 2017, S. 104.

[6] Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1844), in: Marx/Engels/Werke Band 1, Berlin 1981, S. 385.

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