Studis auf die Straße – jetzt!

CDU und SPD arbeiten bundesweit an einem Studiengebühren-Comeback. Eine grüne Ministerin führt sie bereits ein. Warum wir jetzt dagegen protestieren müssen, erklärt Julian Nikolaus Rensi.

Schon einmal wollte man in Deutschland Studiengebühren einführen. Das war 2005. Schon einmal scheiterte die Durchsetzung angesichts einer Welle studentischen Protests. Das war 2009. Dennoch begeht Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nun diese Dummheit ein zweites Mal. Sanft, nicht wählerverschreckend, denn die Gebühren in Höhe von 650 bzw. 1500 Euro sollen „nur“ für Zweitstudien und nichteuropäische Studierende gelten. Alles soll sozial verträglich gestaltet werden. Viele Ausnahmen würde das Gesetz beinhalten, niemand würde dadurch benachteiligt.
Doch das ist rein illusorisch. Sozial verträgliche Studiengebühren kann es nicht geben. Schon gar nicht in Zeiten, in denen Studierende kaum noch BAföG erhalten, der Sozialstaat sich immer weniger für Studierende interessiert und Studienfinanzierung immer mehr zum quälenden Kraftakt wird.
Richtig ist daher, dass zahlreiche Studis in BaWü gegen das Vorhaben der Regierung auf die Straße gehen. Sie kritisieren, dass das Gesetz eine künstliche, rassistische Trennung zwischen ihnen und nicht-europäischen Studierenden zieht und stellen klar, dass Bildung ein Menschenrecht und keine Ware ist. Damit setzen sie ein klares, notwendiges Zeichen gegen Studiengebühren. Erst kürzlich stellte die FDP in Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Einführung von Studiengebühren und auch die CDU in NRW möchte Studiengebühren wieder einführen.
Doch was treibt Studis bei Lernstress und zwei Nebenjobs noch auf die Straße? Wohl auch die Sehnsucht nach einer gerechteren Gesellschaft, von der uns Studiengebühren ein ganzes Stück entfernen. Denn erstens zementieren sie gesellschaftliche Ungleichheit, da sie erwiesenermaßen eine Verringerung der Studierendenzahlen bewirken und dabei besonders Jugendliche aus finanziell schwachen Elternhäusern treffen. Zweitens vervollständigen sie die umfassende marktradikale Privatisierungsagenda, indem sie die Finanzierungslast vom Staat auf Private, in diesem Fall die Studierenden, verschiebt. Drittens wird das demokratische Prinzip unentgeltlicher höherer Bildung der Marktkonformität geopfert. Bibliothek, Seminar, Vorlesung dienen dann nicht mehr der befreienden individuellen Fähigkeits- und Persönlichkeitsentwicklung. Stattdessen wird das Studium zu einer durchkalkulierten, privaten Investition in das eigene „Humankapital“. Kritisches Denken bleibt mit einer solchen Perspektive auf der Strecke. Eine enorme Bedrohung in einer Welt, in der Kriege, Ausbeutung und Umweltzerstörung alltäglich sind. Eine solche Welt braucht mehr anstatt weniger kritischem Denken.
Kurzum, Studiengebühren sind zugleich Symptom und systemerhaltendes Instrument des neoliberalen Kapitalismus. Doch nur gegen die Gebühren zu sein reicht nicht. Langfristige Erfolge können nur dann erzielt werden, wenn der Protest die Ursachen der Symptome nicht ignoriert, wenn er auch das System verurteilt, das Gebühren hervorbringt und auch ständig wieder hervorbringen muss. Der Kampf gegen Studiengebühren muss also kapitalismuskritisch sein. Er muss Teil des Kampfes für ein demokratisches und humanistisches Hochschulwesen und gegen die marktradikale Hochschulpolitik sein. Teil also eines Kampfes gegen die neoliberale Zersetzung der Demokratie und für eine solidarische Gesellschaft.

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