Schwarzer Block gegen friedliche AktivistInnen

Beim jährlichen „Heldengedenken“ von Neonazis in der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Remagen kam es dieses Jahr zu Gewalt von Seiten der Polizei gegen linke Gegendemonstrierende. Zudem sind zahlreiche Antifaschist*innen nun von Repressionen betroffen.

Jedes Jahr marschieren Mitte November in Remagen Neonazis auf, um der „gefallenen Helden“ der Rheinwiesenlager zu gedenken. Dabei handelte es sich um alliierte Gefangenenlager nach dem 2. Weltkrieg, in denen wegen schlechter Haftbedingungen Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS ums Leben gekommen sind. Die Neonazis stellen dies als „Holocaust am deutschen Volk“ dar. Ebenfalls jedes Jahr formiert sich zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Gegenprotest, während die Polizei den reibungslosen Ablauf dieses offen neofaschistischen Aufmarsches mit Gewalt absichert. Die Gewalt ging in den letzten Jahren auch offen von den Neonazis gegen Linke aus: 2019 wurden nach der Abreise in Remagen am ca. 30 Kilometer entfernten Bonner Hauptbahnhof Aktivistinnen und Akitvisten gezielt von Neonazis attackiert. In verschiedenen bürgerlichen Medien wurde dieser Angriff verzerrt als „Massenschlägerei zwischen Links- und Rechtsextremisten“ dargestellt.

Copyright ahr-foto/Vollrath

Ungefähr 150 Menschen folgten am 14. November 2020 dem Aufruf des Bündnisses BlockZHG und versuchten, die Jahnstraße, die auf der Route der Nazis liegt, zu blockieren. Sofort räumte die Polizei die Straße frei und kesselte 89 Aktivistinnen und Aktivisten auf der einen Straßenseite ein, während auf der anderen Straßenseite 30 Aktivistinnen und Aktivisten festgehalten wurden. Anstatt dabei deeskalierend zu wirken, tat die Polizei das Gegenteil: Es wurde grundlos und brutal auf die Aktivistinnen und Aktivisten eingeschlagen, eingetreten und Pfefferspray eingesetzt. Es kam zu mehreren Verletzten, darunter auch zu einer Gehirnerschütterung und einer gebrochenen Nase bei einem Aktivisten, die operiert werden musste. Die Teilnehmenden der Blockade hatten eigentlich sorgfältig auf Abstände geachtet, um die Gefahr von Corona-Infektionen möglichst gering zu halten. Marcel*, ein Aktivist von BlockZHG der sich im Polizeikessel befand, beschreibt die Situation folgendermaßen: „Im Kessel konnten die Abstände nicht eingehalten werden. Wir wurden eng zusammengepfercht. Die Polizei war nicht bereit, uns Abstände zu ermöglichen.“ Mehrere Medien, wie der SWR oder der Bonner Generalanzeiger, übernahmen noch am selben Abend unkritisch die Pressemeldungen der Polizei, in denen von verletzten Polizistinnen und Polizisten, jedoch nicht von verletzten Demonstrierenden die Rede war. Außerdem war von einem gezielten „Angriff von Linksautonomen auf Rechte und die Polizei“ die Rede, obwohl es sich um den Versuch einer friedlichen Sitzblockade handelte und die Gewalt nicht von den Aktivistinnen und Aktivisten ausging, sondern ganz klar von der Polizei.

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Im Jahr, in dem Bilder heftigster Polizeigewalt um die Welt gingen und die deutsche Polizei vor allem durch rechte Netzwerke auffiel, hinterlässt das, was in Remagen geschehen ist, mehr als nur einen schlechten Beigeschmack. Warum geht die Polizei so aggressiv gegen den antifaschistischen Gegenprotest vor? Linke wurden den ganzen Tag über gefilmt, schikaniert, provoziert. Die Nazis hingegen konnten offen ihre braune Geschichtsfälschung und ihre Hasspropaganda verbreiten. Das Ende vom Lied sind willkürliche Anschuldigungen wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch, tätlichem Angriff, Widerstand gegen die Staatsgewalt, die nun gegen die 89 Aktivistinnen und Aktivisten, die sich im Polizeikessel befunden haben, im Raum stehen. Was ihnen genau vorgeworfen wird, ist jedoch noch nicht klar. „Im schlimmsten Fall wird sich der Staat an G20 orientieren“, so die Einschätzung von Marcel. Im Rahmen der Prozesse im Nachgang der G20-Proteste 2017 in Hamburg wurden Angeklagte nach Kollektivstrafe verurteilt. Auch beim aktuellen Rondenbarg-Prozess stehen viele Demonstrienden nun vor Gericht, wobei das Einzige, was ihnen vorgeworfen werden kann, ist, dass sie an einer Demo teilnahmen. Die Anklagen, die gegen sie erhoben werden, sprechen jedoch eine andere Sprache. Was bei dem Prozess letztendlich herauskommt, wird erst in ein paar Monaten feststehen.

BlockZHG sieht seine Aktion trotzdem als Erfolg. „Dazu gehört auch die Mobilisierungsstärke. Wir waren mit 150 Leuten im Block, trotz der Umstände. Wir konnten ja vorher keine offenen Treffen oder Blockadetrainings machen“, so Marcel. „Wegen Repressionen zu sagen, es wäre kein Erfolg gewesen, wäre falsch.“ Dass so viele Leute in Remagen bereit waren, die Nazis zu blockieren, lag an der frühzeitigen Bündnisarbeit. Zudem wurde sich von den Teilnehmenden positiv über die Solidarität untereinander geäußert, sowohl am Tag der Aktion selbst als auch im Nachgang, beispielsweise über den eingerichteten Betroffenenverteiler, über den man kommunizieren kann.

Wer helfen möchte: Die Rote Hilfe e.V. hat ein Spendenkonto für die von Repressionen betroffenen Aktivistinnen und Aktivisten nach der Nazidemo in Remagen am 14. November 2020 eingerichtet und verkauft über ihre Kanäle schicke Soli-T-Shirts.

Empfänger: Rote Hilfe e.V.
IBAN: DE72 4306 0967 4007 2383 02
Wichtig: Verwendungszweck: Remagen

*Name von der Redaktion geändert

Von Lea und Patrick aus der critica-Redaktion.

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