Palästina - Foto: Rusty Stewart - CC BY-ND 2.0

Palästina und die arabische Straße

Die von Trump verkündete Verlegung der US-Botschaft von Tel-Aviv nach Jerusalem war der Anlass für weltweite Proteste der Solidarität mit den Palästinensern. Auf den Stufen zum Gebäude der Journalistenunion in Kairo verbrannten Protestierende die amerikanische Flagge und hielten Plakate hoch, auf denen sie Trump und seinen örtlichen Komplizen, Ägyptens Dikator al-Sisi, verurteilten, während zeitgleich Tausende Menschen auf die Straßen Jordaniens, Libanons, Algeriens, Marokkos, Iraks, Jemens und Syriens strömten.

Trumps Schritt und die Reaktionen darauf begründen in aller Regel zwei verschiedene Interpretationen.

Die einen meinen, Trump wolle damit lediglich sein Wahlversprechen an unnachgiebige pro-Israel Gruppierungen und an die rechten christlichen Evengelikalen einlösen. Und in der Tat besteht seit Jahren schon zwischen beiden Gruppierungen eine Zweckehe. Der Glaube der evangelischen Christen, dass die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt durch die USA die Apokalypse schneller herbeiführen wird, wird von rechten Zionisten in den USA selbst und auch in Israel gefördert, die darin einen Schritt sehen auf dem Weg zu einer offenen Zustimmung seitens der USA für die israelische Besetzung Ostjerusalems.

Andere meinen, es gehe hier in Wirklichkeit weniger um arrangierte Abendessen mit Trumps Anhängern auf der radikalen und religiösen Rechten, sondern vielmehr um regionale Machtverschiebungen zwischen dem Iran und den arabischen Golfstaaten.

Der Anspruch des neuen saudi-arabischen Kronprinzen Mohamed Bin Salman auf die regionale politische Führerschaft gründet auf dem Aufstieg des Golfs zu einem Zentrum der globalen Kapitalakkumulation, das nicht nur eingebettet ist in die neoliberale Weltordnung, sondern darüber hinaus zu einer Hauptsäule der US-amerikanischen Architektur des Imperialismus und ihrer Dominanz im Nahen Osten seit dem Rückzug der Sowjetunion in den 1980er Jahren avanciert ist.

Die Kooperation mit Israel ist seit eh und je der von den USA und ihren Verbündeten verlangte Preis für den Eintritt in ihren Wirtschaftsclub. So hat der gegenwärtig verschärfte Wettkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran die sunnitisch-arabischen Staaten, die Mohamed Bin Salman anzuführen beansprucht, enger auf Linie mit den aufsteigenden rechten politischen Kräften in den USA und in Israel selbst gebracht.

Aber diese beiden Erzählweisen lassen einen dritten Faktor unbeachtet: das Potenzial für Widerstand an der Basis der palästinensischen Gesellschaft und darüber hinaus in der arabischen Welt, der die Karten ganz neu mischen könnte. Das überrascht nicht wirklich, denn die revolutionären Explosionen des arabischen Frühlings liegen mittlerweile sieben Jahre zurück, und die tödliche Konkurrenz zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wächst eben auf deren Trümmern und reiht sich ein in die von den herrschenden Klassen der Region losgetretenen Konterrevolutionen.

Die Massenbewegungen mit ihren Forderungen nach Brot, Frieden und sozialer Gerechtigkeit haben sich zurückgezogen, zehntausende Aktivisten darben in Gefängnissen, und eine zusammengewürfelter Haufen republikanischer Diktaturen und autoritärer Monarchien scheinen die Opposition daheim ausgelöscht zu haben.

Das Problem mit dieser Sichtweise ist, dass sie außer Acht lässt, wie die Solidarität mit Palästina historisch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung heimischer Bewegungen spielte, die die herrschenden Klassen der arabischen Staaten von unten herausforderten.

In Ägypten beispielsweise lassen sich die Wurzeln der revolutionären Mobilisierung, die Anfang 2011 den Sturz Mubaraks bewirkte, auf die Gründung verschiedener Solidaritätsnetzwerke mit der Zweiten Intifada von 2000 zurückverfolgen, die eine neue Generation von Aktivisten auf die Straßen Kairos und Alexandrias brachte.

Das Zusammenrücken Israels mit den neoliberalen Kapitalisten am Golf und Teilen der palästinensischen Bourgeoisie, die von ihrem behaglichen Verhältnis mit den Besatzern profitieren, zeigt, dass der Kampf für die Befreiung Palästinas vom umfassenderen Kampf für revolutionäre Veränderung in der gesamten Region nicht zu trennen ist.

Das unterstreicht die zentrale Bedeutung einer Mobilisierung der Arbeiterklasse über die Grenzen Palästinas hinaus für den Erfolg der palästinensischen Befreiung.

Die wichtigsten Verbündeten des palästinensischen Kampfes hausen nicht in den Präsidentenpalästen der Region, es sind vielmehr diejenigen in den arabischen Ländern, die in den Fabriken, auf den Straßen und Feldern ausgebeutet und unterdrückt werden.

Von Anne Alexander, zuerst erschienen auf Socialist Review, aus dem Englischen von David Paenson.

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