Massenproteste gegen ägyptischen Diktator Al-Sisi

In Ägypten nehmen die Proteste gegen die Regime zu, trotz Repression und der Unterstützung der Regierung durch internationale Verbündete. An der Spitze der Proteste stehen Arbeiter und Jugendliche, die sich nicht mit dem Status Quo und der Einschränkung ihrer Rechte abfinden wollen.

Trotz eines Demonstrationsverbotes der Regierung, beteiligten sich in den vergangenen Tagen Zehntausende an Protesten gegen die Militärdiktatur in Ägypten. Bereits am 15. April hatten in vielen Städten tausende Menschen demonstriert.

Ägypten: Die Proteste vom 25. April

Nun gingen am vergangenen Freitag wieder Tausende auf die Straße und auch am Montag den 25. April zogen Menschen durch die verschiedenen Viertel Kairos. Auch in anderen Städten gab es Proteste. Aufgerufen hatten Aktivistinnen und Aktivisten, oppositionelle Politiker und Menschenrechtler. Es demonstrierten aber auch viele Menschen, die das Regime lange unterstützt haben. Es sind die größten Proteste unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der sich 2013 mit Hilfe des Militärs ins Amt geputscht hatte.

Ausgelöst wurden die Demonstrationen unter dem Motto »Ägypten steht nicht zum Verkauf« durch die Entscheidung der Führung, Saudi-Arabien als Gegenleistung für seine milliardenschweren Finanzhilfen zwei unbewohnte Inseln vor der Sinaiküste abzutreten. Doch auch allgemeinere Fragen, wie die nach Demokratie und den Rechten von Beschäftigten spielen bei den Mobilisierungen eine Rolle. Schon länger gärt die Unzufriedenheit gegen die alltägliche Gewalt und die Einschränkungen durch die Militärdiktatur. Die jüngsten Proteste wurden zum Ventil für die zunehmende Unzufriedenheit breiter Schichten der Bevölkerung. Die Slogans der Protestierenden erinnern an die Revolution von 2011. Sie skandierten Slogans wie: »Al-Sisi, hau ab!«, »Das Volk will den Sturz des Regimes« oder »Brot, Freiheit und die Inseln sind ägyptisch!«, eine Variation eines weiteren Schlachtrufs vom Tahrir-Platz.

Repression in Ägypten

Zwar sind es nicht, wie bei der Revolution 2011, Millionen die auf die Straße gehen. Aber das Regime ist trotzdem nervös und versucht das neue Selbstbewusstsein der Bewegung durch Repression im Keim zu ersticken. Um die Proteste vom 25. April zu verhindern verwandelte die Regierung Kairo in eine Festung. Rund um den Tahrir-Platz und an anderen Orten waren am Montagmorgen tausende Einsatzkräfte in Stellung gegangen. Die U-Bahn-Station am Tahrir-Platz wurde gesperrt, mindestens vier Kampfjets überflogen zeitweise die Stadt. Trotzdem gingen Menschen auf die Straße, doch die Polizei feuerte Tränengas auf Protestierende und schlug mit Gummiknüppeln auf sie ein. Nicht nur in Kairo, sondern auch in Alexandria, Assuan und anderen Städten sind Menschen von der Polizei gejagt und verhaftet worden. Nach Angaben von Amnesty International wurden bei den Protesten landesweit mehr als 300 Menschen festgenommen. Der ägyptische Journalistenverband spricht allein von 44 festgenommenen Journalisten, die über die Demonstrationen berichten wollten. Schon im Vorfeld der Proteste am 25. April haben Sicherheitskräfte Aktivistinnen und Aktivisten verhaftet, um sie an der Teilnahme der Demonstrationen zu hindern. Dazu gehörten auch der Arbeitsrechtler Haitham Mohamedain . Die Regierung konnte das neue, strengere »Anti-Terror-Gesetz« anwenden. Dieses garantiert unter anderem Sicherheitskräften Straffreiheit bei Gewaltanwendung »in Ausübung ihrer Pflichten«. Unter »Terrorismusverdacht« gerät jetzt bereits, wer vor Regierungsgebäuden demonstriert. Journalisten, die bei der Berichterstattung über Anti-Terror-Einsätze von der staatlichen Version abweichen, riskieren Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro.

Ägypten: Regime in der Krise

Trotz der harschen Unterdrückung ist das Regime in der Krise. Die jetzige Verdichtung der Probleme in Ägypten erinnert an die Situation im Jahre 2011 vor dem Sturz des Diktators Hosni Mubarak. Das Ausmaß der Polizeigewalt und der staatlichen Repression hat viele Menschen geschockt. In den westlichen Medien wurde vor allem über den Fall des zu Tode gefolterten Italieners Giulio Regeni berichtet. Doch dieser Fall ist nur die Spitze des Eisberges – hunderte Menschen wurden vom Sicherheitsapparat gekidnappt, gefoltert oder ermordet. Der ägyptische Sozialist Sameh Naguib schreibt: „Das Regime von al-Sisi ist repressiver und gewalttätiger und für politische Oppositionelle gibt es heute weniger Raum als in irgendeiner früheren Phase, einschließlich der Jahre unter dem Diktator Mubarak. In den drei Jahrzehnten, die Mubarak an der Macht war, wurden 30.000 politische Verhaftungen gezählt. Seit Abd al-Fattah al-Sisi im Juli 2013 gestützt auf das Militär putschte, sind schätzungsweise 50.000 Menschen aus politischen Gründen eingesperrt worden.“ Doch die Menschen beginnen sich wieder sich dagegen zu wehren. Nachdem letzten Monat bekannt wurde, dass in Kairo ein Polizist einen Taxifahrer im Streit über den Fahrpreis in den Kopf schoss und tötete, protestierten Tausende vor dem Innenministerium.

Soziale Misere in Ägypten

Gleichzeitig hat sich an der sozialen Misere im Land nichts verändert. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, weil der Tourismus brach liegt. Der Suezkanal, zweitwichtigster Devisenbringer, verzeichnet sinkende Durchfahrtszahlen und erwirtschaftet so weniger Einnahmen für die Regierung. Die Weltbank hat die Wachstumsprognosen auf 3,3 Prozent nach unten korrigiert. Die Regierung hat die ägyptische Währung gegenüber dem Dollar abgewertet – allein im vergangenen Vierteljahr um rund 30 Prozent. Das bedeutet Preiserhöhungen, die vor allem Arbeiter und die Armen treffen. Es bedeutet aber auch, dass Rohstoffe für Unternehmen teurer sind, was auch innerhalb der herrschenden Klasse zu Frust und Ärger gegen al-Sisi führt. Ägypten ist der größte Weizenimporteur der Welt. Al-Sisi hat zwar versprochen, dass die Preise bis zum Beginn des Ramadan nicht angehoben würden, aber ob er das Versprechen halten kann ist unklar. Die ägyptischen Währungsreserven sind stark geschrumpft, die Währung – das ägyptische Pfund – ist im freien Fall, das Staatsdefizit gewaltig.

Bundesregierung unterstützt Diktator

Trotz der Protest in Ägypten unterstützt die Bundesregierung auf unterschiedliche Art und Weise das Militärregime. Mitte April verkündete Vizekanzler Sigmar Gabriel, dass er dem umstrittenen Präsidenten al-Sisi eine »Stabilisierung« des Landes zutraut. »Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten«, sagte Gabriel. Die Motive, die die Bundesregierung antreiben, liegen auf der Hand. So wurde der Bundeswirtschaftsminister bei seinem Besuch von fast 100 Wirtschaftsvertretern begleitet, die auf neue Großaufträge am Nil hoffen. Auf einer Investorenkonferenz in Scharm el-Scheich förderte Wirtschaftsminister Gabriel bereits den Abschluss eines milliardenschweren Energiedeals für Siemens. Aber auch das Geschäft mit der Rüstung blüht. Die ägyptische Regierung hat vier deutsche U-Boote geordert, setzt auf deutsche Grenzschutzanlagen und Rüstungsgüter.

Ägypten kämpft gegen Geflüchtete

Ein anderer Grund für die Unterstützung des Diktators ist der Kampf gegen Geflüchtete. Bei einem Besuch des Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière im März, erklärte der Minister die Arabische Republik sei „ein unverzichtbarer Verbündeter im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und auch im Kampf gegen irreguläre Migration“. Durch die Aufstellung von Grenzzäunen, Stacheldraht und die Wiedereinführung von Kontrollen in mehreren Ländern, kommen immer weniger Menschen über die Balkanroute nach Europa. Die Bundesregierung will nun verhindern, dass Ägypten eine „Ausweichroute“ für Geflüchtete werden könnte. In Ägyptens leben rund fünf Millionen Flüchtlinge. Die meisten stammen aus dem Sudan sowie ostafrikanischen Staaten wie Somalia, Äthiopien und Eritrea. Doch auch rund 130.000 Syrer sind beim UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR in Ägypten registriert, die Dunkelziffer dürfte indes deutlich höher sein. Viele Menschen lassen sich nicht von den Behörden erfassen, weil für sie Ägypten nur eine Durchgangsstation ist, ein Transitland auf dem Weg nach Europa. Von der ägyptischen Nordküste aus wollen sie die riskante Fahrt über das Mittelmeer antreten. Zwischen 10 und 15 Tagen dauert die Fahrt nach Italien, knapp 3.000 Dollar kostet ein Platz im Boot. Doch Ägypten illegal zu verlassen wird immer schwieriger. Denn immer häufiger werden Flüchtlinge von der Küstenwache oder Polizei geschnappt. Hunderte sollen es laut Menschenrechtsorganisationen jeden Monat sein, unter den Inhaftierten sind neben Syrern auch Flüchtlinge aus dem Sudan, Eritrea, Somalia und dem Irak. Laut dem UNHCR in Kairo hat sich die Zahl der Verhaftungen zuletzt fast verdoppelt. Mit den härteren Grenzkontrollen erledigt die Regierung in Ägypten die Drecksarbeit für die Europäische Union.

Ägypten braucht eine vereinigte Opposition

Während die Europäische Union und Deutschland den Diktator unterstützen, versucht er selber die Proteste schlecht zu reden. In einer Fernsehansprache forderte er die »Bürger« auf, den »Staat und seine Institutionen zu verteidigen« und bezeichnete die Protestierenden als »Kräfte des Bösen«. Es ist offen, ob sich die Proteste weiter ausweiten oder sich die Regierung mit ihrer Strategie der Repression durchsetzt. Die Linke in Ägypten steht in jedem Fall vor wichtigen Herausforderungen. Der ägyptische Sozialist Sameh Naguib schreibt: »Wir brauchen eine vereinigte Opposition gegen die Militärdiktatur, einschließlich der Linken und der muslimischen Kräfte und all jener Elemente, die wesentliche Teile der Revolution waren. In diesem Rahmen haben wir die Möglichkeit, eine säkulare Alternative aufzubauen. Nur so können wir das jetzige Momentum nutzen, um uns für die nächste Revolution in Ägypten vorzubereiten.« Um die neuen Protestbewegung zu unterstützen, ruft die internationale Kampagne „Egypt Solidarity“ zu Solidarität mit den verhafteten Aktivistinnen und Aktivisten auf.

Ein Artikel von Yaak Pabst, der im Magazin Marx21 veröffentlicht wurde.

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