Linke Friedensfahne - Bild: Die Linke.NRW

Friedenspartei – Schon lange nicht mehr!

Während einige Abgeordnete, wie Özlem Alev Demirel oder bis zu ihrem Parteiaustritt auch Sevim Dagdelen, unermüdlich für die Verteidigung der friedenspolitischen Grundsätze der Linkspartei kämpfen, werden ihre Bemühungen von anderen hochrangingen Parteifunktionären, wie dem mittlerweile ehemaligem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch oder dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, stets eingerissen.

Vor etwas über einem Jahr verkündete Bundeskanzler Scholz eine Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Prozent des BIPs, das wären jährlich über 20 Milliarden Euro mehr als aktuell und ein einmaliges Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und rief damit wahrlich eine Zeitenwende hin zum Wiedererstarken des deutschen Imperialismus aus. Der friedenspolitische Diskurs innerhalb der Linken wandelt sich seither eher dahingehend, inwieweit dieses Wiedererstarken mitgetragen werden kann.

Anstatt dieser Zeitenwende mit klarem antiimperialistischem Profil entgegenzutreten, wird sich mit der Diskussion um die Notwendigkeit von Waffenlieferungen oder der Sinnhaftigkeit der imperialistischen NATO beschäftigt. So versucht der Reformerflügel den Ukrainekrieg für das Schleifen des friedenspolitischen Parteiprogramms bis hin zur „Regierungsfähigkeit“ zu missbrauchen.

Höhns Diskussionspapier – Anbiederung statt Opposition?

Schon im Januar 2021, wenige Monate vor der letzten Bundestagswahl, forderte, der damalige sicherheitspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Matthias Höhn in einem Diskussionspapier, dass die EU „als politischer Akteur mit eigenständigen Interessen agieren“ und mit „gemeinsamen europäischen Streitkräften“ „sicherheitspolitisch handlungsfähig“ werden müsse und offenbarte somit sein mangelndes Verständnis für Imperialismus. Er warb zwar gleichzeitig für mehr „wechselseitiges Verständnis“ und den Aufbau einer Vertrauensbasis auf diplomatischer Ebene, ließ dabei jedoch außen vor, dass Krieg kein Ergebnis von Diplomatieversagen ist, sondern ein Ergebnis aus wirtschaftlicher und politischer Konkurrenz im Wettstreit um Märkte und Rohstoffe. Das Hochzüchten der Europäischen Union zu einer weiteren militärischen Supermacht, spielt somit lediglich jenen in die Karten, die die EU für sich verschärfende Großmachtkonflikte in Stellung bringen wollen. Eine auf Frieden ausgelegte Sicherheitspolitik schaut da jedenfalls anders aus.

Höhn forderte im selben Diskussionspapier mehr „humanitäre“ Einsätze unter deutscher Führung, sowie die Modernisierung der Armee unter Einhaltung des Zwei-Prozent-Zieles, wobei er sich am neoliberalen Narrativ der „kaputtgesparten Bundeswehr“ bediente. Letztere Forderung verschleierte er durch sein „1-plus-1-Prozent-Ziel“, in dem er eine gleichgewichtige Verteilung des Militärbudgets auf internationale Zusammenarbeit und Struktur und Verteidigungshaushalt vorschlug. In einem TAZ-Interview legitimierte er wenig später die Auslandseinätze in Afghanistan und Mali.

Wie selbst Kevin Kühnert damals schon erkannte, war dies der erste Schritt zur Anbiederung an SPD und Grüne, also der Startschuss im Kampf um die Aufkündigung des Friedensprogramms zugunsten von „Regierungsfähigkeit“.

Während Höhns Positionen vor fast drei Jahren noch weniger Anklang innerhalb der Partei fanden, sowohl der NRW-Parteivorstand als auch der Bundesvorstand veröffentlichten eine nahezu einstimmige Stellungnahme gegen das Papier, bekommen diese Positionen mit der Zeit immer mehr Zulauf.

Der „linke“ Schrei nach Waffen

Im Bundestagswahlkampf 2021 folgte der Spitzenkandidat und damalige Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch mit der Forderung nach Waffenlieferungen, im speziellen nach atomwaffenfähigen U-Booten, an den israelischen Apartheidstaat1. Er begründete dies mit der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber dem am Nahostkonflikt beteiligten Staat, der in aller Regelmäßigkeit Völker- und Menschenrechtsverletzungen begeht.

Seit Beginn des Ukrainekrieges üben sich, entgegen des Parteiprogrammes, immer mehr Mitglieder in dem Schreien nach Waffenlieferungen. So erlangte diese Forderung die erneute Zustimmung von Bartsch, aber auch von anderen Parteigrößen und Landesverbänden, wie etwa von Bodo Ramelow, der sich nebenbei auch als Befürworter der Wehrpflicht bekannt hatte, oder beispielsweise dem Bremer Landesverband, der im Bürgerschaftswahlkampf 2023 zuletzt für die Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine eingetreten ist2

Wie die deutsche Linke im Umgang mit Gaza versagt

Als wären all diese Fehltritte nicht schon genug, war kürzlich auch festzustellen, dass die Massaker an den Palästinensern nicht benannt werden und die Linkspartei sich in der Entmenschlichung der Palästinenser einreiht. Während die Vertreibungspolitik in Gaza fortschreitet, echauffiert sich der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte beispielsweise lediglich darüber, dass Die Linke die gemeinsame Solidaritätsbekundung für Israel, die als Antrag von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen im Bundestag eingebracht wurde, nicht mitunterschreiben durfte.

Weltweit stehen Linke, wie beispielsweise der Knesset-Abgeordnete Ofer Cassif, Jeremy Corbyn, Yanis Varoufakis oder die irischen Europaparlamentsabgeordneten Clare Daly und Mick Wallace, fest an der Seite der Palästinenser. Das zeigt sich auch in ihrer Unterstützung der Genozidklage Südafrikas vor dem ICJ. Varoufakis zeigte sich hierzu beispielsweise erfreut, dass sich endlich eine Regierung, die tatsächlich weiß was Apartheid bedeutet, traut Scholz, Macron, von der Leyen, Mitsotakis und Co. zu demaskieren und für das palästinensische Volk, das von Hunger, Durst, permanenter Unterdrückung und Bombardierung geplagt wird, aufsteht. Er kritisierte S&D und Teile der European Left im Europaparlament für ihr Schweigen und führte aus, dass Israel bis zum Ende des Genozids in Gaza und bis zum Ende der Apartheid strikt boykottiert werden solle3. Das sind klare Stimmen, die der Linkspartei in Deutschland fehlen.

Auch Nicaraguas Klage vor dem ICJ, die Deutschland, Großbritannien, Kanada und den Niederlanden aufgrund ihrer andauernden Waffenlieferungen an Israel eine Mitschuld am Genozid an den Palästinensern gibt und die in den deutschen Medien keine Beachtung findet, wird von der Linken hierzulande vollkommen ignoriert. Die Möglichkeit die Bundesregierung für ihre Mittäterschaft zur Rechenschaft zu ziehen wird nicht genutzt. Weshalb sollten sie diese Gelegenheit auch nutzen – der Kurs der Linken weicht, bis auf zaghafte Betonungen der Waffenstillstandsforderungen, hiervon ja kaum ab.

Die Linkspartei wird mit dem Schweigen zu Israels Besatzungspolitik, den Massakern und der Rolle des westlichen Imperialismus irrelevant. Sie blendet den Beginn des Konflikts, die gewaltsame Vertreibung von 750.000 Palästinensern zur Staatsgründung Israels 19484, und das über 75 Jahre andauernde tagtägliche Leid auf Seiten Palästinas vollständig aus. Eine Partei, die einen Genozid, wie er aktuell über Gaza herzieht, nicht benennt und nicht verurteilt, hat die Label Friedenspartei und humanistisch nicht verdient.

Kein Frieden mit der Linkspartei

Die friedenspolitischen Entgleisungen der Partei führen dazu, dass DIE LINKE kein verlässlicher Partner für die Friedensbewegung mehr ist. Die selbsternannte „Friedenspartei“ hat es schon lange nicht mehr verdient, sich als solche zu bezeichnen. Der langjährige Anbiederungsprozess an SPD und Grüne ist mittlerweile unumkehrbar abgeschlossen – Die Linkspartei hat die Friedensfrage verraten.

Wäre die Linkspartei tatsächlich eine Friedenspartei, so müsste sie sich in der aktuellen Situation auf den alten sozialistischen Geist besinnen und mutig gegen den aktuellen Regierungskurs, der auf Aufrüstung, Imperialismus und Kriegstreiberei basiert, aufstehen. Sie müsste Rückgrat beweisen, wie einst Karl Liebknecht, als er als einziger Abgeordneter im Reichstag gegen die Kriegskredite für den ersten Weltkrieg stimmte. Sie müsste nicht nur jedes Jahr an Liebknecht erinnern, sondern auch die richtigen Lehren aus seinen Taten und Schriften ziehen. Hierzu ist sie offensichtlich aber weder gewillt noch fähig genug.

  1. Zu weiteren Informationen, weshalb ich Israel als Apartheidstaat bezeichne lesen Sie bitte folgende Menschenrechtsreports: Israeli Apartheid: „A Threshold Crossed“ | Human Rights Watch (hrw.org); Apartheid | B’Tselem (btselem.org); Israel’s apartheid against Palestinians – Amnesty International ↩︎
  2. Linkspartei vor der Wahl in Bremen: Die letzte Chance – taz.de; „Und die Bremer Linke ist der einzige Landesverband, der sich für Waffenlieferungen an die Ukrai­ne ausgesprochen hat.“ ↩︎
  3. Instagram: DiEM25 – Varoufakis zu Südafrikas ICJ-Klage ↩︎
  4. In 1948, Israeli forces drove 750,000 Palestinians out in the Nakba – The Washington Post ↩︎

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