Donald Trump hat ein Problem sich von der extremen Rechten zu distanzieren, wie am vergangenen Wochenende deutlich geworden ist. Dies liegt nicht nur daran, dass er ihnen in Teilen ideologisch nahesteht, sondern sie auch schon seit Beginn zu seinen größten Unterstützern gehören. Von Scott McLemee
Einen Tag nach der kleinsten Beteiligung der Öffentlichkeit an der Amtseinführung eines US-Präsidenten seit Menschengedenken nahmen etwa eine halbe Million Menschen am Frauenmarsch auf Washington teil, um Trumps Programm der Angriffe auf Migrantinnen und Migranten, des Frauenhasses und der Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung anzuprangern. Wahrscheinlich war es der größte Protest seit den Antikriegskundgebungen während der zweiten Amtszeit von George W. Bush, und mehrere Rednerinnen drückten ihre Solidarität mit der „Black Lives Matter“-Bewegung gegen Polizeigewalt aus. Kurz gesagt, es könnte sehr wohl sein, das Donald Trump auf dem Weg ist, eine neue Massenradikalisierung von einem Ausmaß zu inspirieren, wie sie Linke in Amerika in den letzten Jahrzehnten nur erträumt haben.
Erst vor zwei Monaten war die am meisten mit Trump identifizierte Bewegung die sogenannte „alt-right“-Bewegung (etwa „alternative Rechte“«, d. Red.), die aus extrem Rechten besteht, wie zum Beispiel den Neofaschisten, die sich Richard Spencer anschlossen, als er während einer Veranstaltung des National Policy Institute, einer Denkfabrik der weißen Rassisten, „Heil Trump!“ skandierte. Eine andere führende Person der „alt-right“-Bewegung, Trumps Kampagnenleiter Stephen Bannon, dient jetzt als Chefstratege und oberster Berater des Präsidenten. Zweifelsohne ist er derjenige Berater, der Trumps Glauben anstachelt, dass sein Wahlerfolg ein Beweis für eine Massenbewegung sei. Alle, die Trumps Kampagne genau beobachteten, konnten sehen, wie sehr er sich nach dem Jubel der Massen sehnte, die im Einklang mit seiner Stimmung lachten, jubelten und Wut ausdrückten.
Trump und die Republikaner
Trump weiß wenig über das komplizierte ideologische Terrain des amerikanischen Konservatismus. Er tritt sein Amt mit einem Kongress an, der von der Republikanischen Partei dominiert ist. Und diese Partei – wie es einer ihrer führenden Strategen ausgedrückt hat – braucht nur einen Präsidenten, der genügend Finger hat, um die Gesetze zu unterschreiben, die sie ihm schickt. In dieser Hinsicht ist Trump qualifiziert, also glaubt die Führung der Republikaner, dass sie mit ihm arbeiten könne. Sie sind sich alle einig, dass sie Steuern senken, Bildung privatisieren, die Rechte der Frauen und der LGBT-Community einschränken und die Regulierung der Wirtschaft abschaffen oder verhindern wollen.
Die meisten dieser Punkte sind seit Jahrzehnten zentrale Bestandteile des Programms der Republikaner – zusammen mit der Unterstützung von Militärausgaben und einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik. Dabei wurde offener Rassismus allerdings zumeist vermieden. Der verstorbene Lee Atwater, ein einflussreicher Führer der Republikaner, erklärte einmal, dass das Ködern mit Rassismus unbeliebt und unwirksam geworden sei, also bestehe die List darin, subtiler zu sein.“Man spricht über wirtschaftliche Fragen“, sagte er einmal einem Politikwissenschaftler, „und ein Nebenprodukt davon ist, dass die Schwarzen schwerer darunter leiden als die Weißen.“
Organisierter Rassismus
Der politische Aufstieg Trumps begann mit einer Variante dieser Taktik: Er vertrat die Ansicht, dass Barack Obama nicht beweisen könne, dass er amerikanischer Staatsbürger sei. Aber seine Kampagnenrhetorik gegen mexikanische und muslimische Einwanderinnen und Einwanderer war weit weniger subtil. Das erwies sich für die Führer der Republikaner als peinlich, aber sie waren kaum imstande, sich prinzipiell dagegen zu stellen. Gleichzeitig hatte sich innerhalb der amerikanischen Rechten unter der Einwirkung der Weltwirtschaftskrise eine Spannung verstärkt: Die Propaganda der Republikaner feiert die Rolle der Reichen als Arbeitgeber, verkündet die Tugenden des Kleinunternehmertums und erklärt die Kleinstädte in ländlichen Gebieten zum wahren Amerika. Aber die Politik, die sie wirklich betrieben und die weitgehend auch von der Demokratischen Partei unter Clinton und Obama unterstützt wurde, hat die wirtschaftliche Unsicherheit und Ungleichheit in einem Ausmaß erhöht, das seit der Depression der 1930er nicht mehr zu sehen war.
Spencer, Bannon, und Andere aus der „alt-right“-Bewegung sehen ihre Rolle darin, Mechanismen der politischen und gesellschaftlichen Herrschaft über eine Bevölkerung aufzubauen, die über die nächsten zwei Jahrzehnte ethnisch und kulturell noch heterogener wird – während es gleichzeitig unwahrscheinlich ist, dass ihr Lebensstandard durch die freie Marktwirtschaft steigen wird. Sie lehnen sowohl den Neoliberalismus als auch die Zurückhaltung nach Atwaters Art ab, sondern schüren rassistische Feindseligkeit. Und sie betrachten die Mehrheit der Führung der Republikaner als Feinde.
Zwischen den Stühlen
Zweifelsohne hat Donald Trump davon keine Ahnung. Er hat seine ersten Amtswochen in siedender Wut über Attacken seitens der Medien verbracht und schäumt darüber, dass er sein Amt mit der niedrigsten Zustimmungsrate angetreten hat, die ein angehender Präsident jemals genossen hat. Er steht jetzt auf der Spannungslinie zwischen einerseits denjenigen Kongressabgeordneten, die sich als die politischen Erben Ronald Reagans betrachten, und andererseits denjenigen, die Bannons Bestrebung teilen, die Republikanische Partei zu zerstören und sie durch etwas Grausameres und Brutaleres zu ersetzen. Das ist, mit anderen Worten, eine prekäre und wacklige Position, und sie kann noch brisanter werden, wenn die extreme Rechte in anderen Ländern mobilisiert.
Millionen Menschen in den USA denken darüber nach, wie sie Trumps Angriffe auf gefährdete Teile der Bevölkerung abwehren können. Und wenn sie weitere Millionen überall in der Welt sehen, die aus Solidarität auf die Straße gehen, kann das nur eine Hilfe sein. Wie die alte gewerkschaftliche Parole der Industrial Workers of the World sagt: Ein Angriff auf Einen ist ein Angriff auf Alle.
Der Autor:
Scott McLemee ist regelmäßiger Kolumnist bei der amerikanischen Zeitschrift »“Inside Higher Ed„, mitwirkender Redakteur bei „Jacobin“ und schreibt für diverse andere Publikationen, darunter „International Socialist Review„.
(Übersetzung von Einde O’Callaghan)
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