Die Kritik am Freihandelsabkommen nimmt in ganz Europa zu, was sowohl an der neoliberalen Akzentuierung als auch an der mangelnden Berücksichtigung der VerbraucherInneninteressen liegt. Wir haben mit Maja Volland, beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) zustaendig fur TTIP, über die Gründe der Ablehnung und mögliche Folgen des Abkommens gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Der Bund kritisiert das geplante Freihandelsabkommen , weil dadurch ökologische Standards gefährdet werden. Welche Arten der Gefährdung seht ihr?
Maja Volland: In der EU und der USA herrschen unterschiedliche Regulierungsansätze, die sich in unterschiedlich strengen Vorschriften bezüglich Chemikalien und Gentechnik zeigen. So gibt es beispielsweise in den USA weder verbindliche Regeln für die Zulassung, noch für die Kennzeichnung von Gentechnik in Lebensmitteln. Fleisch aus Hormonmast, von Chlorhühnern und von Klontieren darf hergestellt und auf den Tellern der VerbraucherInnen landen, ohne dass sie es erkennen können. Durch TTIP sollen die unterschiedlichen Standards, die als Hemmnisse im Handel zwischen der EU und der USA gelten, angeglichen bzw. gegenseitig anerkannt werden. Zwar betont die EU-Kommission, dass das hohe Niveau europäischer Gesundheits- und Sicherheitsstandards sowie Verbraucher- und Umweltschutz durch TTIP nicht gefährdet würde. Dies ist allerdings fragwürdig: So gibt EU-Handelskommissar Karel De Gucht zu bedenken, dass die TTIP-Verhandlungen „tough“ werden und es keine leicht erreichbaren Ziele geben wird. Wenn also die EU-Unterhändler ihre eigenen Interessen durchsetzen möchten, müssen sie zu Zugeständnissen in den Bereichen bereit sein, welche den USA wichtig sind. Zum anderen gehen viele Studien davon aus, dass TTIP nur zu wirtschaftlichen Zugewinnen auf beiden Seiten führen wird, wenn es zu einer weitreichenden Angleichung von Standards kommen sollte; rund 80 Prozent der erwarteten Gewinne durch TIPP werden von der Standardangleichung erwartet.
Und auch wenn kritische Themen nicht in den Vertragstext aufgenommen werden sollten, besteht die Gefahr, dass sie nachträglich mittels der regulatorischen Kooperation wieder auf die Agenda kommen. Denn TTIP soll ein „lebendes Abkommen“ werden, welches durch die Schaffung von Gremien fortlaufend an der Harmonisierung der Standards beider Vertragsparteien arbeitet.
Die Freiheitsliebe: Von vielen wird befürchtet, dass dadurch Fracking die Tür geöffnet wird, was genau ist das Problem an Fracking?
Maja Volland: Beim Fracking werden Sand und Chemikalien in tieferliegende Gesteinsschichten unter hohem Druck gepresst, um Schiefergas zu gewinnen. Die Risiken der Methode sind unkalkulierbar. Die eingesetzten Chemikalien können beispielsweise zu einer Verunreinigung des Trinkwassers führen, die Bohrungen können Erdbeben auslösen und die Entsorgung des verunreinigten Abwassers stellt oftmals eine unüberwindbare Hürde dar. In Europa ist diese Methode sehr umstritten, einige Länder haben Fracking gesetzlich verboten.
Die Freiheitsliebe: Wieso sollte sich die EU trotz dieser Probleme für die Möglichkeit von Fracking im Rahmen des Freihandelsabkommens einsetzen?
Maja Volland: Auch wenn sich die EU nicht aktiv für Fracking in den TTIP-Verhandlungen einsetzen sollte, könnte TTIP indirekt zu einem Türöffner für Fracking werden: Derzeit erschweren die strengen Chemikalienregelungen des europäischen Rechts Fracking in Europa. Aber genau diese Regelungen sind durch TTIP gefährdet. Bereits bei den bislang betriebenen Ausbeutungsvorgängen kritisiert der BUND, dass mit Stoffen und Stoffgemischen gefrackt wird, die nicht bei der europäischen Chemikalienagentur registriert und bewertet sind, von denen es also keine genauen Kenntnisse über Gefahren und Risiken für Mensch und Umwelt gibt. Durch TTIP könnte dieses Vorgehen erlaubt und für die Zukunft abgesichert werden. Falls zudem TTIP die umstrittenen Investor-Staat-Klagerechte beinhalten sollte, würden US-amerikanischen Gaskonzernen gegen Verschärfungen von Auflagen, Moratorien oder Verbote von Fracking vorgehen können. Hinzu kommt, dass für US-Exporte von Fracking-Gas in Staaten, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen haben, keine Genehmigung erforderlich ist. Somit würde TTIP den Fracking-Gas-Export in die EU freigeben. Das würde zu höheren Gaspreisen in den USA führen, die Fracking in noch weiteren Teilen des Landes attraktiv machen könnten.
Die Freiheitsliebe: “Unter anderem beschleunigte EU-Zulassungsverfahren und eine Abschaffung der Nulltoleranz für nicht zugelassene GVO” seht ihr als weitere Wünsche der Industrie bei der Umsetzung des Freihandelsabkommens. Für wie realistisch haltet ihr diese Umsetzung?
Maja Volland: Es scheint als wolle die EU keine Gentechniken zulassen. Die EU-Kommission ist scheint leider sehr wohl geneigt zu sein, gentechnisch veränderte Pflanzen zuzulassen. Schon letztes Jahr hat die EU-Kommission den ersten Pfeiler der Nulltoleranz zum Einsturz gebracht. Für Futtermittel ist seitdem eine Verunreinigung mit in der EU illegalen GVO von bis zu 0,1 Prozent zulässig. Die Lobby für eine Änderung der Gentechnik-Gesetzgebung in der EU ist stark – Chemieunternehmen wie Bayer und BASF sind deutsche bzw. europäische Konzerne mit sehr großen Gentechniksparten, die seit langem versuchen, auf die hiesigen Felder zu kommen. Der BUND befürchtet, dass es durch TTIP zwar nicht direkt zu einer Änderung der EU-Gesetze zur Gentechnik kommen wird, dass aber durch die gegenseitige Anerkennung der Standards gentechnisch veränderte Produkte aus den USA ungekennzeichnet in unsere Supermarktregale gelangen könnten.
Die Freiheitsliebe: Wäre das Freihandelsabkommen ein wünschenswertes Projekt, wenn es keine Möglichkeiten für Fracking, gentechnisch veränderte Lebensmittel und schwächere Chemikalienkontrollen gäbe?
Maja Volland: Nein, denn durch ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA würde sich der hohe Druck für die Wirtschaften beider Verhandlungspartner durch Exportorientierung und verstärkten Wettbewerb weiter verschärfen. Von TTIP würden insbesondere große global tätige Unternehmen profitieren, während kleine und mittelständische Unternehmen weiter unter Druck geraten würden. In der Landwirtschaft würde TTIP die ohnehin schon schwierige Existenz von kleinbäuerlichen und ökologischen Betrieben noch weiter gefährden.
Der BUND kämpft seit Jahrzehnten für bessere Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzstandards. Freihandelsabkommen sind diesen Zielen nicht dienlich, sondern abträglich, weil sie lokalen Märkten das Recht absprechen, sich mit eigenen souveränen Regeln vor Konzernwaren zu schützen.
Dabei ist der BUND nicht gegen Handel per se. Es spricht nichts dagegen, fair und umweltverträglich erzeugte Produkte über transparente Handelswege in der Welt auszutauschen. Dafür bedarf es aber höherer statt verwässerter Standards für Umwelt und VerbraucherInnen und klare Regeln für global tätige Konzerne. Doch genau dies wird TTIP nicht leisten, im Gegenteil. Deshalb spricht sich der BUND für einen Stopp der Freihandelsverhandlungen aus.
Die Freiheitsliebe: Danke euch für das Interview
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