"Joe Biden February 2020 crop" by Gage Skidmore from Peoria, Arizona is licensed under CC BY-SA 2.0.

Bidens Propaganda-Pier

Bidens Initiative, im Hafen von Gaza-Stadt einen provisorischen Pier für die Lieferung von Hilfsgütern zu errichten, ist nichts anderes als zynische Wahlkampfpropaganda.

Während seiner State-of-the-Union-Ansprache erklärte US-Präsident Biden am vergangenen Donnerstag, dass die USA einen provisorischen Pier an der Küste Gazas errichten werde, welcher es großen Schiffen ermöglicht, dringend benötigte Hilfslieferungen von Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Notunterkünften nach Gaza zu liefern.

Schon seit November letzten Jahres warnt die UN vor einer Hungerkatastrophe in Gaza, da Israel sich trotz der Aufforderung des Internationalen Gerichtshof weigert, adäquate Hilfslieferungen nach Gaza passieren zu lassen. Eine Katastrophe, die nun Realität wird, nachdem die ersten Säuglinge und Kinder an Unterernährung gestorben sind. Momentan lässt Israel ungefähr 100 Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag nach Gaza, für eine Bevölkerung von über zwei Millionen Menschen. Vor dem 7. Oktober passierten 500 Lastwagen mit Lebensmitteln pro Tag die Grenze, welche von Israel streng kontrolliert und reglementiert wurden. Am 26. Februar wurden rund 100 Palästinenser*innen im Norden Gazas vom israelischen Militär erschossen, als sie versuchten, in einem Sturm von Hunger und Verzweiflung Hilfsgüter von einem Konvoi zu ergattern. Drei Wochen zuvor schoss das israelische Militär auf einen Lastwagen mit Hilfsgütern, der sich in Richtung Norden bewegte.

Ein vorläufiger Versuch, Israels Blockade zu umgehen und Gaza mit Hilfsgütern zu beliefern, war das Abwerfen von Paletten aus der Luft. Was nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein war, da ein Flugzeug (etwa 4 bis 33 Tonnen) nicht annähernd so viele Hilfsgüter transportieren kann wie ein Konvoi (etwa 200 bis 2.200 Tonnen), entpuppte sich als tödlicher PR-Stunt der fünf Palästinenser*innen ihr Leben gekostet hat, als sich bei einer Palette der Fallschirm nicht öffnete.

Der Propaganda-Pier

Der vom US-Präsidenten vorgeschlagene Pier soll dieses Problem nun lösen, so zumindest sagen es die Talking-Points die das Biden-Team an die Presse weiterreicht. Das Problem ist nur, dass nach genauerem Hinschauen dem nicht so ist:

  • Bereits einen Tag nach dessen Kundgebung musste die US-Regierung einräumen, dass es zwischen vier bis acht Wochen dauern würde, bis der Pier funktionsfähig ist. Vier bis acht Wochen, in denen eine halbe Million Palästinenser*innen verhungern könnten.
  • Zwar hat Biden zugesagt, dass er 1.000 Truppen für diesen Plan mobilisieren werde, doch zugleich wurde zugesichert, dass kein amerikanischer Soldat Boden in Gaza betreten würde. Wer den Pier bauen soll, wenn nicht wie angegeben das US-Militär, ist schleierhaft.
  • Aus der Aussage Bidens, „wir warten nicht auf die Israelis. Dies ist ein Moment für die amerikanische Führung…“ blieb zwei Tage nach seiner Rede nicht mehr viel übrig, denn, so die Biden Administration, Israel müsse die Sicherheit des Piers gewährleisten. Also wartet man doch auf die Israelis.

All das war von vornherein klar, denn die Küste Gazas steht unter militärischer Kontrolle der Besatzungsmacht Israel, und die USA würde es nicht wagen, diese ohne Kooperation so öffentlich zu verletzen. Israel beweist mit der Blockade von Hilfslieferungen über die Grenze im Norden und Süden Gazas, dass es die komplette Kontrolle über den Gazastreifen hat und diese zum tödlichen Schaden der Menschen in Gaza durchsetzt. Wieso sollte das an der westlichen Grenze Gazas anders sein, nur weil es ein Küstenstreifen ist? Wieso sollte Israel ein Schiff voller Hilfsgüter nach Gaza lassen, wenn es 2.000 LKWs mit Hilfsgütern an der südlichen Grenzen nicht in den Gazastreifen lässt?

Scheinbare Krisenlösung für den Wahlkampf

Das Team Biden steht im Wahlkampf gegen Donald Trump schlecht da in den Umfragen. Biden ist so unbeliebt wie kaum ein anderer Präsident vor einer erhofften Wiederwahl. Noch problematischer ist jedoch, dass er in den eigenen Reihen immer unbeliebter wird. Seit seinem Amtsantritt ist Bidens Beliebtheit bei Demokraten um 25 Prozentpunkte gefallen. Zudem bekommt er Druck in den eigenen demokratischen Vorwahlen, welche eigentlich für einen Amtsinhaber eine Formalie darstellen, sich aber für Biden aufgrund der Uncommitted Kampagne zu einem Problem entwickeln. Die Uncommitted (Unentschlossen) Kampagne ist ein Versuch, die Biden-Administration auf einen Kurswechsel in Gaza zu drängen, indem demokratische Wähler drohen, in den Präsidentschaftswahlen nicht für Biden zu stimmen, indem sie Uncommitted auf ihren Wahlschein in den Vorwahlen schreiben. Allein in Minnesota gewann die Kampagne so fast 20 Prozent der Stimmen und hat mittlerweile genügend Delegierte, um auf dem Parteitag der Demokraten im August Biden auf offener Bühne zu konfrontieren.

Bunte Bilder sind besser als leere Worte

Für bessere Chancen im Wahlkampf braucht Biden also einen Ausweg, der es ihm ermöglicht, sich als glaubhafter Krisenlöser zu verkaufen, um die eigenen Wähler bei Laune zu halten und andererseits nicht die einflussreiche Pro-Israel Lobby in den USA erzürnt und gegen ihn aufbringt.

Anders als die fehlgeschlagenen Verhandlungsversuche zu einer Waffenruhe vor dem Fastenmonat Ramadan ist die Errichtung eines provisorischen Piers die einfachere und vor allem medienwirksamere Option:

  • Es bedarf keiner Annäherung zwischen Israel und der Hamas, da es für einen Pier keiner Verhandlungen bedarf, im Gegenteil zu einer Waffenruhe und Gefangenenaustausch.
  • Die Netanyahu-Administration kann ihr Gesicht wahren und weiterhin Palästinenser*innen kollektiv durch Bombardierung und Aushungern bestrafen.
  • Biden hält sich die Republikaner und die Pro-Israel-Lobby vom Leib, da er Israel nicht öffentlich unter Druck setzen muss.
  • Die Biden Administration kann behaupten, sie arbeite an einer materiellen Lösung der Hungersnot anstatt immer nur tatenlos die palästinensischen Opfer zu bedauern.
  • Am wichtigsten jedoch liefert die Errichtung eines provisorischen Piers einen konstanten Nachschub an Bildern und Artikeln für Medien, die über den Fortschritt des Projekts berichten können.

In dem Sinne ist Bidens Propaganda-Pier die perfekte, wenn auch zynische Lösung einer Katastrophe, nein, nicht der Hungerkatastrophe in Gaza, sondern die eines katastrophalen Wahlkampfbeginns.

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