By President Of Ukraine from Україна - The G7, NATO and EU summits, new sanctions packages and new assistance take place this week - address by the President of Ukraine., CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116348716

Wie der Ukraine-Krieg sogar Verbündete spaltet

Unterstützung für die Ukraine könnte schwinden – Europäische Solidarität gegen Russland beginnt zu bröckeln

Ein Teil des vorherrschenden westlichen Narrativs über den Ukraine-Krieg ist, dass die mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten eine führende Rolle darin übernehmen, die EU gegen Russland zu vereinen. Diese Geschichte war immer eine Übertreibung – die drei westlichen EU-Gründungsmitglieder Frankreich, Deutschland und Italien dominieren die EU zwar noch immer wirtschaftlich, doch ihre Stellung beginnt zu schwinden.

Letzte Woche kündigte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an, dass seine Regierung die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen wird. Polen ist der wichtigste Mitgliedstaat in Europas Osten, der Staat mit den fünftmeisten Einwohnern in der EU und einer stetig wachsenden Wirtschaft. Für den größten Teil der letzten zwei Jahrhunderte wurde Polen vom russischen Imperialismus dominiert, weshalb Russland-Bashing in der polnischen Politik eigentlich ein leichtes Spiel ist. Die Regierung in Warschau hat sich mit militärischer Unterstützung sehr aktiv für Kiew eingesetzt und nahm rund eine Million ukrainische Geflüchtete auf.

Die Regierungspartei Prawo i Sprawiedliwość, kurz PiS, will die Militärausgaben nun auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben, doppelt so viel, wie es das NATO-Ziel vorgibt. Der rechte Autoritarismus der PiS-Regierung straft die Idee eines Kampfes zwischen „Demokratie“ und „Autokratie“ Lügen. Sie steht im Widerspruch zur EU, da sie versucht, Richter künftig politisch zur Rechenschaft ziehen zu können.

In einem Artikel auf der Seite von Bloomberg heißt es: „Eine populistische, nationalistische, einwanderungsfeindliche, EU-skeptische Regierung mit einer fast schon paranoiden Sicht auf ihre Nachbarn ist zum Dreh- und Angelpunkt der europäischen Unterstützung für Kiew geworden.“

Der polnische Konflikt mit der Ukraine geht auf die Entscheidung von Wladimir Putin im Juli zurück, das Schwarzmeer-Getreideabkommen auslaufen zu lassen. Das von der Türkei vermittelte Abkommen, ermöglichte es der Ukraine als riesigem Getreideproduzenten, ihre Lebensmittelexporte weiterhin auf dem Seeweg auszuführen.

In dem Bloomberg-Artikel wird ausgeführt, dass die Weizenpreise im September aufgrund einer russischen Rekordernte auf einem Zweijahrestief waren. Da die Landwirtschaft zehn Prozent der ukrainischen Wirtschaft ausmacht und wichtig für den Verdienst von Hartwährung (also Währung, die vollständig konvertierbar ist und als besonders stabil gilt) ist, ist es ein schwerer Schlag für das Land, wenn es nicht in der Lage dazu ist, Weizen zu exportieren.

Weiter heißt es, dass der Ukraine zum Getreideexport so nur noch der Landweg über Osteuropa bleibt, um ihre riesigen Ernten auf den Markt zu bringen. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die lokalen Weizenpreise in Polen, Ungarn, der Slowakei und anderswo eingebrochen sind, was die Einkommen der dort heimischen Landwirte beeinträchtigt hat. Als die EU jüngst ihr im Mai 2023 verhängtes Exportverbot für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine nach Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und in die Slowakei aufhob, wehrten sich drei dieser Regierungen gegen den Beschluss.

Die Konkurrenz durch billiges ukrainisches Getreide provozierte bereits im vergangenen Frühjahr polnische Bauernproteste. Am 15. Oktober wird in Polen gewählt. Das heißeste Thema im Wahlkampf ist die Migration, und die PiS-Regierung ist zutiefst rassistisch und migrantenfeindlich und errichtet entlang ihrer Ostgrenze sogar Mauern. Doch sie sieht sich dennoch Angriffen sowohl vom vermeintlich „liberalen“ Herausforderer, dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, als auch von der rechtsextremen Konfederacja Wolność i Niepodległość (Konfederacja) ausgesetzt.

Konfederacja könnte für das Kräfteverhältnis im Parlament entscheidend sein. Die staatliche Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge, die von der Partei angeprangert wurde, wird bereits im nächsten Jahr sicher auslaufen. Die europäische Solidarität gegen den „russischen Bären“ scheint im Wahlkampf und im rhetorischen Krieg zwischen Warschau und Kiew in Vergessenheit zu geraten. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Polen vorwirft, Russland in die Karten zu spielen, antwortete der polnische Ministerpräsident Morawiecki mit: „Ich möchte Präsident Selenskyj sagen, dass er nie wieder Polen beleidigen soll.“

Während sich der Ukraine-Krieg immer mehr zum Abnutzungskrieg entwickelt, in dem Russland vermutlich immer mehr an Überlegenheit gewinnen wird, könnte Selenskyjs Selbstdarstellung in der EU zunehmende Ungeduld hervorrufen. In einem kürzlich auf der Webseite Politico erschienenen Artikel wird beklagt, dass die Unterstützung für die Ukraine in Mittel- und Osteuropa zu schwinden beginnt. Neben Polen war eine der größten Unterstützerinnen Selenskyjs die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Sie macht, nachdem herauskam, dass ihr Mann, der Investment-Banker Arvo Hallik, an einem Unternehmen beteiligt ist, das nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine weiterhin Geschäfte mit Russland macht, nun einen Rückzieher. Überall in Mittel- und Osteuropa behaupten sich Wirtschaft und Politik in der Untergrabung des antirussischen Bündnisses.

Dieser Beitrag von Alex Callinicos erschien am 26. September 2023 hier bei Socialist Worker und wurde von Nils Feldhaus übersetzt.

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