Wer eine gerechte Welt will muss gegen Klimawandel kämpfen – im Gespräch mit Insa Vries

Vom 24. bis zum 29. August wollen Aktivisten und Klimabewegte gegen den Braunkohleabbau im Rheinland demonstrieren. Marx21 Insa Vries, der Pressesprecherin vom Bündnis Ende Gelände, wir spiegeln das lesenswerte Interview.

marx21: Letztes Jahr habt ihr den Braunkohletagebau in der Lausitz lahmgelegt. Worum geht es bei Ende Gelände und wer macht da mit?

Insa Vries: Ende Gelände ist ein Bündnis für den sofortigen Kohleausstieg und es machen viele Einzelpersonen mit. Die Gründung baut auf den Klima-Camps, die es seit 2010-2011 im Rheinland und in der Lausitz gab, auf. Diese haben sich wiederum nach Kopenhagen gegründet. Also zum grandiös gescheiterten Klimagipfel. Es ergab sich ein Verständnis, dass es keinen Sinn ergibt, sich auf Gipfelpolitik zu verlassen, weil Regierungen uns sowieso nicht retten werden. Es musste dafür an die Orte gegangen werden an denen der Klimawandel produziert wird und eben dort durch Aktionen ein Zeichen setzen. Und dadurch haben sich in der Lausitz und im Rheinland, nach dem Vorbild von der Klimabewegung in Groẞbritannien, Klima-Camps gebildet. In den Camps wurde und wird für mehr Basisdemokratie diskutiert, Bildungsarbeit gemacht, z.B. wie Klimawandel entsteht, was man dagegen machen kann und das eben auch in Kombination mit direkten Aktionen vorort. Aus dem Kreis kamen viele Menschen, die in der Anti-Atom Bewegung aktiv waren und eben aus diesen regionalen Kohlewiderständen im Rheinland und in der Lausitz zusammen und haben entschieden, dass was bundesweites gegen die Kohleverstromung in Deutschland gemacht werden muss. So entstandt Ende Gelände für Massenaktionen zivilen Ungehorsams. Die erste Kampagne fand 2015 im Rheinland statt und 2016 folgte die zweite Aktion in der Lausitz, bei der um die 4000 Leute kamen und wir das Kraftwerk blockieren konnten.

Auẞerdem verstehen wir uns als Teil der internationalen Klimabewegung. Wir vernetzen uns und machen auch gemeinsame Camps. Das ist sehr motivierend und macht die ganze Idee von globaler Klimagerechtigkeit für uns viel lebendiger.

marx21: In den Medien wurdet ihr wegen der Aktion 2016, die du gerade erwähnt hast, sehr bekannt. Welche Reaktionen gab es von Seiten der Kohleunternehmen, des Staates und der Polizei auf eure Aktionen?

Letzes Jahr sind wir in diesen Tagebau in der Lausitz gegangen und haben den 48 Stunden lang an drei Tagen blockiert. Die Reaktionen darauf waren gespalten. Die Polizei war letztes Jahr fast gar nicht vor Ort, was für uns richtig nett war. In den Einsätzen 2015 war die Polizei uns gegenüber sehr aggresiv aufgetreten und hinterher hatte es für sie einen Innenuntersuchungsausschuss zur Folge. Also war für uns 2016 ein riesiger moralischer Gewinn. Letztes Jahr also hieẞ es für uns, dass wir moralisch so im Recht stehen und auch die Bevölkerung hinter dieser Forderung steht, dass sich die Polizei nicht leisten konnte, so einen groẞen Einsatz gegen uns zu fahren. Es war für uns erstmal schön zu sehen, dass es so einen Rückhalt gibt.

Die Landespolitik reagiert da anders. Die haben uns damals als Ökoterroristen diffammiert und sind uns gegenüber verbal ziemlich eskaliert. Das kommt daher, dass in Brandenburg tatsächlich die groẞen Kohlekonzerne starke Arbeitgeber sind. Aber vor allem auch, weil die Kommunen stark von den Gewerbesteuern der industriellen Strukturen in der Region abhängig sind. Das ist im Rheinland ganz genau so. Es gibt auch starke Verflechtungen zwischen der SPD und den jeweiligen Kraftwerksbetreibern. Die Konzerne konnten immer Gewinne erwirtschaften, gegen die sich niemand gestellt hat und haben eigentlich den Strukturwandel komplett verschlafen und jetzt wollen die praktisch die Kosten dafür auf die Bevölkerung abwälzen. Die Manager bekommen jährlich über zwei Mio. Euro Dividenden ausgeschüttet, profitieren davon und weigern sich natürlich, wenn Andere die Strukturen verändern wollen.

marx21: Die Gewerkschaften, wie die IG BCE, sind gegen einen sofortigen Kohleausstieg, vor allem natürlich, weil sie die Jobs nicht verlieren wollen. Wie war bis jetzt euere Beziehung zu den Gewerkschaften?

Also nachdem das im letzten Jahr ein bisschen eskaliert ist, hat die IG BCE eine Kampagne gestartet, „Schnauze voll“ hieẞ die, wo sie sehr aggresiv gegen die Klima-Camps vor allem im Rheinland Politik gemacht hat. Nichtsdestotrotz wurden Gespräche zwischen Vertretern der IG BCE und dem Klimabewegungsspektrum angefangen. Ich denke wir bemühen uns von beiden Seiten aus, einen Weg zu finden. Es ist klar, dass es eine total schwierige Situation ist und das wir auf jeden Fall auch solidarisch mit den Arbeitenden sind. Wir verstehen, dass es ein riesiges Problem ist, wenn sie ihre Lebensgrundlage bedroht sehen, dadurch dass sie ihre Jobs verlieren könnten. Wir glauben aber, dass wir da tatsächlich gesellschaftlich andere Wege finden müssen. Es kann halt nicht heiẞen, dass hier in Deutschland 6.000 Menschen ihren Job behalten, aber dafür weltweit mehrere hunderttausend Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren. Das funktioniert einfach nicht. Es muss in den Regionen Strukturanpassungsprogramme geben. Ich muss auch sagen, dass die Gespräche mit den jeweiligen Gewerschaften auch unterschiedlich ablaufen. In Ver.di zum Beispiel gibt es eine Kampagne für den Kohleausstieg. Das ist also ein Feld, wo man aktiv werden kann und sollte.

marx21: Was steht in diesem Jahr bevor und wie kann man sich einbringen?

Wir planen in diesem Jahr zwei groẞe Aktionen. Wir werden vom 24. zum 29. August ins Rheinland gehen und da gemeinsam mit ganz vielen Leuten zeigen, wie breit der Widerstand gegen Kohleenergie in Deutschland ist. Ende Gelände wird mit Massenaktionen zivilen Ungehorsams auftreten. Gleichzeitig wird es eine rote Linie von Bürgerinitiativen vor Ort geben, die sagen, dass es mit dem Abbaggern der Dörfer und der Vertreibung von Menschen aus ihren Lebensfeldern, sofort aufhören muss. Es werden auch Aktionen von JunepA geben, die Blockaden machen wollen. Dann wird es auch eine Groẞdemonstration geben, wo das ganz breite zivilgesellschaftliche Spektrum gemeinsam sagt: Kohleausstieg muss sofort geschehen!

Dann sind wir vom 3. bis zum 5. November bei den UN Klimaverhandlungen in Bonn am Start. Da muss ich erwähnen, dass wir zu beiden Aktionen auch viele internationale AktivistInnen erwarten. In Bonn wird eine einmalige Konstellation entstehen, weil es unter der Präsidentschaft von Fidschi geschehen wird. Einem Land aus dem Globalen Süden und auch noch ein pazifischer Inselstaat, der so stark vom Klimawandel bedroht ist. Wir gehen also solidarisch mit den Menschen aus Fidschi gemeinsam auf die Straẞe und sagen: wenn ihr den Klimawandel ernst meint, dann nicht nur in den Verhandlungstischen sondern mit konkreten Maẞnahmen, also z.B. durch den sofortigen Kohleausstieg in Deutschland! Das heiẞt, wenn wir uns für eine gerechte Welt einsetzen wollen, dann müssen wir es konkret an den Orten wo Klimawandel produziert wird, machen.

Das Interiew führte Nicole Moeller Gonzalez.

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Eine Antwort

  1. Nicht reformieren, sondern wechseln. Wir brauchen eine realistische Alternative neben dem Kapitalismus. Schade um die Energie, die bei solchen Aktionen eingesetzt wird. Wir verlieren wertvolle Zeit. Es gibt keinen grünen Kapitalismus. Niemals! Eine Ökokratie wäre das Maß der Dinge. Sie würde alle Religionen, Ethnien und Nationen verbinden und durch den Umbau hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft für Vollbeschäftigung sorgen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, nicht aber für eine Reform, die nur den Ofen austauscht, der den Kessel zum Platzen bringt.

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