Wahlen in den Niederlanden: ist Wilders zu stoppen?

In den Niederlanden droht bei der Parlamentswahl am 15. März droht ein weiterer Rechtsruck. Geert Wilders führt in allen Umfragen, die zweitgrößte Partei in den Umfragen ist die rechts-liberale VVD. Die linken Parteien haben versäumt, eine prinzipielle Stimme gegen Rassismus zu bieten, was zur Gründung zweier migrantischen Parteien geführt hat. Freek Blauwhof sprach mit Niels Jongerius, Aktivist in der Sozialistischen Partei (SP) und Max van Lingen, Redakteur der Zeitung „De Socialist“.

Im Westen nichts Neues: die politische Landschaft ist zersplittert. Die rechtsextreme Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders führt in fast allen Umfragen mit Werten zwischen 16 und 23%, gefolgt von den rechten Liberalen der VVD mit Umfragewerten von 15 bis 19%. Am dritten Platz folgen die Liberalen von D66 mit 10% bis 14%. Die Christdemokratie (CDA) und Sozialdemokratie (PvdA) dümpeln an ihrem historischen Tiefpunkt um die 10% vor sich hin. Auch die Sozialistische Partei (SP) und Grüne (Groenlinks) bewegen sich um die 10%-Marke. In den Leitmedien wird die Wahl zum Zweikampf zwischen den Rechten der VVD und den Ultrarechten Wilders stilisiert. Damit droht ein weiterer Rechtsruck, sogar eine Regierung unter Führung von Geert Wilders ist nicht ausgeschlossen.
Die SP hat in den letzten Jahren zu wenig offensiv den erstarkenden Rassismus in den Niederlanden bekämpft und fehlte regelmäßig bei antirassistischen Aktionen. In aktivistischen Kreisen stößt die SP deswegen oft auf Kritik. Für den Redakteur der Zeitung „De Socialist” und Mitglied der „Internationale Socialisten“ Max van Lingen ist der Reformismus und die fehlende Präsenz der SP in der antirassistischen Bewegung schon lange ein Dorn im Auge. De Socialist ruft deswegen zum ersten Mal auf, entweder die SP, oder Artikel 1 zu wählen: „Die SP hat zwei strategische Probleme. Erstens zielt ihre Strategie darauf ab, ihr Programm über Regierungsteilnahme zu verwirklichen. Da aber Regierungen in den Niederlanden immer aus Koalitionen mehrerer Parteien gebildet werden, wird die SP von den neoliberalen Parteien, von denen sie abhängig ist, bei der Koalitionsbildung erpresst. Indem die SP ihr Programm zudem ständig abschwächt, wird auch der Unterschied zu den anderen Parteien immer kleiner.“

Van Lingen weiter: „Zweitens weiß die SP nicht mit dem zunehmenden Rassismus umzugehen. Die Partei beschränkt sich in ihrer Kritik auf Wilders auf das Enttarnen seiner neoliberalen Politik, schweigt aber zu seinem Rassismus. Antirassismus ist kein Bestandteil des DNA der SP und das führt zu ungeschickten Äußerungen. So nannte Lilian Marijnissen, Nummer 3 auf der SP-Liste, Donald Trump „erfrischend“, während am gleichen Tag Tausende in Amsterdam gegen Trump demonstrierten im Rahmen des Women’s March. Wegen diesen beiden Schächen ist die SP derzeit nicht in der Lage, überzeugend in der gesellschaftlichen Debatte einzugreifen.“

SP-Aktivist Jongerius versteht die Kritik, sieht aber auch gute Gründe, in der SP aktiv zu sein: „Ich teile die Kritik, dass die SP nicht Motor der antirassistischen Bewegung ist und mehr machen könnte. Ich denke auch, dass die Gründung von Artikel 1 hätte verhindert werden können und sollen, indem wir als linke Partei offensiv antirassistische Politik betreiben. Die ganze Partei muss diesen Kampf jetzt aufnehmen. Aber die Kritik an die SP greift oft zu kurz. Die SP wird zumeist als provinzial dargestellt. Von den aktuellen 15 Abgeortnete haben aber 2 einen Migrationshintergrund: Sadet Karabulut und Farshad Bashir. Die laufen schon in der ersten Reihe mit bei Demonstrationen und bringen das Thema ständig ein.“
Für Niels ist die SP auch nach wie vor die einzige Partei, die ernsthaft die sozialen Interessen der arbeitenden Klassen vertritt: „Wo zum Beispiel die Grünen mit dem jungen und charismatischen Spitzenkandidaten Jesse Klaver auf große Abendveranstaltungen und sog. Apptivismus setzt, bleibt die SP beim Aktivismus und den politischen Kampf auf der Straße. Die SP hat als einzige Partei immer parlamentarische Opposition mit außerparlamentarischer Aktion verknüpft und sich als einzige Oppositionspartei nicht auf Deals mit der Regierung im Oberhaus, wo der Regierung keine Mehrheit hat, eingelassen. Vor allem bei der Pflege, ein Thema das seit langem eine der wichtigsten Wahlkampfthemen ist, hat die SP ein sehr gutes, kämpferisches Profil. So hat die SP nicht nur unterschiedliche Protestaktionen, Streiks und Petitionen von Beschäftigten, sondern auch Rathausbestzungen durch Pflegepersonal unterstützt und Bußgelder für festgenommene Aktiven übernommen.“

Infolge des Versäumnisses der Linken in der Rassismusfrage haben sich zwei Migrantenparteien, DENK und Artikel 1, gebildet. Niels Jongerius erklärt: „DENK ist eine Partei die aus einer Abspaltung zweier Türkischstämmigen Abgeordneten von der PvdA hervorgeht.“ „Sie scheint sowohl die konservativere pro-Erdogan-Stimme als auch viele Stimmen der marokkanisch-niederländischen Gemeinschaft zu erhalten und kann mit einem Einzug in den Parlament rechnen. Artikel 1, gegründet von der Fehnsehpräsentatorin Sylvana Simons, die eigentlich als Spitzenkandidatin von DENK vorgesehen war, ist eine Reaktion auf die konservative Seite von DENK, und hat eine eher linke Vision auf die Gesellschaft. Sie ist aber leider zu spät gegründet worden, um den Einzug zu schaffen.“ Für van Lingen ist diese Entwicklung eine logische Folge des langjährigen Scheiterns der Linken in der Rassismusfrage. “Viele Menschen mit Migrationshintergrund halten die etablierten Parteien für sich deswegen nicht mehr relevant,” erklärt van Lingen. “Wenn es Artikel 1 schafft, einen Sitz zu erhalten, wäre das fantastisch. Nicht nur weil wir dann ein wirklich progressive antirassistische Stimme im Parlament hätten, sondern auch damit der Druck auf den Rest der Linken, die Rassismusfrage ernst zu nehmen, wächst.“

Aller Anschein nach werden die Rechten die Wahl gewinnen. Niels Jongerius erwartet einen harten Kampf: “Ich gehe mit gemischten Gefühlen in den Wahlkampf, zerrissen zwischen Angst und Hoffnung. Wir können mit breiter Unterstützung für unsere Pflegekampagne, die Kampagne gegen TTIP und gegen die verheerende Folgen der Gasförderung in Groningen gut punkten. Aber es ist klar, dass zur Zeit ein rechter Wind weht. Wilders’ PVV wird die Wahl wahrscheinlich gewinnen. Aber wie Joe Hill schon sagte: ‘Don’t mourn, organize!’”

Die gute Nachricht ist, dass in den kommenden Monaten viele Aktionen und Demonstrationen gegen Rassismus geplant sind. Van Lingen dazu: “Als Internationale Socialisten sind wir bei der Planung vieler dieser Aktionen an erster Stelle dabei. Wir hoffen, dass daraus eine starke antirassistische Bewegung hervorgeht die richtig Druck ausüben kann. Wir merken, dass jetzt viele teilnehmen, die noch nie vorher aktiv gewesen sind. Es ist wichtig, dass diese Aktive erkennen, dass der Kampf nach der Wahl weiter gehen muss. Deswegen planen wir jetzt schon eine Großdemonstration am Wochenende nach der Wahl.”

Ein Gastbeitrag von Freek Blauwhof

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