Die Ermordung von Heather Heyer durch einen Nazi in Charlottesville löste Furcht und Schrecken aus, aber auch eine überwältigende Reaktion der Antirassisten in den gesamten Vereinigten Staaten. Michael Bradley untersucht die Verstrickungen zwischen der extremen Rechten und Präsident Trump und die Konsequenzen für den Kampf gegen den Faschismus.
Die Bilder, wie Neonazis mit brennenden Fackeln, Hakenkreuzen und Konföderiertenflaggen durch die Straßen von Charlottesville, Virginia marschieren und „Juden werden uns nicht ersetzen“ skandieren, erinnerten abscheulich an Nazideutschland. Der Tod der Antirassistin Heather Heyer und die Verletzungen weiterer 19 Demonstranten, nachdem der Rechtsextreme white Supremazist James Fields vorsätzlich in die Menge fuhr, war ein Moment wahren Grauens. Donald Trumps Äußerungen zu diesem Geschehnis waren klassische Beispiele seines bombastischen Stils als auch seines ewigen Kampfes gegen die „liberalen“ Medien. Trotz der Bemühungen seiner Ratgeber, ihn dazu zu bewegen, das Image eines Präsidenten zu projizieren, waren seine Erklärungen so ungehörig, dass die Familie Heyer sich weigerte, mit ihm zu reden.
Bei einer Kundgebung in Phoenix, Arizona attackierte Trump die Medien für das fehlerhafte Berichten seiner Kommentare zu Charlottesville: „Es ist an der Zeit, die korrupten Medien bloßzustellen. Die Einzigen, die diesen Hetzgruppen eine Bühne verleihen, sind die Medien selber und die Fake News, die Falschnachrichten.“
Trumps Reaktion auf Charlottesville scheint sowohl beim US-amerikanischen Establishment als und auch in der republikanischen Partei für aufrichtiges Unbehagen gesorgt zu haben. Selbst die früheren republikanischen Präsidenten George Bush Junior und Senior fühlten sich hinreichend genötigt, gegen die Vorfälle in Virginia Stellung zu nehmen.
Jedoch befürchten viele, zu Recht, dass Trumps Verhalten der faschistischen Rechten Tür und Tor öffnet. So beobachtetet Jonathan Freedland, Redakteur beim britischen (Anm. d. Übers.) „Guardian“, dass Trump das jahrzehntelange Tabu gegen den Faschismus gebrochen habe und weist darauf hin, dass auf eine Umfrage der Washington Post / ABC News 9 Prozent der US-Amerikaner es inzwischen für akzeptabel halten, „extrem rechte/white supremazistische oder neofaschistische Ansichten zu vertreten.“
Solch reaktionäre Ideen können nur noch verstärkt werden, wenn Trump sogar noch nach der Ermordung Heyers von der Ebenbürtigkeit von gewalttätigen Faschisten und den ihnen entgegentretenden Antifaschisten spricht.
Immer wieder hat er sich geweigert, Faschisten und ultrarechte white Supremazisten ausdrücklich zu verurteilen, mit dem Argument, es gäbe Schuld „auf beiden Seiten“. Er greift auch die Gewalt der „Ultralinken“ an: „Ich habe mir diese Berichte sehr genau angesehen, viel genauer als ihr Leute, und da gab es auf der einen Seite eine böse Gruppe und auf der anderen eine Gruppe, die auch ziemlich gewalttätig war.“
Trump behauptet, dass es bei dem Protest „Unite the Right“ nicht um Neonazis und den Ku Klux Klan ging. Er verlautbarte: „Nicht alle dieser Leute waren Neonazis, glaubt mir. Nicht alle diese Leute waren ultrarechte white Supremazisten, auf gar keinen Fall.“
Es ist schwer zu sagen, über wen er da überhaupt sprach. Im Mittelpunkt der Aktion in Charlottesville waren Mitglieder der ultrarechten Gruppe Vanguard America und andere bewaffnete Milizen, die Sturmgewehre tragend den Anschein gaben, reguläre US Soldaten zu sein. Ebenso involviert waren führende white Supremazisten wie Ku-Klux-Klan-Vorstand David Duke und der Nazi Richard Spencer.
Duke argumentierte, die Protestierenden wären anwesend, um „Donald Trumps Wahlversprechen einzulösen“ „uns unser Land zurückzuholen“.
Wie „Socialist Worker“ (Vereinigtes Königreich von Großbritannien, Anm. d. Übers.) berichtet: „Die Naziwebseite Daily Stormer drängte ihre Anhänger: ‚Daily Stormer Book Clubs sollten alles daran setzen, ihre Leute zu dieser Veranstaltung zu schicken.‘“ Die Nazibewegung National Socialist Movement (NSM) rief „alle NSM Mitglieder auf, in Charlottesville zu sein.“
Während Trump es zwar verfehlte, die Gewalt der äußersten Rechten in Charlottesville zu verurteilen, rief er aber auch nicht die patriotische Milizbewegung, die Oath Keeper und die Three Percenters auf, zu seiner Unterstützung zu mobilisieren, obwohl sie versprochen hatten, sich bewaffnet für seine Präsidentschaft einzusetzen.
Solch eine Mobilisierung stünde im Mittelpunkt einer ernsthaften Strategie, eine faschistische Bewegung zu schaffen. So weit geht Trump allerdings nicht.
Er versucht nicht, eine Massenbewegung auf der Straße zu schaffen, wie sie mit dem klassischen Faschismus in Italien und Deutschland in Zusammenhang standen. Das Instrument, das er nutzte, um die Macht zu gewinnen, die republikanische Partei, ist zwar reaktionär, aber nicht faschistisch.
Trump ist also kein Faschist. Er ist aber ein rechter, rassistischer Populist.
Der „Innenspieler“
Trump ist auf jeden Fall ein „Innenspieler“, was immer er auch sagt bezüglich der Elite in Washington. Er ist ein Milliardär mit Verbindungen zu jeder Ebene des US-amerikanischen Establishments. Aber: Trumps ständiges Flirten mit rassistischen Begriffen, seine Schuldzuweisungen an Muslime und Migranten und seine nachweislich organisatorischen Verflechtungen mit Elementen der Ultrarechten bedeuten, dass er dem Wachstum der Ultrarechten den Nährboden bereitet (in anderen Worten, die faschistische und rassistische Rechte).
Der Druck der antirassistischen und antifaschistischen Proteste gegen die Ermordung von Heather Heyer in Charlottesville zwang Trump, seinen Stabschef Steve Bannon aus dem Weißen Haus zu entfernen.
Das ist sicherlich ein Gewinn für die Gegner von Trumps zunehmend chaotischem Lager, auch wenn Bannon – inzwischen wieder zurück bei seiner ultrarechten Webseite, Breitbart – deklariert: „Ich verlasse das Weiße Haus und ziehe für Trump gegen seine Gegner auf dem Capitol Hill, in den Medien und im Amerika der Konzerne in den Krieg.“
Während der Präsidentschaftswahl argumentierte Bannon, dass Trumps Kampagne die Bühne der Ultrarechten verkörperte. Seine Webseite „Breitbart News“ warb unentwegt für sogenannte „westliche Werte“ und die Verteidigung der „weißen Identität“. Zwei Wochen nach dem Massaker in der Charleston Church 2015, als der white Supremazist Dylann Roof neun Menschen während eines Gottesdienstes ermordete, rief Breitbart dazu auf, die Konföderiertenflagge mit Stolz zu hissen.
Bannon ist nicht die einzige kontroverse Figur unter den von Trump Ernannten. Sein politischer Berater Stephen Miller war der Autor der ersten Einreisebeschränkung für die Einwohner von sieben vorwiegend muslimischen Staaten. Er steht offen zu seiner rechtsextremen, fremdenfeindlichen Gesinnung.
Eine weitere Gestalt aus dem Weißen Haus, Sebastian Gorka, wurde mit einer Medaille der Vitézi Rend, einer Gruppe mit historischen Verbindungen zu Nazideutschlang und dem Holocaust gesehen und fotografiert. Sean Spicer, Trumps vormaliger Pressesprecher, musste sich sogar entschuldigen, weil er behauptet hatte, Hitler habe keine chemischen Waffen benutzt!
Diese Lage ist gefährlich. Wie David Neiwert in seinem neuen Buch, „Ultra-Amerika“, schreibt: „Nicht jeder rechte Populist ist ein Faschist, aber jeder Faschist ist ein rechter Populist.“
Immer wieder behauptet Trump, kein Rassist zu sein. Aber seine Bilanz liest sich anders. 1989 ließ er sich eine Werbekampagne 85.000 Dollar kosten, deren Ziel es war, die Todesstrafe für fünf afroamerikanische und latino Teenager zu fordern, die der Vergewaltigung einer weißen Frau bezichtigt waren. Als ihre Unschuld durch DNA-Untersuchungen belegt war, bestand Trump weiter auf ihrer Schuld.
Trumps politisches Profil wuchs parallel zur Entwicklung der rechtspopulistischen Bewegung in den USA, in deren Folge Sarah Palin 2008 als Präsidentschaftskandidatin aufstellen ließ, und welche 2009 die Tea Party hervorbrachte.
Die Tea Party war eine Bewegung, welche Neiwert als „die wichtigste Manifestation der rechtspopulistischen Szene in der Geschichte der Nation, mit Sicherheit seit dem Ku Klux Klan der 1920er Jahre“ bezeichnet.
Die Bewegung machte Druck für einen noch radikaleren rechtspopulistischen Ansatz der republikanischen Partei.
Trump war eine wichtige Stimme der „Birther“-Bewegung, die sich aus der Tea Party entwickelt hatte und behauptete, dass Barack Obama nicht in den USA geboren wäre und daher kein legitimer Präsident sei.
Die Gewalt gegen Protestierende, mit der Trumps Wahlveranstaltungen gefärbt waren, veranlassten manch einen, Vergleiche mit faschistischen Veranstaltungen zu ziehen, vor allem auch da er verschiedentlich andeutete, dass Black Lives Matter Aktivisten gewaltsam zu begegnen sei.
Hinzu kommen seine ständigen Rufe nach einem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko und die Einreisebeschränkungen gegen Muslime. Dann ist da noch die Erklärung des Weißen Hauses zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, in der weder Juden noch Antisemitismus erwähnt wurden, sowie seine Abwesenheit beim Sederabend des Pessachs im Weißen Haus.
Seine neueste Aktion bestand in der Begnadigung des Sherriffs Joe Arpaio aus Arizona, welcher neben anderen widerwärtigen Menschenrechtsverstößen wegen Mißachtung des Gerichts in einem Fall von Fahndung aufgrund rassischer Merkmale (racial profiling) unter Arrest stand.
Wie der Komiker Trevor Noah zum obigen Fall in der „Daily Show“ sagte: „Für einen, der selber nicht rassistisch ist, hat Donald Trump aber ausgesprochen viele rassistische Freunde.“
Desillusionierung
Trumps Aufstieg ist nicht nur das Ergebnis des US-amerikanischen Rassismus. Im Kern stützt sich Trumps Sieg auf die Desillusionierung und Demoralisierung großer Teile der Bevölkerung. Der Lebensstandard von Millionen von Amerikanern ist abgestürzt trotz der Hoffnungen, die Barack Obamas Wahl brachte. Dass Obama den Hoffnungen nicht gerecht werden konnte, und Hillary Clinton für den Status Quo steht, waren die entscheidenden Faktoren von Trumps Wahlsieg, kein massiver Aufschwung rassistischer und reaktionärer Ideen.
Wer verzweifelt ist, bleibt vielleicht eher zuhause als zur Wahl zu gehen, oder beschuldigt den Nachbarn als Ursache der eigenen Probleme. Daher zielt Trumps Rhetorik auf Migranten, und deswegen kann auch „die Mauer“ und das Draußenhalten von Mexikanern als wirkungsvolle Reaktion auf Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Abschwung empfunden werden.
Der Erfolg von Bernie Sanders, Clintons Rivalen für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei den Wahlen im vergangenen Jahr, zeigte auf, welches Potenzial einer radikalen Lösung der Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten dennoch besteht. Eine solche Lösung könnte die Menschen von der Demoralisierung, Trump und seiner ultrarechten Seite fortgewinnen.
Die Kampagne von Sanders zeigte auch, dass viele Tausende junger Amerikaner willens sind, sich zu wehren. Während auf der einen Seite der Tod Heyers die Vereinigen Staaten aussehen ließ, als hätten sie den dunkelsten Punkt des Jahrhunderts erreicht, so waren die Reaktionen auf die Geschehnisse in Charlottesville international eine Quelle der Inspiration für Sozialisten und Antirassisten.
Nach Charlottesville fanden an vielen verschiedenen Orten in den USA insgesamt an die 700 Solidaritätsveranstaltungen statt. Zehntausende Anti-Nazis begegneten Ende August einer winzigen ultrarechten „Free Speech“-Versammlung in Boston. Gegendemonstranten zwangen zu der Absage einer ultrarechten Veranstaltung in San Francisco. Auch in Chicago wurden antifaschistische Proteste abgehalten.
Dieser Widerstand hat die Atmosphäre entscheidend verändert und die Ultrarechte in die Defensive gedrängt. Überall in den Staaten wurden ultrarechte Versammlungen abgesagt. Eine Schwade Neonazis, Teilnehmer am Event „Unite the Right“ wurden aus ihren Arbeitsverhältnissen entlassen oder von den Universitäten geworfen.
Die Tapferkeit der Aktivisten, die sich in Charlottesville den Faschisten und dem Staat widersetzten, dient uns allen als Beispiel. Die antirassistische Bewegung hat in den USA eine unerlässliche Aufgabe darin, die Welle der durch Heyers Ermordung entstandenen Empörung weiter zu verfolgen.
Die Gewalt in Charlottesville und auch die Debatte über die Konföderierten-Statuen gehen zurück auf den brutalen historischen Kern Amerikas.
Die reichste Nation der Erde begründet sich auf der Brutalität der Sklaverei und den Massakern an der amerikanischen Urbevölkerung.
Jeder einzelne Schritt vorwärts für die normale Bevölkerung, das Ende der Sklaverei, ebenso wie die Bürgerrechte wurden den Reichen und Mächtigen durch Kämpfe abgerungen.
Heyers letzter Post auf Facebook meint: „Wer nicht entrüstet ist, hat nicht aufgepasst.“ Sie sollte Recht behalten. Ihr Tod und die Geschehnisse in Charlottesville wurden zum Weckruf für die gesamte Bewegung.
Hier in Großbritannien fällt uns der Part zu, gegen jeglichen Besuch seitens Trump hierher Widerstand zu leisten und hier eine Massenbewegung gegen Rassismus und Faschismus aufzubauen.
Trumps Äußerung zum Sturz der Konföderierten-Statuen: „Diese Woche ist es also Robert Lee. Auch Stonewall Jackson wird gestürzt. Ich frage mich doch, ob nächste Woche George Washington und übernächste Woche Thomas Jefferson dran sind? Also, wisst ihr was? Das ist in Ordnung so. Ihr ändert die Geschichte. Ihr ändert die Kultur.“
Aber Lees Statue ist nicht einfach nur ein Teil der US-amerikanischen Kultur und Geschichte. Statuen der Konföderierten sind wirkungsvolle aktuelle Symbole von Sklaverei und Unterdrückung in den USA. Die Konföderation führte den blutigsten Krieg in der Geschichte der USA in dem Versuch, die Versklavung von über 4 Millionen Menschen aufrechtzuerhalten. Viele der Generäle richteten afroamerikanische Soldaten der Gegenseite hin, statt sie gefangenzunehmen.
Von den ca. 700 Denkmälern der Konföderation in den Südstaaten wurde die große Mehrheit nicht nach dem Ende des Bürgerkrieges errichtet, sondern zwischen 1890 und 1950. Die Spitze dieser Phase des Denkmalsbaus wurde zwischen 1900 und 1920 erreicht.
Die Statuen wurden als materielle und ideologische Stützen für die „Jim Crow Gesetze“ errichtet, Gesetze, die systematisch zur Diskriminierung gegen Afroamerikaner und zur Entziehung ihres Wahlrechts eingesetzt wurden. „Jim Crow“ war eingeführt worden, um die im Gefolge des Bürgerkrieges erreichten Errungenschaften der Regierungen der Radical Reconstruction in den Südstaaten wieder abzuschaffen. In dieser Phase hatten schwarze (und arme weiße) Bürger das Wahlrecht erlangt und Schwarze konnten in Spitzenämter gewählt werden.
Die Statuen unterstrichen und legitimierten Unterstützung der mörderischen Umtriebe des Ku Klux Klan, des gewaltsamen Widerstandes gegen die Bürgerrechtsbewegung und gegen Versuche, die Rassentrennung zu beenden.
Diese Statuen stehen im deutlichen Kontrast dazu, dass es kaum Mahnmale für die Schrecken verbreitenden Lynchmorde schwarzer Menschen in den Südstaaten gibt. Lediglich für sechs der 4.084 Lynchmorde, die vom Ende der Reconstruction 1877 bis 1950 begangen wurden, gibt es Denkmäler.
Das Southern Poverty Law Centre führt eine Liste von 1.300 Gedenkzeichen zu Ehren Konföderierter, einschließlich von 109 öffentlichen Schulen, die nach ihnen benannt sind. An vielen dieser Schulen sind die Mehrheit der Schüler Afroamerikaner.
Der Artikel von Michael Bradley erschien im Socialist Review und wurde von Dore übersetzt.