Superreiche für die Pandemie-Folgen zur Kasse bitten

Covid-19 hat die Ärmsten besonders stark getroffen, das wird immer deutlicher. Doch auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung sind äußerst ungleich verteilt. Während global die Wohlhabendsten weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen sind und die Zahl der Superreichen gewachsen ist, sind Erwerbslosigkeit, Armut und Hunger weltweit stark gestiegen. Für die soziale Ungleichheit war die Pandemiezeit ein enormer Beschleuniger.

Die nackten Zahlen sind erschreckend. Auf der einen Seite ist die Anzahl der Millionäre weltweit allein im Pandemie-Jahr 2020 um 5,6 Millionen gestiegen und das Vermögen der 2.700 Milliardäre wuchs um 60 Prozent. Konzerngiganten wie Amazon, Google oder Microsoft fahren einen Rekordgewinn nach dem nächsten ein und konnten die Krise nutzen, um ihre Macht enorm auszubauen. Steuern zahlen ihre Besitzer, die die reichsten Menschen des Planeten sind, dabei praktisch nicht.

Auf der anderen Seite sieht es düster aus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass durch die Pandemie allein im Jahr 2020 etwa 100 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut gedrückt wurden. David Nabarro von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwartet gar eine Verdopplung der Armut und der Unterernährung von Kindern – während nach Daten der Weltbank die Armut in den letzten 20 Jahren langsam aber kontinuierlich zurückging. Oxfam warnt vor eine „Hunger-Pandemie“ als Folge von Corona.

In den meisten reicheren Staaten des Globalen Nordens haben die Regierungen enorme Summen öffentlicher Gelder in die Hand genommen, um Kurzarbeit zu finanzieren, Selbständige zu unterstützen und Unternehmen mit Hilfszahlungen unter die Arme zu greifen. Dabei ergaben sich zwar manche unmoralischen und absurden Ereignisse – beispielweise sparte der Automobilkonzern Daimler im Jahr 2020 durch das Kurzarbeitergeld etwa 700 Millionen Euro ein, steigerte seinen Jahresgewinn aber um knapp 50 Prozent und kündigte an, die Dividende für seine Aktionäre um 400 Millionen auf insgesamt 1,4 Milliarden Euro zu erhöhen. Im Kern war diese Politik jedoch richtig und wichtig, trotz einer Schlagseite hin zu großen Unternehmen und bestimmten Branchen. Gemessen am gigantischen Investitionspaket der US-Regierung verblassten die Maßnahmen in Europa sogar trotz ihres historischen Ausmaßes.

Die entscheidende Frage ist allerdings: Wer wird für diese Kosten aufkommen? Wer zahlt schließlich für die Krise? Werden es wieder die unteren Teile der Gesellschaft sein oder schaffen wir es endlich einmal, den Profiteuren der Krise auch die Kosten in Rechnung zu stellen?

Sogar die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (​OECD) warnt inzwischen in deutlicher Klarheit davor, die Fehler der vergangenen Krisen zu wiederholen und auf Austerität zu setzen. Gerade die deutsche Bundesregierung ist bekannt für diese Linie. Die maßgeblich von ihr in der EU durchgesetzte Kürzungspolitik im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 hatte verheerende Folgen vor allem in den weniger wirtschaftsstarken Ländern Südeuropas.

Für die Parlamentarische Versammlung des Europarates bin ich aktuell Berichterstatter zu diesem Thema. Konkret behandelt die Versammlung am 22. Juni meinen Bericht mit dem Titel „Die Überwindung der von der Covid-19-Pandemie verursachten sozioökonomischen Krise“. Es geht darin um nicht weniger als den Bruch mit einigen Dogmen des Neoliberalismus, die die Krisenpolitik der zurückliegenden Jahre negativ geprägt haben. Konkret müssen Austerität, Kürzungspolitik und Privatisierung überwunden werden. Stattdessen sind umfassende öffentliche Investitionen notwendig und zwar vor allem in Projekte, die den notwendigen sozial-ökologischen Umbau befördern und den Schwächsten helfen. Auch die Kürzungen im Gesundheitswesen müssen rückgängig gemacht werden. Wenn die Pandemie eines gezeigt hat, dann ist es die Notwendigkeit gut finanzierter, bedarfsorientierter öffentlicher Gesundheitssysteme.

Um all dies zu finanzieren, schlägt der Bericht unter anderem Vermögenssteuern und eine einmalige Abgabe auf die größten Vermögen vor. Vor allem aber müssen progressive Steuern genutzt werden, um soziale Ungleichheit abzubauen, statt sie immer weiter wachsen zu lassen. Es ist an der Zeit, dass die Superreichen für die Pandemie-Folgen zur Kasse gebeten werden.

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