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Solidarität gegen soziale Kälte

Für eine breite gesellschaftliche Bewegung statt kleinlicher linker Grabenkämpfe
Bei den Protesten gegen die steigenden Energiepreise tritt die Linke nicht einheitlich auf. Das Wagenknecht-Lager kritisiert den unsozialen Charakter der Maßnahmen der Ampelregierung und hebt besonders darauf ab, dass die Sanktionspolitik der Ampelregierung gegen Russland für das angerichtete Schlamassel verantwortlich sei. Ein anderer Teil der Linken übt ebenso Kritik am antisozialen Charakter der Politik der Regierung, sträubt sich aber – in Folge der eigenen „Pro-Sanktions-Position“ – gegen die Benennung der Sanktionen als eine oder gar die Ursache der aktuellen Probleme. Bei der Wagenknecht-Strömung ist offenkundig das Thema Ökologie unterbelichtet. Es scheint so, als ob viele Akteure des Wagenknecht-Flügels die Notwendigkeit eines tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbaus als Alternative zum Desaster Kapitalismus grundsätzlich in Frage stellen. Die Forderung nach Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 2 ist bei ihnen auch ein Ausdruck fehlender Kritik an der Schädlichkeit fossiler Energien.

Demgegenüber meine ich: Eine breite Bewegung sollte sowohl die Anliegen der sozialen Bewegungen, der Friedensbewegung sowie die Anliegen der Bewegung gegen den Klimawandel vertreten. Der nachfolgende Text stellt ein paar Eckpunkte für eine inhaltliche Ausrichtung zur Diskussion.

Seit März 2020 leben wir im Zustand einer nicht enden wollenden Krise. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, all dies ängstigt uns und bedroht unsere Existenz. Viele wissen nicht, wie sie ihre Heizkosten zahlen sollen, haben aufgrund der Inflation weniger Geld zur Verfügung und blicken besorgt in die Zukunft.

Währenddessen machen die Konzerne Milliardengewinne mit höheren Preisen. Allein RWE machte im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 5,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig schwinden bei vielen Menschen die Ersparnisse. Andere können ihre Rechnungen nicht mehr zahlen. Im Winter drohen nochmals höhere Kosten.

Preise für Gas und Strom deckeln — damit im Winter kein Preisschock droht!

Immer mehr Menschen fürchten die nächste Energierechnung. Preissteigerungen von mehreren Hundert Euro sind keine Seltenheit. Das bringt Menschen an den Rand ihrer Existenz. Auch in Deutschland braucht es Gas- und Strompreisdeckel, wie sie in Frankreich, Spanien, Portugal oder Griechenland bereits eingeführt wurden. Anreize zum Sparen gibt es dennoch: Wir brauchen kostengünstige Grundkontingente für den Basisverbrauch. Darüber hinausgehender Verbrauch muss deutlich teurer werden.

Bezahlbare Wohnungen müssen her!

Alle Preiserhöhungen müssen sofort gestoppt werden. Es darf keine Zwangsräumungen geben. Dreh- und Angelpunkt einer sozialen Wohnungspolitik ist die Verhinderung weiterer Mieterhöhungen. Es braucht einen bundesweiten Stopp für Mieterhöhungen und Obergrenzen für die Mieten (Mietendeckel).

Es gibt einen gravierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Bundesweit fehlen mindestens fünf Millionen Sozialwohnungen. Wir brauchen ein 100 Milliarden starkes öffentliches Wohnungsbauprogramm, um die Not zunächst zu lindern und schließlich zu beheben. Das Wohnbauprogramm von Bauministerin Geywitz (SPD) sieht 400.000 neue Wohnungen pro Jahr vor – davon allerdings nur 25 Prozent im Bereich von günstigem Wohnen! Erreicht wird 2022 höchstens die Hälfte. Nach wie vor fallen mehr Wohnungen aus der öffentlichen Förderung heraus als Sozialwohnungen gebaut werden.

Ein weiteres Problem: Es sollte bei den neuen Wohnungen mindestens KfW-55-Standard gelten und die Energieversorgung sollte nicht fossil sein. Es braucht gute Dämmung und einen Anschluss an ein auszubauendes Fern- und Nahwärmenetz (Einspeisung der Wärme mit (Groß-)Wärmepumpen, Geothermie, saisonale Wärmespeicher, thermische Solaranlagen). Konzerne, die nicht sanieren, die Mieten hochtreiben oder ihre Mieter*innen schikanieren, müssen enteignet werden. Keine Spekulation mit Wohnraum an der Börse: Mit Wohnen darf kein Profit gemacht werden.

Mehr Tempo bei der Energiewende im Gebäudesektor

Laut „Wuppertal Institut“ ist der Gebäudesektor für knapp ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen und ca. 30 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Würden jedes Jahr drei Prozent der Bestandsgebäude in der Bundesrepublik energetisch saniert – also gedämmt und mit neuen, gut isolierten Türen und Fenstern sowie mit modernen sparsamen Heizungen ausgestattet –, würde das den Gasverbrauch des Gebäudesektors in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent senken. Durch gute Isolation der Häuser könnten zudem die Heizungskosten gesenkt werden. Dennoch gibt es nach wie vor keine Verpflichtung zur energetischen Sanierung. Die energetische Sanierung energieschluckender Gebäude läuft viel zu schleppend. Andere europäische Länder verbieten längst den Einbau von Gasthermen. In Deutschland wird dagegen – obwohl die Technik längst ausgereift ist – immer noch erstaunlich wenig auf regenerative Heizenergie gesetzt.

Ein Umstieg von Heizungen, die auf Erdöl und Erdgas basieren, hin zu elektrischen Wärmepumpen und „grüner“ Fernwärme auf Grundlage von erneuerbaren Energien wäre gut für die Geldbeutel von Mieter*innen und zugleich ein bedeutender Beitrag zur Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen.

Gebäudesanierung und Umstellung von Heizung und Energie von fossilen auf erneuerbare Energien sind gesellschaftliche Kraftakte, die aber angesichts der offenkundigen Beschleunigung des Klimawandels höchste Priorität haben müssen. Für ihre Umsetzung braucht es gewaltige Investitionsprogramme. Für ihre Durchführung werden hunderttausende von zusätzlichen qualifizierten Arbeitsplätzen benötigt. Britische Gewerkschafter*innen kamen zu dem Ergebnis, dass für eine energetische Gebäudesanierung wohl über zwei Millionen Arbeitsplätze mehr benötigt werden. Angesichts der Komplexität der anstehenden Aufgaben sprechen sie sich dafür aus, dass es einen „National Climate Service“ braucht, um die unterschiedlichsten anfallenden Aufgabe sinnvoll aufeinander abzustimmen und zu koordinieren.

Löhne, Renten, Sozialleistungen, Bafög an die Inflation anpassen!

Die Löhne stagnieren seit Jahren. Und jetzt wollen Arbeitgeber und Wirtschaftsliberale auch noch die Krise nutzen, um sie weiter zu drücken. Sie fordern Nullrunden und verbreiten arbeitnehmerfeindliche Mythen über eine erfundene Lohn-Preis-Spirale!

Wir brauchen endlich höhere Löhne, denn nur sie helfen gegen dauerhaft hohe Preise. Seit Jahren bekommen wir nicht die Lohnerhöhung, die uns zusteht. Die Zeit ist reif! Die Gewerkschaften müssen mit Streiks für Lohnerhöhungen kämpfen, die über der Inflationsrate liegen. Wir brauchen Regelungen wie in Belgien, wo Löhne und staatliche Leistungen automatisch an die Inflationsrate angepasst werden. Es ist die Aufgabe der Gewerkschaften, in tariflichen Auseinandersetzungen, das durchzusetzen. Wir sollten uns im Übrigen daran erinnern, dass 1969 bei Hoesch oder der HDW Werft in Kiel und 1973 Belegschaften in „wilden Streiks“ beträchtliche Lohnerhöhungen durchsetzen konnten.

Energieversorgung in öffentliche Hand

Während einige Energiekonzerne wie UNIPER gerettet werden, füllen sich andere auf Kosten der Gesellschaft die Taschen. Die großen Strom- und Gaskonzerne fahren riesige Gewinne ein und schütten einen Großteil davon an ihre Aktionäre aus. Die Mehrheit der Bevölkerung wiederum zahlt über ihren Konsum von Energie die Dividenden der Reichen. Energieversorgung muss dem Gemeinwohl dienen und der Profitmacherei entzogen werden. Die Energieversorgung darf nicht dem privaten Markt überlassen werden. Es ist die Aufgabe der Politik, bezahlbare Energiepreise für alle zu gewährleisten.

Die Energieversorgung sollte bürger*innennah als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge organisiert werden. Nur so wird es möglich sein, den Umstieg auf erneuerbare Energien in dem Tempo durchzuführen, das uns der Klimawandel aufzwingt.

Nachfolgemodell für 9-Euro-Ticket schaffen, Mobilitätswende braucht den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn

Der große Zuspruch für das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass viele Menschen zum Umstieg weg von PKW hin zu „Öffis“ (Straßenbahnen, Bussen und Zügen) bereit sind. Es ist ein Skandal, dass die Ampelregierung die Bereitstellung eines attraktiven, sozial erschwinglichen Nachfolgemodells für das 9-Euro-Ticket verschleppt. Der Umstieg vom Pkw auf „Öffis“ wäre eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel. Das gelingt nur, wenn das Angebot bei den Öffentlichen deutlich besser wird. Das jetzt angepeilte 49-Euro-Ticket ist für Menschen mit niedrigem Einkommen zu teuer. Im Übrigen ist insbesondere Verkehrsminister Wissing (FDP) nicht bereit, in ausreichende Menger Gelder für den Ausbau des ÖPNV zur Verfügung zu stellen.

Günstiger, gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr ist ein Schlüssel für das Gelingen einer Verkehrswende. Damit würden wir zudem viele neue Arbeitsplätze schaffen. Wir brauchen dafür massive Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Dazu braucht es riesige Investitionen. 100 Milliarden für die Mobilitätswende, den Umstieg auf Busse und Bahnen! Die „Spurwechsel“-Studie der Rosa-Luxemburg Stiftung geht davon aus, dass dies über 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze generieren würde.

Für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft

Die Ampelregierung kauft überteuertes „schmutziges“ Gas aus Saudi-Arabien statt aus Russland – aus eine Land also, das im Jemen mit westlicher Waffenhilfe seit Jahren Krieg führt. Die Konservativen wollen hingegen eine Rückkehr zur Kernenergie, die AfD sogar eine vermehrte Nutzung von Braunkohle, die sie allen Ernstes als „saubere Energie” bezeichnet.

Wir beurteilen die NATO-Sanktionen gegen Russland kritisch. Sie schaden in der Hauptsache den kleinen Leuten und haben die Spekulationen an den Gasmärkten angeheizt. Sie sind mitverantwortlich für den dramatischen Anstieg der Strom- und Gaspreise auch hierzulande. Es spricht vieles dafür, dass bei einem Waffenstillstand das immer wahnsinnigere gegenseitige Abschlachten aufhören würde. Vermutlich würde bei einer Deeskalation des Konflikts auch ein Teil der Sanktionen aufgehoben. Das hätte auch ein Absinken der Gaspreise zur Folge.

Dennoch kann unsere Antwort auf die Probleme im Energiesektor kein Weiter-so mit billiger russischer Energie sein. Wir brauchen viel mehr Tempo bei der Energiewende. Die erneuerbaren Energien, Windkraft und Fotovoltaik, müssen zügig ausgebaut werden. In der Zeit bis zum Abschluss der Umstellung der Volkswirtschaft auf Erneuerbare wäre unter ökologischen Gesichtspunkten das weniger „dreckige“ und weniger teure russische Gas sinnvoller als dreckige Braunkohlekraftwerke und Fracking-Gas aus den USA oder den Golfstaaten.

Nein zur Hochrüstung der Bundeswehr

Die Bundesregierung nimmt den Krieg in der Ukraine als Vorwand, längst in den Schubladen liegende Pläne zur Hochrüstung der Bundeswehr zu aktivieren. Bei dem 100-Milliarden-Hochrüstungspaket geht es nicht um fehlende Stiefel oder frische Unterhosen für die Soldaten. Es geht beispielsweise um den Kauf von 35 F-35-Tarnkappenjets aus den USA, mit denen in der Eifel lagernde US-Atomwaffen optimal ins Ziel gebracht werden sollen. Es geht um Fregatten, schwere Transporthubschrauber und neue Panzer. Die Hochrüstung dient nicht der Verteidigung, sondern der Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Bundesregierung erhebt den Anspruch, Führungsmacht zu sein, und will bei internationalen Konflikten verstärkt die militärische Karte spielen können. Damit sind derartige Konflikte vorgezeichnet.

Die Milliardenausgaben holt sich der Staat früher oder später durch Einsparungen in der öffentlichen und sozialen Infrastruktur zurück. Militärministerin Lambrecht (SPD) sagt, man müsse bei Mitteln für die „staatliche Daseinsvorsorge“ künftig zugunsten der Bundeswehr „umschichten“.

Jeder Euro, der für die Rüstung ausgegeben wird, ist einer zu viel. Die jährlich über 60 Milliarden Euro für das Militär wären besser im Gesundheitssystem, in der Bildung, im Klimaschutz, bei der Armutsbekämpfung oder bei der Energie- und Verkehrswende angelegt.

Krisenprofiteure besteuern – damit sich niemand an der Not bereichert

Während die Ampelkoalition im Handumdrehen 100 Milliarden Euro für ein Rüstungspaket locker machen kann und die Aktienkurse der Rüstungsindustrie in die Höhe schießen, gibt dieselbe Regierung Tipps fürs richtige Duschen und sieht sich nicht in der Lage, Sondersteuern auf Extragewinne zu erheben oder die Energiepreise zu deckeln.

Die Übergewinne der Strom- und Gasindustrie in Deutschland belaufen sich laut einer Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit allein im Jahr 2022 auf 75 Milliarden Euro. Die Übergewinne der Ölindustrie betragen geschätzt knapp 40 Milliarden Euro.

Die Schere zwischen Arm und Reich wächst. Statt weiter stumm zuzusehen, müssen wir dem entgegenwirken. Wir brauchen eine progressive Besteuerung von Kapital, Gewinnen und hohen privaten Vermögen.

  • Wiedererhebung der Vermögenssteuer (58 Milliarden Euro)
  • stärkere Besteuerung von hohen Erbschaften und Schenkungen (zehn Milliarden Euro)
  • vernünftige Unternehmensbesteuerung (35 Milliarden Euro)
  • konsequenteren Steuervollzug und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung in Steueroasen (15 Milliarden Euro)
  • eine Gemeindewirtschaftssteuer (15 Milliarden Euro)

Rote Karte für rechte Demagogen

Die Rechten versuchen, die Krise zu instrumentalisieren. Dafür greifen sie tief in die Trickkiste sozialer Demagogie. Sie tun so, als ginge es ihnen um die Nöte armer, an den Rand der Gesellschaft gedrängter Menschen. Bei der Debatte um das Bürgergeld im Bundestag haben sie allerdings gezeigt, wes Geistes Kind sie sind. Sie polemisierten sogar noch gegen die bescheidenen Verbesserungen, die der Gesetzesentwurf der Ampel für Bezieher*innen von Hartz IV beim Bürgergeld vorsieht. Die AfD versuchte, diejenigen gegeneinander auszuspielen, die über ein geringes Einkommen verfügen. Einer ihrer Redner verstieg sich in die Behauptung, Hartz-IV-Bezieher würden in angeblichen Villen leben und könnten den Sachbearbeitern einfach unsanktioniert die Mitwirkung verweigern.

Was die Energiepolitik betrifft, will die AfD zurück ins letzte Jahrtausend. Ihre zentrale Parole ist „AKW – Na Klar!“ Als hartgesottene Klimaleugner-Partei vertritt tritt die AfD natürlich die Position, dass der Kohleausstieg unverantwortlich sei. Unter dem Strich erweist sich die AfD als konsequente Umweltzerstörungspartei. Diesen Leuten müssen wir die rote Karte zeigen!

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