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Rechtsruck in Lateinamerika

Ein Kontinent zwischen ökonomischer Krise und rechten Regierungsübernahmen. Ein Kommentar von Jakob Graf und Anna Landherr.

Lateinamerika galt der weltweiten Linken lange Zeit als Vorreiter und Vorbild. Mit dem Wahlsieg von Mauricio Macri 2015 begann allerdings ein Rechtsruck in der Region. Seitdem gelang es der Rechten nahezu überall die Regierung zu übernehmen. Was bedeuten diese Entwicklungen für die Linke weltweit?

Bis heute ist die kubanische Revolution von 1959 mit ihrer bäuerlichen und kämpferischen Guerillastrategie durch das Konterfei Che Guevaras auch in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Während Fidel Castros Guerilleros die Macht mit dem Gewehr erstritten, wurde der Wahlerfolg Salvador Allendes und dessen Präsidentschaft ab 1970 weltweit zum Vorbild für einen demokratischen und friedlichen Weg zum Sozialismus.

In Europa bildeten sich Solidaritätsbewegungen für die linken Kräfte Lateinamerikas, insbesondere als die Regierung Allendes mit Hilfe der USA vom chilenischen Militär geputscht wurde. Was dann folgte, waren lange Jahre der Militärdiktatur in Chile und den meisten anderen Ländern. Viele Linke wurden inhaftiert, gefoltert, getötet oder mussten fliehen.

Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts

Mit dem weltweiten Einzug des Neoliberalismus nach Ende der Sowjetunion begann in Lateinamerika ein neuer Zyklus der Linken. Im Süden Mexikos kontrollierten die Zapatistas zunehmend ländliche Gebiete. 1999 gewann Hugo Chávez die Präsidentschaftswahlen in Venezuela und rief Mitte der 2000er Jahre den Sozialismus des 21. Jahrhunderts aus. 2003 wurde der Kandidat der Arbeiterpartei Lula da Silva Präsident Brasiliens. Dem folgte eine Welle weiterer sozialdemokratisch oder sozialistisch ausgerichteter Regierungen, die lediglich mit der Ausnahme von Mexiko, Kolumbien und El Salvador 2008 ganz Lateinamerika regierten.

Private Rohstoffunternehmen wurden verstaatlicht, ausländische Konzerne stärker in die Mangel genommen, die öffentliche Daseinsvorsorge ausgebaut und über Jahre hinweg eine breite Politisierung der Bevölkerung vorangetrieben. Doch spätestens als 2014 die Rohstoffpreise fielen, schlitterten die allesamt rohstoffexportierenden Länder in die Krise und mit ihr die linken Regierungen.

Putsch und Propaganda

Rechte Reaktionen setzten schon früher ein. 2002 versuchte ein Teil des venezolanischen Militärs mit Hilfe der USA Chavéz aus dem Amt zu entfernen. Venezuela, das enorme Ölvorkommen hält und riesige Mengen an die USA liefert, war den USA von Beginn an ein Dorn im Auge. Der Putsch wurde nur durch eine umfassende Mobilisierung der venezolanischen Bevölkerung gestoppt.

Ihm folgten Putschversuche und mehr oder weniger gewaltsame Amtsenthebungen, meist mit Unterstützung der USA, in Honduras, Ecuador, Paraguay und zuletzt gegen Dilma Rousseff in Brasilien. Derzeit versucht die Supermacht die Regierung Nicolas Maduros in Venezuela durch einen „weichen“ Putsch zu Fall zu bringen.

In einigen Fällen gelangten die Rechten jedoch auch per Wahlurne an die Macht, etwa in Argentinien. Der 2015 zum Präsidenten gewählte Mauricio Macri unterwarf das Land in kürzester Zeit den neoliberalen Kreditvorgaben des IWF. Seitdem leidet die breite Masse der Bevölkerung unter einer umfassenden wirtschaftlichen Krise. In Ecuador gewann Lenín Moreno unter dem Banner der Linken die Wahlen, schwenkte jedoch bald nach rechts um.

In Chile konnte 2017 der neoliberale Sebastián Piñera durch Wahlen zum Präsidenten werden. Der fünftreichste Mann des Landes hatte die Unterstützung der Weltbank, die die Statistiken über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fälschte, um seine sozialdemokratische Vorgängerin schlecht aussehen zu lassen. In Brasilien wurde 2018 Jair Bolsonaro zum Präsidenten gewählt. Der neue Wirtschaftsminister Paulo Guedes, sowie Bolsonaro beziehen sich positiv auf die chilenische Militärdiktatur und betont ihre vorbildliche wirtschaftliche Entwicklung.

Die Macht der Straße

Eine Ausnahme stellt Mexiko dar. Das Land, das auch während der Linkswende eine rechte Regierung beibehalten hatte, wählte 2018 den linksprogressiven López Obrador zum Präsidenten.

Gleichzeitig lässt sich auch ein Aufwind linker Mobilisierungen in vielen weiteren Ländern der Region feststellen. So bringen die feministischen Proteste in Argentinien oder die Demonstrationen gegen das neoliberale Rentensystem in Chile hunderttausende Menschen auf die Straße. Während sich die Rechte in der Regierung ihr neues Zuhause einzurichten versucht, bleibt die Linke vielerorts auf der Straße stark.

Der Artikel erschien in der neuen Ausgabe unseres Medienpartners Critica.


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