Österreich – Zurück in die Vergangenheit? – Nein zur SPÖ-FPÖ-Regierung

In Österreich spekulieren Teile der Sozialdemokraten (SPÖ) auf eine Koalition mit der Partei »Die Freiheitlichen« (FPÖ). Eine solche Politik wird die Krise der SPÖ nicht stoppen – im Gegenteil. Die Parteilinke muss einen radikalen Bruch mit den Steigbügelhaltern der Rechten in den eigenen Reihen wagen. Ein Kommentar von Volkhard Mosler

Weder die Konservativen (ÖVP) noch die Sozialdemokraten (SPÖ) rufen zum Kampf gegen die drohende Machtübernahme durch Strache/Hofer auf. Denn um nichts anderes geht es. Die Gefahr, dass der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer am 22. Mai im zweiten Wahlgang zum Bundespräsident gewählt wird, ist groß.

Österreich: Die Macht des Bundespräsidenten

Die österreichische Verfassung von 1929 gibt dem Bundespräsidenten die Macht, Regierungen zu entlassen und so Neuwahlen zu einem seiner Partei genehmen Zeitpunkt anzusetzen. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Er hat als formeller Oberbefehlshaber der Armee Zugriff auf diese. Der FPÖ-Kandidat für die Präsidentschaftswahl, Norbert Hofer, hat bereits damit gedroht, die Regierung zu entlassen, sollte diese seinen Ideen als Staatsoberhaupt nicht folgen. »Wenn die Regierung bei ihrem Kurs bleibt, in der Flüchtlingsfrage, bei der Pflege, der Wirtschaft und den Spitälern, würde ich ein Gespräch mit ihr führen. Wenn das nicht taugt, steht am Ende die Entlassung an«, sagte Hofer den »Vorarlberger Nachrichten«.

Faymanns Rücktritt

Der Abgang von Österreichs Bundeskanzler Werner Faymanns war ein Erfolg der massiven Proteste auf der Kundgebung zum 1. Mai in Wien. SPÖ-Mann Faymann konnte gerade zwei Minuten reden, dann ging seine Ansprache im Protestkonzert der roten Basis von Wien unter. Allerdings streute die SPÖ-Führung das Gerücht, der Rücktritt sei das Resultat von einigen SPÖ-Landesfürsten – nichts ist ihr mehr zuwider als der unabhängige Protest der eigenen Mitglieder und Wählerschaft. Wenn FPÖ-Mann Hofer Präsident wird, wird er seine Drohung wahrmachen und die sozialdemokratisch geführte Große Koalition stürzen und entweder die ÖVP damit beauftragen, eine Regierung unter Beteiligung der FPÖ zu bilden oder aber Neuwahlen ansteuern (oder beides nacheinander). Dann käme es in einem halben Jahr vielleicht zu einer Regierung unter einem »blauen« FPÖ-Kanzler Strache mit der ÖVP als Juniorpartner.

Aufstand der Anständigen in Österreich

Aber noch ist es nicht so weit und noch kann dieser Marsch »zurück in die Dreißigerjahre« verhindert werden. Was Österreich jetzt dringend braucht, ist ein »Aufstand der Anständigen«, das heißt aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die sich gegen eine Machtübernahme Hofer (Präsident) und Strache (Kanzler) und die Gefahr einer Entwicklung zurück in die Dreißigerjahre entgegen stellen wollen. Die Demonstration am 19. Mai in Wien gegen Hofer und die FPÖ könnte der Beginn eines solchen Aufstandes sein. Nur ein massenhafter Protest auf der Straße und in den Betrieben kann die SPÖ-Führung oder Teile von ihr noch zur Besinnung bringen.

Krise der SPÖ

Das Zaudern der SPÖ-Führung, den Kandidaten der Grünen Alexander Van der Bellen zu unterstützen, zeigt, dass sie nichts aus der Geschichte (1934, Putsch der Austrofaschisten unter Dollfuß) gelernt hat. Mir fällt zu deren Kurs nur der Herr Biedermann aus dem gleichnamigen Stück von Max Frisch (Biedermann und die Brandstifter) ein, der den Brandstiftern noch die Streichhölzer gereicht hat, um zu verhindern, dass die kriminellen Zündler sein Haus ansteckten. Genutzt hat ihm das bekanntlich nichts.

Österreich: Ein Lehrstück

Österreich ist auch ein Lehrstück für alle Linken und Sozialisten in Europa, die glauben, man könnte den Aufstieg der Rassisten und Neofaschisten durch vorauseilenden Gehorsam und Imitation aufhalten. Auch Seehofer sollte mal hinschauen, was passiert, wenn »Christlich-Soziale« seinen Vorschlägen Folge leisten. Die weitere Zuspitzung der Krise der SPÖ ist vorprogrammiert. Würde sie sich in der Opposition erholen, wenn die jetzige schwarz-rote Koalition so oder so platzte? Ich nehme an, dass die Krise dann erst mal noch an Fahrt und »Dynamik« aufnehmen würde. Ein Jeremy Corbyn, der für einen Bruch mit dem Kurs der Kapitulation vor dem offenen Rassismus einträte, könnte das vielleicht noch schaffen.

Neue Linke in Österreich?

Besser wäre ein radikaler Bruch der Parteilinken mit den Steigbügelhaltern der Neofaschisten in den eigenen Reihen. Die Krise der SPÖ könnte auch die Chance für einen sozialistischen Neuanfang in Österreich bringen. Was kann die Linke innerhalb und außerhalb der SPÖ dazu beitragen? Das ist schwer zu sagen, wenn man nicht mitten drin steckt. Aber eines ist sicher: eine Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus«, die alle mitnimmt, die sich einen Rest an Menschenfreundlichkeit und Solidarität für Menschen in Not, für demokratische Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten, gegen Spaltung und für ein solidarisches Zusammenleben bewahrt haben. Eine solche Bewegung würde auch den Linken in der SPÖ Auftrieb geben und ihnen Mut machen, nicht länger wie der Hase auf die Schlange zu starren, sondern zu handeln: Jetzt.

Veröffentlicht wurde der Beitrag im Magazin „Marx21

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