Verpasste Verkehrswende

Die Bundesregierung pumpt viele Milliarden Euro in Lufthansa und Deutsche Bahn. Aber ein Verkehrskonzept für die Zukunft hat sie nicht. Es ist an der Zeit, Mobilität für alle, Klimaschutz und Beschäftigungssicherung zusammenzubringen.

Die Bundesregierung hat eine wichtige Chance verpasst, die sozial-ökologische Verkehrswende voranzubringen. Die Eckpunkte des Konjunkturpakets sind eine Sammlung von Stückwerk. Eine klare Richtung ist nicht zu erkennen. Die Bundesregierung pumpt viele Milliarden in Autokonzerne, in Lufthansa und Deutsche Bahn, ohne ein integriertes Verkehrskonzept zu präsentieren und ohne klare Zukunftsperspektive für die Beschäftigten zu entwickeln. Dabei war der Zeitpunkt selten so günstig, neue Formen der Mobilität, Beschäftigungssicherung und Klimaschutz in ein gemeinsames Konzept zu bringen. Ich habe dazu bereits vor einiger Zeit einen Vorschlag gemacht. (Siehe hier).

Statt Stückwerk und Einzelverhandlungen, wie es die Bundesregierung betreibt, braucht es ein soziales und ökologisches Gesamtkonzept. Das heißt auch: Deutsche Bahn und Lufthansa müssen aufeinander abgestimmt werden. Eine sinnvolle Verkehrspolitik aus einem Guss wird möglich, wenn Deutsche Bahn, die bereits zu 100 Prozent in Staatsbesitz ist, und Lufthansa zusammengelegt werden zu einem Mobilitätskonzern „Deutsche Bahn-Lufthansa“ – selbstverständlich als Unternehmen in öffentliche Hand. Kurzstrecken könnten auf die Schiene verlegt, der Bahnverkehr ausgebaut und Flüge eingeschränkt werden. Dadurch können sichere und sinnvolle Arbeitsplätze entstehen. Die Beschäftigten beider Unternehmen erhielten eine sichere Perspektive.

Die Bundesregierung hingegen vergibt Milliarden-Zuschüsse an die Lufthansa ohne Auflagen für Beschäftigung und Klimaschutz. Das ist der falsche Weg. Das Beispiel Frankreich zeigt, wie es besser funktioniert: Dort sind Staatshilfen an die Bedingung geknüpft, dass Air France die klimafreundlichste Fluglinie der Welt werden muss. Die Vorgaben haben Auswirkungen auf den Flugplan: Inlandsflüge sollen gestrichen werden, wenn die Strecke in akzeptabler Zeit mit dem Zug zurückgelegt werden kann.

Erhalt der Arbeitsplätze

Einige Kritikerinnen und Kritiker meiner Idee eines integrierten Mobilitätskonzerns führen eine generelle Skepsis gegenüber Fusionen an. Dies ist nachvollziehbar, denn die allermeisten Erfahrungen mit Fusionen belegen, dass sie zumeist zum Abbau von Beschäftigung führen. Mein Vorschlag jedoch zielt gerade auf Erhalt von Beschäftigung durch einen integrierten Mobilitätsansatz. Die Zukunft der Beschäftigten in einem reinen Luftfahrtkonzern ist angesichts wachsender Einsicht in die Notwendigkeit der Emissionsreduzierung unsicher. Zurzeit ist zu beobachten, dass auch neun Milliarden Euro vom Staat bei der Lufthansa offensichtlich nicht vor Entlassungen schützen.

Konsequent ausgeführt, schafft die Verkehrswende ökologisch sinnvolle Arbeitsplätze. Schätzung gehen von zusätzlichen 10.000 Stellen allein in der Schienenproduktion und 100.000 neuen Arbeitsplätzen in der Herstellung von Schienenfahrzeugen, Waggons und Triebwagen sowie in der Instandhaltung aus. Klar ist, wer vom Flugbegleiter zum Zugbegleiter umsattelt, darf keine Nachteile erleiden. Doch der Vorschlag der Bundesregierung lässt auch bei der Bahn den Willen zu nachhaltigen Verbesserungen vermissen.

Schub für nachhaltige Mobilität

Unter der aktuellen Corona-Pandemie leiden auch die Nahverkehrsunternehmen. Aus Angst vor einer Ansteckung fahren weniger Menschen mit Bus und Bahn. Diese Einnahmen fehlen jetzt. Die Verkehrsunternehmen müssen unterstützt werden. Doch es reicht nicht aus, nur Ausfälle zu kompensieren, wie es die Bundesregierung vorsieht. Die von der Regierung avisierten Summen für Deutsche Bahn und ÖPNV reichen nicht aus, um einen großen Schritt nach vorne zu gehen. Stattdessen braucht es einen wirklichen Schub für nachhaltige Mobilität. Mit dem aktuellen Konjunkturpaket hätte massiv in den Ausbau des ÖPNV und der Bahn sowie in dauerhaft vergünstigte Tickets investiert werden können.

Der ÖPNV ist eine Branche mit Zukunft: 30.000 Beschäftigte – von Fahrerinnen bis Stellwerkern – können bei Nahverkehrs- und Bahnbetrieben eingestellt werden. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung (71 Prozent) befürworten einen kostenfreien ÖPNV. Das ist aus sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Gründen sinnvoll. Und es ist innerhalb von fünf Jahren möglich und gerecht finanzierbar. Wege raus aus der Sackgasse der Automobilgesellschaft gibt es übrigens nicht nur für die Städte und Ballungsgebiete. Das Ziel einer Mobilitätsgarantie gilt auch für den ländlichen Raum und soll erreicht werden durch Anbindung mindestens im Stundentakt sowie den Ausbau von Bussen, Bahn und Anruf-Sammeltaxis.

Die Automobilindustrie spielt in Deutschland eine zentrale Rolle für den Arbeitsmarkt und für die Klimapolitik. Wer die Klimakatastrophe aufhalten will, darf nicht auf Verbrennungsmotoren setzen und muss den Umbau der Autoindustrie vorantreiben. Mit der Umstellung auf E-Mobilität und stärkerem Fokus auf öffentlichen Personennah- und -fernverkehr wird sich auch die Produktion und die Ansprüche an Autoindustrie und ihre Zulieferer ganz grundlegend verändern. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass Konversion möglich ist: Einige Zulieferer haben schnell ihre Produktion von Sitzbezügen auf Schutzmasken umgestellt.

Grundsätzlich muss bei allen staatlichen Hilfen gelten: Die Unternehmen müssen ihre Gewinnrücklagen nutzen. Bei Daimler, BMW und VW waren das im letzten Jahr fast 180 Milliarden Euro. BMW hat dieses Jahr bereits 1,6 Milliarden Dividende an Aktionäre ausgeschüttet. Daimler und VW werden folgen. Es kann nicht sein, dass Gewinne in privater Hand bleiben, aber Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einspringen sollen, sobald es schlecht läuft. Die diversen im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehen Programme – von der Umstellung von Fahrzeugflotten bis hin zur erhöhten Kaufprämie für Elektroautos – kommen der Autoindustrie direkt zugute. Diese Hilfe sind aber nicht an den Erhalt der Arbeitsplätze durch Transformation geknüpft. Auch hier hat die Bundesregierung eine Chance vertan sowohl für die Beschäftigten als auch den Klimaschutz.

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