Eine breite Masse gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen. Foto: foodwatch, licensed under CC BY-SA 2.0, Stop TTIP CETA Demo am 10.10.2015 in Berlin, via flickr.com

Konzernschutzabkommen CETA kommt – Dank geht raus an die Grünen!

Um vollständig ratifiziert zu werden, muss das Wirtschaftsabkommen CETA am 16. Dezember durch den Bundesrat. Mit Widerstand ist nicht zu rechnen. Davon war auch kürzlich im Bundestag nicht viel zu spüren. Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition wurde mit breiter Zustimmung durchgewinkt – auch von Seiten der ehemaligen CETA-Chef-Kritiker in grün. Zeit also, das Umfallen der Grünen in Sachen CETA noch einmal aufzurollen!

CETA – das steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement – ist ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Kanada. Durch Angleichung von Regeln und der Beseitigung von Zöllen soll CETA zu mehr Handel und Investitionen beitragen und so diesseits wie jenseits des Atlantiks Wachstum und Beschäftigung fördern. Zumindest ist das die Sicht der Bundesregierung. Kritische Stimmen halten dem entgegen, dass CETA in erster Linie Profite schütze. Konzern-Interessen würde Vorrang gegenüber den Gestaltungsmöglichkeiten gewählter Parlamente eingeräumt werden – zum Nachteil von Verbrauchern, Arbeitnehmern und Umwelt.

Wenige Jahre ist es her, da gingen 2016 Hundertausende Bürgerinnen und Bürger gegen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen wie TTIP und CETA auf die Straße. Neben uns Linken an vorderster Front mit dabei: Die Grünen. CETA sei ein schlechtes Abkommen, hieß es da etwa vom grünen Urgestein Jürgen Trittin. Der heutige Wirtschaftsminister Robert Habeck monierte scharf, dass CETA demokratische Errungenschaften zu Handelshemmnissen degradiere und der CETA-Vertrag nicht zustimmungsfähig sei. Im Programm zur letzten Bundestagswahl lehnten die Grünen CETA ab. Noch im März diesen Jahres kritisierte der grüne Wirtschaftspolitiker Maik Außendorf in einer Bundestagsrede die vorgesehenen Schiedsgerichte und Sonderrechte für Konzerne als nachteilig für Staaten und Verbraucher.

Grüne für CETA

Anfang Dezember ist dann das ursprünglich kaum vorstellbare eingetreten: Mit Ausnahme von drei standhaften Abgeordneten stimmen die Grünen im Bundestag in der großen Mehrheit für CETA. Gibt jetzt wie zu erwarten auch der Bundesrat sein Go, dann haben die Grünen maßgeblich zur Ratifizierung beigetragen.

Wie konnte das passieren? Kaum in der Regierung, verabschieden sich die Grünen still und heimlich von einer Grundsatzposition nach der anderen. Bei CETA sind sie umgekippt wie eine Topfpflanze im Wind, vermutlich um den Frieden mit den freihandels-vernarrten Koalitionären aufrechtzuerhalten. Als durchschaubarer Versuch, gesichtswahrend aus der Angelegenheit herauszukommen, hat sich die Partei eine Beruhigungspille für die eigene Wählerbasis überlegt: Die Ampel verständigt sich auf eine sogenannte Interpretationserklärung. Ohne, dass der Vertragstext angetastet wird, soll diese eine verbindliche Auslegung des CETA-Texts erzwingen und in erster Linie das Investitionsschutzkapitel entschärfen, auf den sich die Kritik gegenwärtig fokussiert. Doch das ist mehr als blauäugig. Von juristischer Seite gibt es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der angestrebten Interpretationserklärung. Gleich mehrere Rechtsgutachten kommen zu dem Schluss, dass sich der Investitionsschutz auf diese Art nicht bedeutend einschränken lässt. Auch in der im Oktober von der Linksfraktion im Bundestag aufgesetzten Experten-Anhörung wurden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Interpretationserklärung laut – selbst von Sachverständigen, die auf dem Ticket der Union in der Anhörung saßen.

Es bleibt dabei, ob mit oder ohne Interpretationserklärung: Mit CETA tritt der umstrittene Investitionsschutz in Kraft, der es Konzernen fortan erlaubt, Staaten vor einer nichtstaatlichen Paralleljustiz zu verklagen. Parlamente könnten schlicht und einfach ihrer Aufgabe nachgehen, im Sinne des Allgemeinwohls Gesetze verabschieden – und im Nachgang eben dafür auf den Deckel kriegen. Milliardenschwere Investorenklagen gegen Umwelt- oder Klimaschutzmaßnahmen sind denkbar und unter ähnlichen Konzernschutzabkommen vielfach vorgekommen. Besonders dramatisch in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise: Durch CETA könnte die Energiewende behindert werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Rechtfertigen die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Zugewinne die Inkaufnahme dieser gravierenden Risiken? Ich habe kurzerhand mit einer parlamentarischen Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt: Es stellt sich heraus, dass die Bundesregierung nicht einmal grob abschätzen kann, in welcher Größenordnung sich die vielbeschworenen Zugewinne bei Bruttoinlandsprodukt oder Beschäftigung bewegen könnten. Und das ist auch logisch: So sind beispielsweise die Zollerleichterungen, die den Handel ankurbeln sollen, bereits seit 2017 in Kraft. Während sich die Risiken also deutlich abzeichnen, hat selbst die Bundesregierung keine stichhaltigen Argumente die für CETA sprechen in der Hand.

Für Parteien, die sich progressive Motive auf die Fahnen schreiben, sollte klar sein: Abkommen wie CETA dürfen nicht ratifiziert werden. Statt Sonderrechten für Investoren braucht es eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte sowie des Verbraucher- und Umweltschutzes. Kritische Aspekte von CETA lassen sich ohne Neuverhandlung nicht entschärfen. Die Interpretationserklärung ist nichts als ein Feigenblatt.

Auch wenn der Bundesrat CETA zustimmt – einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es: Neben Deutschland müssen noch weitere EU-Länder CETA abnicken. Und es zeichnen sich Hürden ab: So hat beispielsweise der Oberste Gerichtshof von Irland erst vor wenigen Tagen geurteilt, dass die vorgesehenen Schiedsgerichte nicht im Einklang mit der irischen Verfassung stehen. Und auch die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts haben im März Zweifel geäußert, ob die geplanten Schiedsgerichte mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Eine Verfassungsklage wäre allerdings erst möglich, wenn CETA in Gänze angewendet wird. Die Messe ist also trotz grünem Totalversagen noch nicht gelesen.

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