Bild von Tumisu auf Pixabay

Impfen ist keine Privatsache mehr

Deutschland bereitet sich auf die fünfte Corona-Welle vor. In Großbritannien und den USA ist die Omikron-Variante innerhalb kürzester Zeit zur vorherrschenden geworden, sie umgeht den Schutz, den zweifach Geimpfte und Genesene vor Ansteckung mit der Delta-Variante noch haben und hat das Potenzial, das öffentliche und wirtschaftliche Leben in kürzester Zeit lahmzulegen, weil sie viel, viel ansteckender ist als alle vorherigen Virusvarianten.

Hier rächt sich, dass die Regierungen der reichen Industrieländer Impfstoffe bevorzugt für die eigene Bevölkerung gesichert und den globalen Süden im Kampf gegen die Pandemie im Stich gelassen haben. Die Aufhebung der Patente für Arzneimittel, Medizinprodukte und Impfstoffe wäre ein Gamechanger gewesen und könnte es immer noch sein – aber vor allem die EU-Staaten stehen hier in der Welthandelsorganisation auf der Bremse.

Die Bewältigung der Krise erfordert eine Kultur der Solidarität – international wie auch innerhalb unserer Gesellschaft. Eine Chance für mehr Solidarität bietet die Zulassung des ersten proteinbasierten Impfstoffes in der EU. Dieser könnte für diejenigen, die sich von der Propaganda der „Querdenker“ gegen die bisher zugelassenen Vakzine haben verunsichern lassen, einen gesichtswahrenden Weg zur Impfung bahnen.

Impfung – Nicht nur Selbstschutz

Auch, wenn das häufig behauptet wird, handelt es sich bei der Impfung nach wie vor nicht nur um einen Selbstschutz. Ungeimpfte erkranken nicht nur signifikant häufiger, sondern im Durchschnitt auch deutlich schwerer als Geimpfte an COVID 19. Selbst wenn der Impfschutz durch die Omikron-Variante beeinträchtigt ist, ist der Nutzen bei der Verhinderung schwerer und schwerster Verläufe immer noch vorhanden. Es geht nicht darum, jede einzelne Infektion zu verhindern, sondern darum, schweres Leid zu verringern und damit auch die Beschäftigten in den Kliniken zu entlasten.

Was kaum jemand weiß, obwohl es dazu inzwischen viele gute TV-Dokumentationen gibt, ist nämlich der Ablauf auf einer Intensivstation, wenn eine invasive Beatmung (ECMO) von COVID-Patientinnen und -Patienten nötig wird. Die Versorgung einer erkrankten Person an der ECMO gleicht der Steuerung eines Atomkraftwerks. Rund um die Uhr müssen Anästhesistinnen, Anästhesisten, Intensivmedizinerinnen, Intensivmedizinern und besonders ausgebildete Intensivpflegekräfte die Kranken beobachten und ggf. nachsteuern: mit Betäubungs- und Schmerzmitteln, Blutverdünnern, Kreislaufmedikamenten, Antibiotika, Kortison, künstlicher Nahrung und Flüssigkeitszufuhr wird versucht, die Patienten stabil zu halten. Immer wieder muss Schleim aus den Atemwegen abgesaugt werden. Regelmäßig muss der Körper gewendet werden, damit die Lunge nicht verklebt und sich keine Druckgeschwüre bilden. Dafür sind wegen der Vielzahl an Kanülen, Drähten und Schläuchen regelmäßig mindestens vier bis fünf Personen notwendig. Diese Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte müssen dabei den ganzen Tag in Schutzkleidung und mit FFP2-Maske arbeiten. Mal eben einen Schluck trinken oder zur Toilette gehen heißt komplett aus- und wieder neu einkleiden. Das bedeutet: ein Corona-Patient an der ECMO bindet erheblich mehr Arbeitskräfte als ein durchschnittlicher Intensivpatient, etwa nach einer Operation. Die Arbeit ist für die Beschäftigten in den Kliniken auch wesentlich anstrengender, sowohl körperlich als auch psychisch. Sie haben selbst ein hohes Infektionsrisiko und sie wissen, dass jeder zweite Patient diese Station nicht lebend verlassen wird. Auch diejenigen, die überleben, brauchen noch eine lange Zeit, bis sie wieder selbstständig sind und sich wirklich gesund fühlen, manche behalten lebenslang schwere Beeinträchtigungen zurück. Invasive Beatmung rettet zwar vielen das nackte Leben, ist aber eine große Belastung für den gesamten Organismus und das hat oft gravierende Folgen.

Dieser psychischen und physischen Belastung setzen wir als Gesellschaft die Gesundheitsfachkräfte in den Kliniken nun seit fast zwei Jahren aus, obwohl wir mit den sehr sicheren Impfstoffen eine Möglichkeit hätten sie deutlich zu reduzieren. Viele Pflegekräfte, Klinikärzte und Klinikärztinnen sind inzwischen nicht mehr nur am Limit, sondern darüber hinaus. Zu beklagen, dass wir in unserem durchökonomisierten Gesundheitswesen schon vorher zu wenig Personal hatten, ist und bleibt zwar richtig, bietet aber in der akuten Situation keine Lösung.

Gesellschaftliche Entscheidung

Als Gesellschaft müssen wir eine Entscheidung treffen. Was wiegt schwerer: Die Freiheitseinschränkungen für alle durch immer wieder notwendige Lockdowns und Kontaktbeschränkungen sowie das Leid auf den Intensivstationen oder die Freiheit einer Minderheit, sich gegen eine Impfung mit einem zugelassenen, milliardenfach erprobten und sehr sicheren Impfstoff zu entscheiden? Impfen ist jetzt keine Privatsache mehr, sondern ein zentrales Instrument zur Sicherung unserer aller Freiheit und Sicherheit.

Ich bin immer der Auffassung gewesen, dass der Grundrechtseingriff einer Impfpflicht genau abgewogen und gut begründet werden muss. Aus diesem Grund habe ich mich auch 2019 gegen die Einführung einer Masernimpfpflicht positioniert: Aus meiner Sicht hätte es genug andere Möglichkeiten gegeben, die gewünschte hohe Durchimpfungsrate bei der Masernimpfung zu erreichen. Bei COVID 19 haben wir diese Möglichkeiten offenbar nicht. Es gibt massive Unterschiede zwischen den Impfquoten in einzelnen Bundesländern, die nicht allein auf das Engagement der jeweiligen Landesregierung und der örtlichen Gesundheitsämter zurückzuführen sind, sondern auch auf die Empfänglichkeit der dortigen Bürgerinnen und Bürger für die Kampagnen der Impfgegnerinnen und Impfgegner .

Diese Kampagnen gefährden Menschenleben, verschärfen die Belastung des Gesundheitswesens und bedrohen die Funktionsfähigkeit wichtiger Infrastrukturen. Wenn die komplette Mannschaft des Klärwerks in Quarantäne muss, haben wir die Kacke am Dampfen. Das gilt es zu verhindern.

Jede Person, die geimpft ist, verringert nicht nur das Risiko, die Infektion weiterzuverbreiten und selbst auf der Intensivstation zu landen, sondern eben auch, dort Personal zu binden, das nicht mehr für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Krebserkrankungen zur Verfügung steht. Deswegen wäre eine allgemeine Impfpflicht vollständig gerechtfertigt. Voraussetzungen dafür aber wären, dass es einerseits genügend Impfstoff und andererseits ein Verfahren gibt, die Impfung fälschungssicher zu dokumentieren. Und die Information und Aufklärung über die Impfungen müssen intensiviert und verbessert werden. Ich verstehe nicht, warum hier nicht auf die erfahrenen Aktivistinnen und Aktivisten der AIDS-Hilfen und ihre Werbeagenturen zurückgegriffen wird, die seit Jahrzehnten niedrigschwellige, zielgruppengerechte Präventionsarbeit betreiben. Diese Voraussetzungen müssen Bundestag und Bundesregierung baldmöglichst schaffen, so dass eine allgemeine Impfpflicht spätestens im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten kann. Zugleich muss die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten gegen COVID 19 verstärkt werden, denn auch damit können ECMO-Einsätze verhindert werden. Und im Übrigen bleibe ich bei der Auffassung, dass die Patente auf Medikamente, Impfstoffe und Medizinprodukte für die Pandemie aufgehoben werden müssen.

Dir gefällt der Artikel? Dann unterstütze doch unsere Arbeit, indem Du unseren unabhängigen Journalismus mit einer kleinen Spende per Überweisung oder Paypal stärkst. Oder indem Du Freunden, Familie, Feinden von diesem Artikel erzählst und der Freiheitsliebe auf Facebook oder Twitter folgst.

Unterstütze die Freiheitsliebe

Zahlungsmethode auswählen
Persönliche Informationen

Spendensumme: 3,00€

Teilen:

Facebook
Twitter
Pinterest
LinkedIn
Freiheitsliebe Newsletter

Artikel und News direkt ins Postfach

Kein Spam, aktuell und informativ. Hinterlasse uns deine E-Mail, um regelmäßig Post von Freiheitsliebe zu erhalten.

Neuste Artikel

Abstimmung

Sollte Deutschland die Waffenlieferungen an Israel stoppen?

Ergebnis

Wird geladen ... Wird geladen ...

Dossiers

Weiterelesen

Ähnliche Artikel

Die Pandemie nimmt einen neuen Anlauf

Vierte Welle und neue Virusvariante: Was ist zu tun? Die vierte Welle der Pandemie ist außer Kontrolle. Gleichzeitig trifft ein, wovor Wissenschaftler:innen seit Monaten gewarnt