Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinteressen interessieren nicht – TTIP Teil 4

Bild des Berliner Wassertischs
Bild des Berliner Wassertischs

Der erste Bezugspunkt zum Freihandelsabkommen ist für viele Menschen das sogenannten Chlor-Hühnchen, welches zum Symbol geworden ist für die Absenkungen der drohenden Standards im Lebensmittelbereich. Die Gefahren, die von TTIP und CETA ausgehen, betreffen allerdings deutlich mehr Bereiche als das Chlor-Hühnchen. Besonders die großen amerikanischen Lebensmittelkonzerne haben ein Interesse die geltende Rechtslage in diesem Bereich zu verändern.

Ursache der Fokussierung auf die Lebensmittelsicherheit durch die US-Industrie liegt vor allem in den deutlich niedrigeren Vorgaben, die auf dem US-Markt herrschen. Die Großindustrie bemüht sich schon seit langer Zeit um die Beseitigung der EU-Kontrollen, die verhindern, das etliche Produkte die in den USA zugelassen sind, auf den europäischen Mark gelangen. Unterstützt wir die Industrie bei diesem Vorhaben auch von der US-Regierung, die sich dadurch eine Stärkung der amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit. Ein Dorn im Auge der Lebensmittelindustrie sind vor allem die Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit, die von vielen BürgerInneniniativen verteidigt werden.

Kampf gegen das Vorsorgeprinzip

Die wichtigste Änderung im Bereich der Lebensmittelsicherheit wäre für die US-Lebensmittelindustrie die Aufgabe des sogenannten „Vorsorgeprinzip“ durch die EU. Diesem Prinzip zufolge, kann ein Produkt auch dann vom Markt genommen
werden, wenn ein Risiko für die menschliche Gesundheit besteht, auch wenn die Daten dies noch nicht ausreichend unter Beweis stellen. Europäische Lebensmittelkonzerne müssen nachweisen, dass die eigenen Produkte ungefährlich sind, in den USA gilt das gegenteilige Prinzip. Die öffentlichen Behörden müssen nachweisen, dass die Produkte schädlich sind, damit diese vom Markt genommen werden, dadurch werden so gut wie alle Produkte zugelassen. Da die Überprüfung aller neuen Produkte für die Staaten viel zu teuer sind und die Produkte meist schon zugelassen wurden, ist das Risiko deutlich höher, das gefährliche Produkte auf den Markt kommen. Die Befürchtung, dass es sich um einen Generalangriff auf das Vorsorgeprinzip handelt, äußerte auch der Journalist Glyn Moody gegenüber dem Magazin „Carta„: Erst kürzlich haben ein paar große US-Unternehmen an die Europäische Kommission geschrieben und darauf hingewiesen, dass das Vorsorgeprinzip negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Ich halte das für einen konzertierten Angriff. Insbesondere US-Unternehmen wollen das Vorsorgeprinzip in Europa zu Fall bringen.

Folgen durch die Zulassung

John Hilary hat in seinem Bericht weitere Folgen durch die Zulassung aufgezeigt:

Rund 70 Prozent der industriell verarbeiteten Lebensmittel, die in US-Supermärkten zum Verkauf stehen, enthalten mittlerweile genetisch veränderte Inhaltsstoffe. Im Gegensatz hierzu verkaufen europäische Supermärkte infolge des starken Widerstands der Öffentlichkeit so gut wie keine gentechnisch veränderten Lebensmittel. Nahrungsmittel, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, müssen eindeutig gekennzeichnet sein. US-amerikanische Biotechnologieunternehmen
möchten TTIP nutzen, um gegen die EU-Verordnungen zum Angriff zu blasen, während die US-Regierung gegen die Kennzeichnungspflicht in der EU vorgehen will. Die europäische Biotechnologiebranche arbeitet eng mit ihren US-amerikanischen KollegInnen zusammen, um durch TTIP die Verbreitung von GVO nach Europa auszuweiten.

US-Lebensmittelhersteller haben das EU-Kontrollsystem zum Einsatz von Pestiziden zu den wichtigsten Standards erklärt, die es unter TTIP zu entschärfen gilt.28 Das Vorsorgeprinzip wurde mit den Verordnungen von 2009 zentral im EU-Kontrollsystem zum Einsatz von Pestiziden verankert, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Doch eben diese Verordnungen haben, nach Aussagen der führenden UnterhändlerInnen, bereits Eingang in die TTIP-Verhandlungen gefunden, mit der Absicht, sie noch unter die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu drücken und die Unternehmen  nur so wenig wie nötig zu belasten.

Die geltenden Maximalwerte der EU-Kontrollen für endokrin wirksame Chemikalien (die das menschliche Hormonsystem beeinflussen) würden bislang 40 Prozent aller US-Lebensmittelexporte nach Europa verhindern. US-Branchenverbände bemühen sich um eine Abschaffung dieser Kontrollen unter TTIP.

– Über 90 Prozent der Rindfleischproduktion in den USA erfolgt unter Einsatz von Rinderwachstumshormonen, die im Verdacht stehen, Krebserkrankungen beim Menschen zu verursachen. Entsprechende EU-Importbeschränkungen bestehen seit 1988. Die US-Regierung ist bereits auf WTO-Ebene gegen diese Beschränkungen vorgegangen. US-Branchenverbände fordern nun die Abschaffung dieser „unnötigen“ Handelshemmnisse im Rahmen von TTIP.

– US-Geflügelproduzenten behandeln Hühner- und Truthahnfleisch vor dem Verkauf an die Konsumenten mit Chlor – eine Praktik, die in  der EU seit 1997 verboten ist. Auch in diesem Fall hat die Regierung der USA das Verbot vor der WTO angefochten und die US-Unternehmen fordern nun seine Abschaffung im Zuge der TTIP-Verhandlungen. Die EU-Kommission hat sich in der Vergangenheit um eine Aufhebung des Verbots bemüht, scheiterte jedoch am Widerstand von Veterinärsachverständigen und EU-Abgeordneten.

Aufgrund des Widerstands gegen diese massiven Absenkungen haben sich inzwischen sogar Lebensmittelketten aus Europa gegen TTIP ausgesprochen. So warnt mit der REWE-Group auch eine der größten Lebensmittelkette Deutschlands vor intransparenten Verhandlungen und der Aushöhlung von Qualitätsstandards. In einem Brief an die Deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments schreibt Caparros, dass die Rewe Group „Die Debatte über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen und die darin geäußerte Sorge vor einer Kehrtwende in der Verbraucherschutzpolitik zugunsten US-amerikanischer Importprodukte […] mit großer Sorge beobachten.“

en ersten Teil zum Freihandelsabkommen und den ProfiteuerInnen gibt es hier, der zweite beschäftigt sich mit der Lüge von zusätzlichen Arbeitsplätzen und kann hier nachgelesen werden. Auch mit der mangelenden Transparenz des Abkommens haben wir uns auseinandergesetzt.

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