Gestern wurden wir Zeugen der Amtseinführung von Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA. Vier Jahre Trump-Herrschaft sind damit Geschichte. Doch eines ist klar: Joe Biden hat von Tag 1 an härteste Opposition zu erwarten. Kein Verschnaufen.
Wer hätte gedacht, dass die Amtsübergabe von Trump zu Biden am Ende doch relativ gemäßigt vonstattengehen wird? Seit Jahren warnte die US-Linke vor bewaffneten Aufständen, ja vor einem Bürgerkrieg, sollte Trump die Wahl verlieren. Der narcissist-in-chief würde im Leben sein Büro nicht räumen. Ich selbst teilte diese Befürchtung, die seit gut einem halben Jahr auch in die deutsche Diskussion Einzug fand. Die Nazi-Riots vor dem Capitol am 6. Januar waren gewissermaßen die Light-Variante und Ängste kamen auf, dass sie doch nur die Vorhut für den 20. Januar sein sollten.
Doch der große Aufstand, der Coupversuch von rechtsaußen blieb glücklicherweise aus. Vier Jahre Trump-Präsidentschaft sind damit Geschichte. Eine Präsidentschaft, die dominiert war von gesellschaftlicher Spaltung, Rassismus, Klientelismus, Säbelrasseln, Kriegsverbrechen, Umweltzerstörung, Ignoranz, Lügen, Verschwörungswahn, Krieg gegen Medien und Wissenschaft, Geschenke an Ultrareiche, Kampf gegen Tiere, Ultranationalismus, Abschottung, Handelskriegen, Aufrüstung, Abfackeln internationaler Verträge und Institutionen und dem permanenten Dröhnen des Trumpschen Propagandaapparats.
Donald Trump ist auf unseren Seiten hier größter journalistischer Widerstand entgegengeschlagen. Mit allem, was wir hatten, schrieben wir gegen den Tyrannen an. Auch unsere Kolleg*innen in den westlichen Mainstreammedien entdeckten ihren Kampfgeist und die Bedeutung von aggressivem Journalismus gegen die Mächtigen wieder. Zwar drehte es sich dort meist um Performance und die abstoßende Person Trump, seine clicksbringenden Eskapaden und sein unfassbar asoziales Wesen, doch war es interessant zu beobachten, dass die Fähigkeit, mächtige Personen medial anzugreifen, auch im westlichen Mainstream noch nicht vollständig ausgestorben ist.
Doch all das ist schnell vergessen. Die liberale Medienwelt und Intelligenzia im Westen, die SPIEGELs, CNNs und Guardians dieser Welt, sind entzückt über den neuen Präsidenten. Ein Aufatmen schießt durch die Newsrooms dieser Welt, durch die liberalen Social-Media-Bubbles und die Regierungsetagen der „liberalen Demokratien“.
„Nach vier langen Jahren wird Europa wieder einen Freund im Weißen Haus haben“, zeigt sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) erleichtert. „Dieser Tag bringt die USA zurück“.
„Zurück“ ist das perfekte Stichwort – denn genau das ist die Essenz des Joe Biden. Zurück zur Prä-Trump-Ära. Zurück zur Obama-Präsidentschaft, inhaltlich genau wie personell. Die letzten vier Jahre als gruseligen Alptraum abhaken und schnellstmöglich vergessen. Zurück zur Maske, die sich das US Empire aufsetzt, um sein Großmachtgehabe, seinen Expansionismus, seinen Ressourcenklau, seine Omnidominanz, seine feindseligen Interventionen in sämtliche Prozesse dieser Welt und seine illegalen Angriffskriege in die wohlige Propagandalüge von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zu hüllen. Und der liberale Wertewesten springt auf diesen rückwärtsfahrenden Zug auf. Regress ist der neue Progress.
Mittels 17 Executive Orders kehrte Biden bereits einige der großen Schweinereien seines Vorgängers um: Ende des Muslim Ban, Zurück zum Pariser Klimaabkommen, Zurück in die WHO, Baustopp für Trumps „Mauer“ nach Mexiko und die umweltzerstörende Keystone XL Pipeline. Das sind gute Schritte, die jedoch selbstverständlich sein und nicht in den Himmel gelobt werden sollten. Wir dürfen uns nicht unsere Wahrnehmung und unseren kritischen Geist rauben lassen und dürfen nicht vergessen, dass Trump die Messlatte nie abgesenkt, sondern versenkt hat. Dass Biden „besser“ als Trump sein mag, bedeutet rein gar nichts. Unsere Werte sind der Maßstab, nicht ein alter verbitterter rechtsextremer Clown.
Nein, wir werden uns auf der Die Freiheitsliebe dieser Schmierenkomödie der Biden-Euphorie nicht anschließen. Wir werden auch gegen ihn genau wie gegen die nächste US-Präsidentin oder den nächsten US-Präsidenten ankämpfen. Im Kampf gegen Rassismus, Umweltzerstörung, Ausbeutung, obszöne Ungleichheit und für Frieden und ein Leben in Würde für alle Menschen auf dem Globus ist Biden nicht unser Verbündeter, sondern unser Gegner.
Wir werden genau das sein, was von Anfang an unser Anspruch war: dein Portal für kritischen Journalismus. Wir werden Bidens Worte und Taten sezieren, hinter seine Propaganda blicken und ihn einzig an seinen Handlungen messen. Wir werden allen voran seine Kriegspolitik, seinen Imperialismus, aufs Schärfste verurteilen.
Von uns kann President Biden nur eines erwarten: bedingungslose Opposition ab Tag 1.
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