Hambacher Forst, Foto: Sarah Riemel

Grüner Deal mit RWE zerstört Hoffnung auf 1,5 Grad-Ziel

In Deutschland gab es in diesem Sommer eine historische Dürre, in Pakistan stand im August nach heftigen Unwettern ein Drittel des Landes unter Wasser und am Horn von Afrika kämpfen aufgrund von Missernten Millionen Menschen gegen den Hunger.

All dies sind Auswirkungen des Klimawandels, die sich bereits bei einer derzeitigen Erderwärmung von rund 1,2 Grad zeigen. Diese Ereignisse verdeutlichen, wie wichtig es ist die Einhaltung des 1,5 Grad Limits. Wollen wir den Klimawandel auf ein händelbares Maß begrenzen, führt an der Einhaltung der Pariser Klimaziele kein Weg vorbei.

Vom Anspruch, diese Klimaziele einzuhalten, hat sich Deutschland an einem Dienstagvormittag im Oktober 2022 allerdings endgültig verabschiedet. An diesem Tag verkündete Wirtschafsminister Robert Habeck (Die Grünen) im Beisein der Wirtschaftsministerin Nordrhein-Westfalens Mona Neubauer (ebenfalls Die Grünen) und dem Chef des Energiekonzerns RWE Markus Krebber, dass kurzfristig mehr Braunkohle verfeuert und das Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier abgebaggert werden soll. Zudem wurde sich über den massiven Zubau fossiler Gasinfrastruktur verständigt. Im Gegenzug soll der Ausstieg aus der Braunkohle in Nordrhein-Westfalen bereits bis 2030 erfolgen. Im Fokus der Öffentlichkeit steht, dass Lützerath abgebaggert werden soll. Dabei ging es bei der Pressekonferenz von Habeck und Co. um viel mehr: die Aufgabe der Pariser Klimaziele und einen neuen Modus konzernfreundlicher grüner Energiepolitik. Robert Habeck sprach auf der Pressekonferenz von einem „guten Tag für den Klimaschutz“. Doch vielmehr das Gegenteil ist der Fall: die Vereinbarung mit RWE ist ein Kuhhandel, der den bisher traurigen Höhepunkt einer desolaten Klimapolitik der Ampelregierung darstellt.

1,5 Grad und Lützerath

Die Dimension dieser Entscheidung mag auf den ersten Blick nicht einleuchten. Jedoch darf Deutschland, wenn die Pariser Klimaziele eingehalten werden sollen, nur noch eine bestimmte Menge klimaschädlicher Emissionen ausstoßen. Wissenschaftliche Studien haben längst belegt, dass für die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze das Dorf Lützerath nicht abgebaggert werden darf. Damit ist im Umkehrschluss klar: wer der Abbaggerung von Lützerath zustimmt, verabschiedet sich von den Pariser Klimazielen.

Doch nicht nur das. Die Grünen verbreiteten in ihren trefflich abgestimmten Statements nach der Pressekonferenz den Eindruck, dass in NRW nun acht Jahre früher aus der Kohle ausgestiegen wird. Dieser Fakt führt jedoch gleich doppelt in die Irre: denn zum einen werden bereits bis 2029 ein Großteil der Braunkohlekraftwerke in NRW vom Netz gehen. Von den aktuell 16 Kraftwerksblöcken sollten sowieso nur drei bis ins Jahr 2038 laufen. Bei diesen drei Blöcken wird der Ausstieg nun nach vorn gezogen. Das allerdings als bahnbrechenden Erfolg zu verkaufen, verkennt die Tatsachen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: 13 der aktuell 16 Kraftwerksblöcke laufen genauso lange wie bisher geplant oder sogar länger, da der Deal mit RWE umfasst, zwei Kraftwerksblöcke, die eigentlich Ende des Jahres vom Netz gehen sollten, nun bis ins Jahr 2024 weiterlaufen zu lassen. Oder wie Robert Habeck sagt: „ein guter Tag für den Klimaschutz“. Zudem mag zwar die Verlautbarung der Grünen, den Kohleausstieg in NRW auf 2030 vorgezogen zu haben nett klingen, sie entspricht jedoch nicht den Tatsachen: denn die zahlreichen Steinkohlekraftwerke sind von dem Abkommen mit RWE nicht betroffen. Sie laufen planmäßig weiter – die letzten bis ins Jahr 2038. (alle Daten hier: https://energiewinde.orsted.de/energiepolitik/kohlekraftwerke-karte-ausstieg-datum)

RWE verdient sich eine goldene Nase

Doch auch der kleine Erfolg der früheren Abschaltung dreier Kraftwerksblöcke hat sich RWE vergolden lassen. Nämlich durch die Zusage des Wirtschaftsministeriums für die Ausschreibung neuer fossiler Gasinfrastruktur. Insgesamt soll es Ausschreibungen für drei Gigawatt neuer Gaskraftwerke geben. Im Gegenzug steht die Ankündigung von RWE, bis 2030 ein Gigawatt erneuerbare Energien zu realisieren. Auch diese Zahl muss man sich auf der Zunge vergehen lassen: der Zubau von einem Gigawatt erneuerbarer Energie wird sich mit dem Zubau von drei Gigawatt fossiler Energie erkauft. Dabei sollte uns doch eigentlich dieser Herbst lehren, dass wir uns von den fossilen Energieträgern unabhängig machen müssen. Und auch hier belegen Studien längst, dass die Gasinfrastruktur völlig vorbei an den geplanten Bedarfen gebaut wird. Es entsteht unter Billigung der Grünen ein neues fossiles Lockin, das wir uns klimapolitisch schlichtweg nicht leisten können.

Schlussendlich sind nicht nur die Ergebnisse des Deals zwischen Habeck, Neubauer und RWE verheerend, sondern auch der Modus der Politik. Anstatt verbindliche ordnungsrechtliche Vorgaben zu machen, sitzt RWE mit am Verhandlungstisch und darf der Politik seinen bestmöglichen Weg zu weiteren Milliardenprofiten diktieren. Wieso wird über den im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigten Zeitpunkt des Kohleausstiegs „möglichst bis“ 2030 nicht auf demokratischem Wege im Parlament gerungen? Das wäre nötig gewesen. Und anstatt gemeinsam mit Umweltverbänden, Betroffenen in den Regionen und Arbeitnehmer*innenvertretung zu verhandeln, entscheidet sich Habeck für einen Hinterzimmerdeal mit RWE ohne demokratische Legitimation. Er macht sich damit zum Büttel des fossilen Kapitals und erweist der Demokratie einen Bärendienst. Moderne grüne Energiepolitik verhandelt lieber hinter verschlossenen Türen mit fossilen Konzernen, als an der Seite der Klimabewegung für Gerechtigkeit zu kämpfen.

Alle, die sich von den Grünen zumindest einen Funken bessere Klimapolitik erhofft haben, sind spätestens jetzt ernüchtert: es ist völlig egal wer regiert, bürgerliche Politik wird im Interesse des fossilen Kapitals gemacht und nicht für Mensch und Klima. Als Klimabewegung ist es nun unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Entscheidung der Ampel, Lützerath abbaggern zu wollen zu einem Desaster wird. Stellen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten dieser Politik der Klimaungerechtigkeit in den Weg und erkämpfen den Erhalt des Dorfes. Gemeinsam schaffen wir einen Moment des Hambi 2.0. Lützi bleibt!

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