Industrie 4.0 – Zwischen Maschinen, Revolution und Krisen?

Industrie 4.0 ist ein gängiger Begriff in politischen und soziologischen Debatten. Gemeint ist eine Veränderung der Wirtschaft, die das Leben erleichtern soll, da die Industrie digitalisiert und Prozesse vernetzt werden, so zumindest das gängige Argument von Unternehmen und Regierung. Doch was bedeutet Industrie 4.0 und wie wirkt es sich auf Arbeit und Gesellschaft aus? Rene Arnsburg ist der Frage in seinem neuen Buch „Maschinen ohne Menschen?“ nachgegangen.

Arnsburg beschreibt in dem Buch ausführlich, wie der Begriff sich in soweit etablieren konnte, dass die Regierung und die Wirtschaft einen Begriff setzen konnten, der auf eine revolutionäre Veränderung der Arbeitswelt deutet, mit dieser aber in der Realität wenig gemein hat. Stattdessen, so wird es in dem Buch aufgezeigt, ist es ein Versuch, die Arbeitswelt und Produktion umzugestalten und in Teilen zu refomieren. Er beschreibt die wirtschaftlich notwendigen Voraussetzungen, welche für Industrie 4.0 gegeben sein müssen sowie den Abschwung der Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren. Vor allem aber entkräftet er die Behauptung jener Menschen, die der Meinung seien, dass wir durch die wirtschaftliche Veränderung quasi eine Art Cyberkommunismus bekommen: „Wie eingangs erwähnt, geht es bei Industrie 4.0 nicht um technischen Fortschritt an sich und die güldene Zukunft, an die wir glauben sollen, sondern um wirtschaftliche Interessen.“ Deutlich wird dies an den Folgen, die durch Industrie 4.0 für die Beschäftigten entstehen könnten. So hält Arnsburg Studien, die besagen, dass bis zu 59 Prozent aller Stellen in Deutschland gefährdet sind, für übertrieben, beschreibt jedoch mit Blick auf die Geschichte, wie auch auf die aktuelle Entwicklung, wo Stellen gefährdet sein könnten. Dabei gelingt ihm ein kurzer Exkurs zu Marx, der eine ähnliche Entwicklung schon in den 50er und 60er Jahren den 19. Jahrhunderts beschrieben hatte.

Zwischen ideologischen Angriffen und Gegenwehr

Während sich die erste Hälfte des Buchs überwiegend mit Voraussetzungen, der wirtschaftlichen Situation und den Notwendigkeiten für Industrie 4.0 auseinandersetzt, wird der zweite Teil zu einer Analyse der Debatten um Industrie 4.0 und Digitalisierung. Er beschreibt, wie die Reichsten davon träumen, in einer Gesellschaft zu leben, in der der Markt alles regelt und der Staat auf eine Schutzfunktion (für die Unternehmen) zurückgedrängt wird. Diese Utopien werden von ihren Anhängern als die Vervollständigung des Glücks gesehen, doch haben wenig mit der Lebensrealität der Menschen zu tun und mit den Sorgen und Nöten derjenigen, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Entsprechend dieser Ansätze sollte man meinen, dass die Gewerkschaften eine führende Rolle beim Kampf um eine Andersgestaltung der Digitalisierung einnehmen, doch diese Hoffnung wird enttäuscht, denn statt wirklicher Konzepte übernehmen diese in Teilen Begriffe der Industrie und laden deren Vertreter ein, um über Industrie 4.0 zu referieren. Eine Antwort auf diese Entwicklung und die Drohungen der Arbeitgeber von Stellenentlassung sieht Arnsburg in der Aneignung der Macht durch die Beschäftigten. „Zwar gibt es in Deutschland wenig Beispiele dafür und keines war auf Dauer erfolgreich, aber die Besetzung der Produktionsstätten und die Verhinderung der Demontage ist die unmittelbare Antwort.“  Die schönste Zusammenfassung der gesellschaftlichen Utopie und der Möglichkeiten der Digitalisierung kommt von Stephen Hawking: „Wenn Maschinen alles produzieren, was wir brauchen, wird das Ergebnis abhängig davon sein, wie Dinge verteilt sind. Alle können sich eines Lebens in luxuriösem Müßiggang erfreuen, wenn der maschinenproduzierte Reichtum geteilt wird, oder die meisten Menschen können in elendiger Armut enden, wenn die Maschinenbesitzer gegen die Reichtumsumverteilung mobilisieren. Bislang scheint der Trend der zweiten Option entgegen zu gehen, wo die Technologie immer wachsende Ungleichheit vorantreibt.“ Arnsburg Antwort ist weitergehend und setzt im Gegensatz zu Hawking an den realen Konflikten an, doch beschreiben sie beide die realen Gegensätze. Seine Antwort knüpft an die klassischen sozialistischen Konzepte der Revolution an und verbindet diese mit den Notwendigkeiten der heutigen Gesellschaft. Seine Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung und einer Vergesellschaft der Reproduktionsarbeit sind nicht neu, aber sie wären revolutionär.

Arnsburgs Buch ist eine wichtige Einführung in die Industrie 4.0 und die Fragen, die mit dieser einhergehen. Nicht alle Ansätze in dem Buch müssen geteilt werden, so sind sicher nicht alle gewerkschaftlichen Funktionäre in der Tarifpartnerschaft gefangen, doch für all jene, die einen Einblick in die Debatte aus linker Perspektive wollen, ist das Buch zu empfehlen.

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Eine Antwort

  1. Das hört sich um ehrlich zu sein sehr wenig überzeugend an. Ich werde das Buch selber lesen aber bisher scheint es so, als würde Arnsburg das Thema und die gebotenen Möglichkeiten nicht im Ansatz verstehen und sich an gewerkschaftlichen Themen festbeißen. Auch der Hinweis, dass man die Fabriken einfach besetzen soll ist Schwachsinn. Fordert Arnsburg etwa, dass Unternehmen unwirtschaftlich arbeiten sollen, indem sie mehr Menschen als nötig einstellt? Ist das seine Lösung für die vierte industrielle Revolution?
    Wird das verhindern, dass künstliche Intelligenz Millionen und Abermillionen von Arbeitskräften überflüssig macht? Sollen wir etwa alle in völlig sinnlosen Jobs vergammeln, die Maschinen erheblich besser erledigen können, oder was?
    Da ist Stephen Hawkings Ansatz einfach viel besser, luxoriöse Faulheit statt Bullshitjobs!

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