Debatte um islamischen Religionsunterricht

Die praktischen Folgen der Debatte um den Umgang mit Religion offenbaren sich immer wieder, unter anderem, wenn es darum geht, ob man der Einführung von Religionsunterricht zustimmen soll. Dabei lassen sich deutlich Unterschiede erkennen, während die hessische Linksfraktion zustimmte, enthielt sie sich in NRW.
Sollten Abgeordnete der Linksfraktion in Hessen der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts im Landtag zustimmen? In Hessen und anderen Bundesländern genießen die großen christlichen Religionsgemeinschaften und die jüdischen Gemeinden das Recht, Religionsunterricht zu erteilen. Trotzdem wird als zentrales Argument gegen den islamischen Religionsunterricht die Wahrung des säkularen Prinzips vorgebracht. Wenn wir die Trennung von Staat und Kirche ernst nehmen, so die Argumentation, dann müssen wir auch Religionsunterricht aus den Schulen heraushalten. Dieses Prinzip dürfe auch nicht im Namen der Gleichberechtigung bislang diskriminierter Religionsgemeinschaften aufgeweicht werden.

Die Gegner der Einführung islamischen Religionsunterrichts an den staatlichen Schulen der westlichen Bundesländer treten dafür ein, stattdessen Ethikunterricht nach dem Vorbild Berlins zu erteilen. Dazu bedarf es aber verfassungsändernder Mehrheiten, da der Religionsunterricht zum Beispiel in Hessen in der Verfassung (Artikel 57) festgeschrieben ist. Er ist außerdem im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 7) festgeschrieben. Muslimischer Religionsunterricht kann ohne verfassungsändernde Mehrheit eingeführt, aber der Religionsunterricht nicht ohne Verfassungsänderung abgeschafft werden. Eine solche verfassungsändernde politische Mehrheit ist bis auf Weiteres nicht in Sicht.

Da eine Abschaffung von Religionsunterricht als solchem also derzeit keine reale Option ist, verbleibt lediglich das Argument, dass wir mit einer Zustimmung zur Ausweitung des Religionsunterrichts gegen unser politisches Prinzip des Säkularismus verstoßen würden. Doch als Marxisten kritisieren wir auch die Einrichtung der Ehe und setzen uns dennoch für das Recht aller Menschen – ob homosexuell, heterosexuell oder dazwischen – ein, zu heiraten. Wir treten auch für Lohnerhöhungen ein, obwohl wir das Lohnsystem insgesamt abgeschafft sehen wollen. Die Verteidigung des Prinzips des Säkularismus unter Ausblendung aller konkreten Umstände führt uns in der öffentlichen Debatte in eine schiefe, unhaltbare Lage. Diese Debatte ist nämlich heute weitgehend geprägt durch rechte Kritiker wie den bereits zitierten hessischen CDU- Landtagsabgeordneten Irmer, der eine wahre Hetzkampagne gegen die Einführung des Islamunterrichts an Hessens Schulen veranstaltet und dabei in der CDU/CSU bei Weitem nicht alleinsteht. Unsere allgemeine Forderung nach Einführung eines gemeinsamen Ethikunterrichts für alle Schülerinnen und Schüler würde durch die Einführung von Islamunterricht nicht verwässert. Der Verzicht auf islamischen Religionsunterricht stärkt nicht die Befürworter eines konfessionsfreien Ethikunterrichts, sondern zementiert die christliche Dominanz. Deshalb müssen wir für die Gleichberechtigung aller Religionen an den staatlichen Schulen eintreten und sollten dies mit der Forderung nach einem Ethikunterricht verbinden. Es ist wichtig, dass die muslimischen Mitbürger die Unterstützung der Linken erfahren, zumal die aktuelle »Integrationsdebatte« dem politischen Establishment wieder einmal Gelegenheit geboten hat, rassistische Vorurteile über den Islam zu verbreiten.

Es ist bedenklich, dass Teile der Linken sich ausgerechnet dann um die Trennung von Staat und Kirche sorgen, wenn es um eine Reform geht, mit der Ungleichheit reduziert werden soll. Die Privilegien der christlichen Kirche – die quasi Staatsreligion in Deutschland ist – werden in der Auseinandersetzung nicht benannt. In dieser Debatte geht es nicht darum, Religionsunterricht per se zu unterstützen. Es geht vielmehr darum, einen Zustand zu bekämpfen und aufzuheben, in dem vier Millionen in Deutschland lebender Muslime diskriminiert und wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden, was ihnen täglich bestätigt, dass Muslime nicht zu Deutschland gehören sollen.

Der erste Teil der Artikelreihe beschäftigte sich mit Religionskritik als Tarnung für Rassismus

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