Jean-Luc Mélenchon und die „Bewegung für die 6. Republik“

Wenn dieser Tage von Frankreich die Rede ist, hört man vor allen Dingen drei Themen, die im Focus der Journalisten sind: Wirtschaftskrise, Reformdruck und der unaufhaltsame Aufstieg des FN. Keine Aufmerksamkeit wird dagegen den „Revitalisierungsstrategien“ der Linken jenseits der Sozialdemokratie geschenkt. Hierbei spielt die Person Jean- Luc Mélenchon, der bereits 2012 als Präsidentschaftskandidat der mehr oder weniger geeinten „radikalen Linken 11,1 Prozent der Stimmen erreichte, und „seine“ „Parti de Gauche“ (Linkspartei) (PG) weiter eine zentrale Rolle. Das neueste „politische Projekt“, welches Mélenchon samt Partei nun seit dem Ende der Sommerferien voranbringen will, ist z.B. die Ersetzung der bestehenden autoritären, ganz auf den Staatspräsidenten zugeschnittenen, fünften V. Republik durch eine „basisdemokratische „ 6. Republik“, deren Ausgestaltung allerdings vage bleibt.

Konzeptionell vermischen sich dabei Argumente, die „jakobinische“ Ideen , die bis 1792 und damit der Schaffung der „Ersten Französischen Republik“ zurückreichen, mit den Vorstellungen südeuropäischer bewegungsorientierter „sozialer Bewegungen“, wie Podemos, die nicht im Detail ausgeführt werden sollen, da sie wahrscheinlich den meisten Linken bekannt sind. Viel wichtiger scheint es einige Worte über besagten „Jakobinismus“ zu verlieren.

Der „Jakobinismus“- Grundidee der Linken

Selbiger zeichnet sich für französische Linke durch vier zentrale Merkmale aus: Die Betonung der Idee der „Volkssouveränität“ samt „sozialer Rechte“, ein unnachgiebiger Laizismus und ein „starker (zentralistischer) Staat“ („die ungeteilte Nation“), als Ausdruck der Überwindung des „Partikularismus“ des absolutistischen „Feudalstaates“. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Parteien der Arbeiterbewegung, besonders die Kommunistische Partei (PCF) gerne in diese Tradition stellte, sah man in den Jakobinern doch geistige Vorväter, deren Werk es, wie in der Sowjetunion damals bereits geschehen, jetzt in Frankreich auch umzusetzen galt. Außerdem ermöglichte es die Integration in das politische System und die Bündnisfähigkeit.

Es sei in diesem Zusammenhang nur kurz erwählt dass genau hier immer die Kritik der Rechten einsetzt. So würde der positive Bezug zu Revolution und Republik immer eine „abstrakte Gleichheit“ rechtfertigen, die zu einer unvernünftigen Vereinzelung der Menschen geführt hätten. Dagegen hätten die „natürlichen (ungleichen) sozialen und regionalen Strukturen“, die über Jahrhunderte funktioniert hätten, konkrete Sicherheit und Klarheit gegeben. Diese dürften deshalb nicht verändert werden. Ein wichtiges Argument für rechtskonservative und rechtskatholische Millieus bis heute.

Der Krise des „Front de Gauche“ folgt der „Appell an Volk“

Nicht zuletzt die Stagnation des „parteiförmigen“ Projektes der „Front de Gauche“ (hauptsächlich getragen von PCF und PG) durch Strategiedifferenzen zwischen PCF und PG und durch durchwachsende Wahlergebnisse bei den Kommunal- und Europawahlen zeigte, während sich im gleichen Atemzug der Erfolg der „undogmatischen“ „Bewegungspartei“ Podemos in Spanien abzeichnete, führten zu einer Infragestellung eines rein auf Wahlerfolge setzten Modells und eine offene Rückbesinnung zum „revolutionären“ Modell. Wie in Spanien soll das „System“ als Ganzes in Frage gestellt werden und dafür die „Menschen assoziiert“ werden und nicht in erster Linie Parteimitglieder, da sich durch die Krise der „Arbeitsgesellschaft“ die meisten Menschen zwar im „urbanen Raum bewegen würden“ aber durch die die nicht mehr stattfindende Interaktion am Arbeitsplatz kaum mehr durch die Parteien und Gewerkschaften erreicht werden könnten und „vereinzelt seien“.

Deshalb müssten die Einzelnen zur Menge zusammenfinden, um das gesellschaftliche Klima wieder anzuheizen und sich Plätze und Institutionen aneignen und sich von den „Feudalherren“(der Bezug zum „Ancien Régime“ ist offensichtlich) zu befreien, die Staat und Volkswirtschaft unter ihren Besitz gebracht haben, wie es Mélenchon sinngemäß in seinem Buch „L`ere du peuple“ (deutsch: das Zeitalter des Volkes) formuliert. Man dürfe auch nicht immer darauf bestehen, sich als „links“ zu bezeichnen, da diese Zuschreibung inzwischen den Sozialisten zuerkannt werde, wenn man Menschen erreichen wolle, ergänzte er später in einem Interview mit der kommunistischen Tageszeitung „L`Humanité“.

Die kommende Republik muss die „Nation“ stärken

Bei all dem bleibt die Rolle des Staates und der Nation unangetastet, denn die die Stärkung Frankreichs insbesondere gegenüber der USA ist eine unmittelbare Notwendigkeit, um den „Universalismus“ in der Welt wirkungsmächtig zu machen. Dies bedeutet, dass es Frankreichs natürliche Aufgabe als Kulturnation ist, die Werte der „Aufklärung“ angedeihen zu lassen. Trotzdem sollen die zwischenstaatlichen Beziehungen auf Ausgleich und Frieden angelegt sein, auch wenn größtmögliche Autonomie Mélenchons Ziel bleibt, was natürlich auch nach einem viel stärkeren „strategischen Eingreifen“ des Staates in die wirtschaftlichen Strukturen verlangt.

Außerdem wird eine Verwaltungsreform, die eine Dezentralisierung Frankreichs, anhand allerdings willkürlicher Kriterien, nach dem Vorbild Deutschlands von Seiten der „Parti de Gauche“ abgelehnt, da sie den weiter oben beschriebenen Gleichheitsgrundsatz der französischen Republik verletzten würde. Die „Offensivstrategie“ Mélenchons wird nicht von allen geteilt. So entzünden sich nicht nur an der Glorifizierung des „Volkes“ und an der „nationalen“ Orientierung Kritik. Vielmehr befürchtet gerade die Führungsspitze der Kommunisten durch den „offenen Bruch“ des Bündnisses mit den Sozialdemokraten in Zukunft weitere Abgeordneten und Bürgermeistermandate zu verlieren.

Dennoch bleibt Jean-Luc Mélenchon der unbestritten populärste Politiker des „linken Lagers“. Wenn man bedenkt, dass die „nationale Frage“ auch in der französischen Linken anders als in Deutschland eine zentrale Rolle spielt und wenn man sich weiterhin darüber klar werden muss, dass der Mélenchon`sche „linke Nationalismus“ nicht ausgrenzend und chauvinistisch ist, und damit eine klare Alternative zum „Blut- und Boden“- Nationalismus des Front national ist, sollte die deutsche Linke Mélenchon und die „Parti de Gauche“ auch in Zukunft nicht fürchten.

 

Ein Beitrag von Sebastian Chwala

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